27 Jahre Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Neuwied
Ein weiblicher Fels in der männlichen Brandung
Kreis Neuwied. In diesen Tagen wird Doris Eyl-Müller aus dem Dienst als Gleichstellungsbeauftragte in der Kreisverwaltung Neuwied verabschiedet. Hier hat sie 27 Jahre lang nicht nur die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Behörde im Blick gehabt, sondern sich für die Gleichstellung beider Geschlechter in der Gesellschaft eingesetzt. Schon im Studium hat sie sich im Studentenverband engagiert und Frauenprojekte maßgeblich mitbegründet. „Nach dem zweiten Staatsexamen als Biologie- und Mathematiklehrerin musste ich leider feststellen, dass zu der damaligen Zeit Lehrerinnen und Lehrer keine Mangelware waren. So kam mir die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte gerade recht, diese Aufgabe reizte mich sehr“, betont die aktive Sechzigerin. Das Amt gebe es seit 1992, zuvor sei es ein Ehrenamt in der Verwaltung gewesen. „Aber nach dem Inkrafttreten der neuen Landkreisordnung 1994 musste jeder Landkreis eine solche Stelle einrichten, und 1995 trat das Landesgleichstellungsgesetz Rheinland-Pfalz in Kraft. So wurde es ein Hauptamt.“ Diese Arbeit sei auch heute noch sehr wichtig. Gefragt nach einem Beispiel erklärt sie: „Es kommtnoch heute vor, dass in einem Einstellungsgespräch an Frauen Fragen gestellt werden, die nie einem Mann gestellt werden würden: ´Ist die Kinderbetreuung gesichert?` Und selbst wenn die Frage nicht gestellt wird, ist sie vielleicht im Kopf der Entscheider dennoch vorhanden.
Doris Eyl-Müller ist eine grundsätzliche Verfechterin für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Das drückt sich etwa in ihrer Meinung zum Thema Elternzeit aus: „Erst wenn Männer und Frauen die gleiche Elternzeit nehmen müssen, wird sich in der Benachteiligung der Frauen etwas ändern.“ Ganz wichtig ist ihr die Rolle der Frau im Beruf. „Auch wenn man seine Kinder frei erzieht, irgendwann schlägt der gesellschaftliche Einfluss zu, und es trennen sich die Wege auch heute noch in vorwiegend technische (männliche) und vorwiegend soziale (weibliche) Berufstätigkeiten.“ Das sollte sich ändern, findet Doris Eyl-Müller und nennt dafür das Beispiel der diesjährigen Preisträgerinnen der Stiftung Johanna-Loewenherz. Hier bekleidet Doris Eyl-Müller das Amt der Geschäftsführerin und betont: „Der Wunsch der Stiftungsgeberin war es, Frauen zu unterstützen und zu stärken. In diesem Jahr waren die jungen Frauen nicht nur Mitglieder der Blaulichtfamilie Feuerwehr und THW, sie sind auch in Bereichen tätig, die ein erhöhtes technisches Verständnis und/oder körperlich schwere Arbeit beinhalten.“ Und: „Das hätte Johanna Loewenherz gefallen“, betont sie kämpferisch.
Zur Geschäftsführerin der Stiftung wurde Doris Eyl-Müller mit ihrem Amt als Gleichstellungsbeauftragte: „Johanna Loewenherz war eine außergewöhniche Frau: wohlhabende Sozialdemokratin, Frauenrechtlerin, alleinerziehend und Jüdin. Den Faschismus hätte sie nicht überlebt. Sie starb 1937 in Rheinbrohl in ihrem Garten.
In ihrem Testament bestimmte sie die Einrichtung einer Stiftung zur Förderung von Frauen, ihr Haus sollte ein Erholungsheim für Frauen sein, die sich für Frauen eingesetzt haben oder besonders herausragende wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Arbeiten vollbracht haben. „Leider wurde das Testament erst 1984 gefunden: Ländereien waren zwischenzeitlich von der Testamentsvollstreckerin verkauft worden, das Haus hatte einen enormen Investitionsstau. Dennoch trat der Landkreis Neuwied als Rechtsnachfolger 1986 die Erbschaft an und gründete die Stiftung. Jährlich werden nun Frauen ausgezeichnet, die sich im Sinne von Johanna Loewenherz Verdienste erworben haben und unterstützt werden sollen“, so Doris Eyl-Müller.
In der Kreisverwaltung setzt sie sich seit 27 Jahren für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ein. Sie ist kooptiertes Mitglied im Personalrat und bei Einstellungsgesprächen anwesend. Die Gleichstellungsbeauftragte hat eine Wächterfunktion, dass keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung geschieht, sie ist Ansprechpartnerin für die Verwaltung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist aber auch Impulsgeberin für eine moderne, effizient arbeitende Behörde, die sich als Dienstleisterin für die Menschen versteht. Zusammen mit ihren Kolleginnen aus den Verbandsgemeinden des Kreises Neuwied entwickelt sie Konzepte, um mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu motivieren, thematisiert Dinge, die sie ändern oder verbessern will. So wurde in den vergangenen Jahren die Telearbeit in der Verwaltung „salonfähig“. „Dabei gehen wir selten auf Konfrontationskurs, denn wir haben relativ wenig Macht“, sagt sie augenzwinkernd. „Wichtig ist mir die Zusammenarbeit, die Förderung von Frauen, beispielsweise in der Kommunalpolitik und in der Gremienarbeit.“
Daher gibt es immer wieder Workshops, zu denen sie mit den Kolleginnen aus Stadt und Verbandsgemeinden politisch erfahrene Frauen einlädt, die ihren Geschlechtsgenossinnen gerade am Anfang ihrer ehreamtlichen Tätigkeit Mut machen und zur Seite stehen. Oder für Frauen, die den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Kindererziehungszeit anstreben. Oder für Mädchen und junge Frauen, damit sie sich gegen Übergriffe und sexuelle Gewalt wehren können. Mut machen, gegen vermeintliche gesellschaftliche Zwänge zu opponieren, sich durchzusetzen und sich als Frau und Mensch zu behaupten, das ist seit vielen Jahren das erklärte Ziel der Gleichstellungsbeauftragten Doris Eyl-Müller
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