Kreistag Neuwied konstituiert sich
Große Koalition wird fortgesetzt
CDU und SPD unterschrieben Vereinbarung in Leutesdorf
Leutesdorf. Die Große Koalition von CDU und SPD im Neuwieder Kreistag ist unter Dach und Fach. Knapp eine Woche vor der Konstituierenden Sitzung des Gremiums in Kurtscheid stellten die Fraktionsvorsitzenden Petra Jonas (SPD) und Michael Christ (CDU) zusammen mit den Kreisvorsitzenden, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel und Fredi Winter, der Anfang des Monats nach 13 Jahren sein Landtagsmandat niedergelegt hatte, sowie mit Reiner Kilgen die Vereinbarung zwischen den Fraktionen für die Wahlperiode 2019-24 im Raum „Römerwelt“ der Jugendherberge Leutesdorf der Presse vor. „Um die Herausforderungen der nächsten Jahre bewältigen zu können, braucht der Landkreis Neuwied eine stabile politische Mehrheit“, begründeten die beiden Fraktionsvorsitzenden die Fortsetzung der Kreistags-GroKo. Gemeinsam habe man viel auf die Schiene gebracht, damit der Landkreis auch weiterhin lebens- und liebenswert bleibe, ergänzte Fredi Winter. In der zurückliegenden Legislaturperiode habe man die Liquiditätskredite des Landkreises, also die Verschuldung ohne Gegenwert, um circa 30 Millionen Euro abgebaut, so Michael Christ. „Wir werden weiter daran arbeiten, auch die restlichen Schulden in Höhe von rund 110 Millionen Euro weiter zurückzuführen, ohne die freiwilligen Leistungen zu vernachlässigen und ohne die Umlage zu erhöhen. Wir streben sogar an, entgegen der Forderung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung, diese zu senken“, versprach der Chef der Verbandsgemeinde Asbach. Nur so könne der finanzielle Spielraum der Gemeinden und der Städte wieder größer werden. „Harte Wochen liegen angesichts der knappen Zeitschiene hinter den beiden Fraktionen, um trotz der vielen Feiertage noch vor Beginn der Sommerferien alles für die konstituierende Sitzung vorzubereiten“, erinnerte Petra Jonas. Das aber sei notwendig, damit der Kreistag frühzeitig handlungsfähig ist, so die Neuwiederin. Allerdings habe man gar nicht lange verhandeln, sondern sich viel mehr mit den Formulierungen auseinandersetzen müssen, hob ihr Kollege hervor, um dann auf Herausforderungen in den Bereichen Breitbandausbau, Klimaschutz, Abfallwirtschaft, Kreisimmobilien und Kreisstraße sowie im Bereich Mobilität hinzuweisen. Vor dem Hintergrund, die erforderlichen Maßnahmen und Antworten auf die wichtigsten Fragestellungen nach Möglichkeit einvernehmlich abstimmen zu können, damit die Weichenstellungen mit klaren, transparenten Vorgaben und Mehrheit erfolgen, haben die beiden Fraktionen mehrere konkrete Regelungen vereinbart.
Prinzip Nachhaltigkeit
„Unser Handeln richtet sich im sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereich nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang stellen die gesellschaftspolitischen Ziele ‚Klimaschutz‘, ‚Ressourcenwirtschaft‘ sowie ‚Innovative Technologien‘ einen Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit im Kreistag Neuwied dar“, zitierte Michael Christ die Vereinbarung. Um zu diesen Themen die erforderliche Sacharbeit vornehmen zu können, würden drei neue Ausschüsse gegründet. Wenn man Zukunftsthemem behandeln wolle, brauche man auch die dafür nötigen Arbeitsgremien, die die beiden Fraktionsvorsitzenden. Der Ausschuss „Klimaschutz, Energie und Ressourcenwirtschaft“ soll sich um die energetische Sanierung von kreiseigenen Immobilien des Kreises, die Gründung einer kommunalen Energiegesellschaft, den Einsatz von regenerativen Energien und die Neuaufstellung eines Klimaschutzkonzeptes inklusive der Wiedereinstellung eines Klimaschutz-Managers kümmern. Der Ausschuss „ÖPNV, Mobilität und Verkehrsinfrastruktur“ stelle die Themen differenzierter dar. Beim ÖPNV gehe es schon um den Spagat zwischen umweltschonender und preiswerter Lösung für den Bürger. Von den Unternehmen, die auch die Schülerbeförderung übernehmen, bei neuen Ausschreibungen für die Nachmittags- und Abendstunden kleine Busse einzufordern, um so Leerfahrten zu minimieren, sei wenig erfolgversprechend. „Hier ist ein modernes Verkehrskonzept gefragt mit individuellen Lösungen, für das der Erste Kreisbeigeordnete Michael Mahlert bereits einige gute Anregungen eingebracht hat“, so Michael Christ, während Erwin Rüddel auf die langfristige Lösung des ÖPNV-Problems durch autonomes Fahren hinwies.
Greifen diese beiden Ausschüsse, umbenannt um zu verdeutlichen, was in ihnen behandelt wird, die Arbeit früherer Gremien unter dem großen Ziel „Klimaschutz“ auf, so ist der Ausschuss „Landkreis 2030“ tatsächlich neu. Dabei gehe es um die Entwicklung des Kreises so etwa hinsichtlich der ärztlichen Versorgung, erklärte Michael Christ. „Neuwied ist aber auch der Landkreis, in dem alle Schularten einschließlich der Landesblinden- sowie der Landesgehörlosenschule angesiedelt sind und wir werden wir alles daransetzen, alle Schulstandorte sowie Schularten zu erhalten, selbst wenn sich der Trend sinkender Schülerzahlen bestätigen sollte“, unterstrich Petra Jonas die soziale Ausrichtung ihrer Partei. Ob es finanziell möglich sei, neben der Johanna-Loewenherz-Schule eine weitere Integrierte Gesamtschule im Kreis anzubieten, um dem Elternwunsch gerecht zu werden, statt jedes Jahr viele potenziellen Schüler abweisen zu müssen, könne sie noch nicht beurteilen. Weiterentwickelt werden müssten aber auf jeden Fall die berufsbildenden Schulen, damit etwa an der Alice-Salomon-Schule die Zahl der Ausbildungskräfte für Pflegepersonal erhöht werden könne. „Der Kreis hat ja kein Einnahme- sondern ein Ausgabenproblem. So stellen die vielen Schulen ein finanzielles Problem für den Kreis etwa hinsichtliche der Schülerbeförderung dar“, ergänzte Reiner Kilgen. Unabhängig von den Schulbussen würde allein der Individualverkehr für die vier Förderschulen in Asbach, Neuwied, Raubach und Rheinbrohl den Kreis pro Tag 10.000 Euro kosten, rechnet er hoch.
Kooperation „Wir Westerwälder“
„Kürzlich ist zudem die Kooperation unseres Landkreises mit dem Westerwaldkreis und dem Kreis Altenkirchen vorgestellt worden, mit der sich die gesamte Region klarer, schneller, und informativer sowie mit völlig neuer Struktur und Optik als „Wir Westerwälder“ mit Sitz in Dierdorf präsentieren kann“, erinnerte er. Das gemeinsame Internet-Portal www.wir-westerwaelder.de der drei Landkreise biete schnellen Zugang und Orientierung für Urlauber, Unternehmer sowie Bürger und führt als „Tor zum Westerwald“ durch das umfangreiche Online-Informations- und Serviceangebot der Region Westerwald, die eben bis ins Rheintal reicht.
„Die Zeichen der Zeit erfordern einen stärkeren regionalen Auftritt und Vermarktung nach außen, aber auch eine stärkere Identifikation der Menschen mit der Region nach innen. Nur so lassen sich die Herausforderungen der Zukunft meistern“, betonte Erwin Rüddel. In einem Radius von rund 100 Kilometern hätten sich rund um den Westerwald andere rheinland-pfälzische Landkreise zur „Eifelmarke“ sowie zu den Regionalmarken „Mosel“, „Mittelhessen“ sowie „Frankfurt-Rhein-Main“ zusammengeschlossen. „Zusätzlich forciert die Region Koblenz-Mittelrhein einen Zusammenschluss zur Regiopolregion, die beiden Städte Köln und Bonn als eigenständige Marken von Nordrhein-Westfalen aus in den Westerwald hineinstrahlen“, gab der CDU-Kreisvorsitzende zu bedenken. Nun gehe nun darum, die Regio-Arbeit „Westerwald“ nicht nur auf die Verwaltung zu beschränken, sondern über den Ausschuss auch den Kreistag in diese einzubeziehen, waren sich die Fraktionsvorsitzenden einig.
Die Möglichkeit, eine Dreierkoalition anzustreben, habe nie zur Diskussion gestanden, bekräftigten sie. Es ist schon nicht leicht, zwei Fraktionen zu einer harmonischen Arbeit zusammenzuführen, entsprechend sei eine Dreierkoalition im Kreis nicht machbar. „Die CDU hat nach der Kommunalwahl mit allen Parteien, abgesehen von der Linken und AfD, Gespräche geführt, dabei aber unser Ziel, die GroKo fortzusetzen, nicht verschwiegen“, berichtete Michael Christ. FWG und FDP hätten aber nur über eine mögliche Koalition sprechen wollen, während man sich mit Bündnis 90/Die Grünen über viele Sachthemen ausgetauscht habe. „Die Schnittmengen mit dieser Fraktion sind schon sehr groß, wobei sich die Mandatsträger auch als sehr angenehme und verlässliche Gesprächspartner erwiesen haben“, so Petra Jonas, die allerdings keinen Grund sah, ein bewährtes Modell der Kooperation aufzugeben, auch wenn man angesichts der Verluste der Kreis-GroKo bei den Kommunalwahlen in Höhe von insgesamt 15,5 Prozent nicht davon sprechen kann. Zwar kann man angesichts der Verluste bei den Kommunalwahlen (SPD -8,2 Prozent, CDU -7,2 Prozent) nicht davon sprechen kann: „Never change a winning team!“
„Es sei für die SPD vor fünf Jahren in Waldbreitbach gar nicht so einfach gewesen, diesen gemeinsamen Wege einzuschlagen, erinnerte Fredi Winter. „Dagegen war der Entschluss, die Kooperation auf Augenhöhe fortzusetzen sehr leicht angesichts des ausgezeichneten menschlichen Miteinanders in den zurückliegenden Jahren“, so Fredi Winter, bevor auch Erwin Rüddel die große Vertrauensbasis zwischen den Koalitionspartnern unterstrich. Außerdem gehe es in der Kommunalpolitik nicht um Partei-Ideologie, sondern darum, bei der Lösung von Problemen der Bürger vor Ort überein zu kommen, erklärten die fünf Kreistagsmitglieder, bevor sie als erste die Vereinbarung unterschrieben.
DL