„Wo drückt der Schuh?“ – Über 1.300 Menschen nahmen an Online-Umfrage teil

„Was passiert, wenn wir immer weniger werden?“

Thilo Becker schildert Szenarien und fordert Bevölkerung zur Unterstützung auf

„Was passiert, wenn wir
immer weniger werden?“

„Nicht alle Fragen werden von uns allein zu lösen sein. Hierzu benötigen wir die Hilfe aller.“, appelliert Becker. Foto: MIH

24.09.2018 - 11:52

Höhr-Grenzhausen. 93 Seiten umfasst der Abschlussbericht über die Durchführung und Ergebnisse zur Online-Befragung „Alles gut hier?“, die in den letzten Wochen und Monaten in der Verbandsgemeinde überall präsent war. Zahlen, Daten, Fakten. Empirisch erhoben und von Spezialisten ausgewertet. Doch dahinter steckt mehr, stellt die Befragung doch die Basis für eine mögliche gemeinsame Zukunft der Einwohner der Stadt Höhr-Grenzhausen sowie der Dörfer Hilgert, Hillscheid und Kammerforst im Rahmen einer integrativen Standortentwicklung dar.


Kick-Off-Veranstaltung veranschaulichte Umfrageergebnisse


Nachdem die Bürger der Verbandsgemeine Höhr-Grenzhausen im Februar und März dieses Jahres vier Wochen lang die Gelegenheit hatten, an dieser anonymen Online-Umfrage teilzunehmen, wurden im Rahmen einer bunten und umfangreichen Programmwoche zu Beginn in einer Kick-Off-Veranstaltung unter anderem deren Ergebnisse im Gasthaus „Till Eulenspiegel“ präsentiert. Ziel war es an diesem Tag, die thematisierten Ergebnisse unter die Lupe zu nehmen und im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern Denkanstöße entgegenzunehmen und zu diskutieren.

Bei der Umfrage ging es darum, die Meinung und Sichtweise der Gesamtbevölkerung zu unterschiedlichen Themen am Standort Höhr-Grenzhausen festzustellen, um danach Maßnahmen ergreifen zu können, die das Vorantreiben der integrierten Standwortentwicklung fördern, in der es darum geht, alle Gemeinden zielgerichtet zu gestalten. Konkret bedeutet dies, dass die Menschen, die hier leben, sich aktiv einbringen können. In seiner Begrüßungsrede wandte sich Verbandsgemeindebürgermeister Thilo Becker mit den Worten an die Besucher: „Die Bürgerinnen und Bürger sollten uns sagen, wie sie den Standort Höhr-Grenzhausen sehen und bewerten. Wir werden in dieser Woche nicht in der Lage sein, detaillierte Lösungen zu benennen. Wir wollen Denkanstöße von Ihnen weiter aufnehmen, aber auch weitergeben. Nicht alle Fragen werden von uns, der Verwaltung oder auch der Kommunalpolitik allein zu lösen sein. Hierzu benötigen wir die Hilfe Aller. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nur gemeinsam den Standort Höhr-Grenzhausen weiterentwickeln können.“


Alarmiert vom Bevölkerungsrückgang in der VG


In seiner Rede legte Becker auch die Bevölkerungszahlen und deren Entwicklung dar. Gemäß den Angaben des Statistischen Landesamtes lag die Einwohnerzahl in der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen im Jahr 1999 bei 14.405 Personen, am 31.12.2016 bei 13.593 Menschen. Die dritte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2013 prognostiziert bis zum Jahr 2035 einen Bevölkerungsrückgang in der Verbandsgemeinde auf 12.375 Einwohner. Zu diesen Zahlen referierte Becker: „Wir müssen unsere Einwohnerzahlen stabilisieren. Unser Ziel muss sein, bis zum Jahr 2025 eine Einwohnerzahl von 15.000 Personen zu erreichen oder zumindest den Trend der Bevölkerungsvorausberechnung zu durchbrechen. Dies muss uns allen gemeinsam gelingen.

Warum dieses Ziel für uns so wichtig ist, möchte ich an einigen Beispielen erläutern. Ein weiterer Rückgang der Bevölkerung kann Auswirkungen haben auf die Anzahl der Kindergartengruppen, die sich vermutlich dann reduzieren werden. In der Folge wird sich dies dann auch auf die Grundschulen auswirken.

Selbst wenn keine Schulen geschlossen werden, so wird vielleicht die derzeit drei- bis vierzügige Goetheschule ein zu großes Raumangebot haben. Die Fortsetzung dieser Entwicklung trifft dann auch unser Schulzentrum.

Und wenn heute ein positiver Aspekt genau diese Infrastrukturangebote sind, muss man erkennen, dass ein Wandel eintreten kann. Soll heißen, wir reden im Kindergarten dann nicht mehr von 25 Kindern in einer Gruppe, sondern vielleicht nur von 18 Kindern.“


Höhere Pro-Kopf-Kosten


„Das wiederum wird dazu führen, dass wir sogenannte höhere Standards haben, verbunden mit höheren Kosten. Diese Kosten werden wiederum auf weniger Schultern verteilt.“, so Becker weiter.

„Eine geringere Einwohnerzahl führt auch zu einem Rückgang der Einkommensteueranteil, die schon heute für unsere Gemeinden in der Verbandsgemeinde eine erhebliche Einnahmequelle darstellt. Ein Rückgang würde vermutlich zumindest eine halbe Million Euro weniger bedeuten.““


Fachkräftemangel auf dem regionalen Arbeitsmarkt


Laut Becker verstärke sich auch der Fachkräftemangel bei sinkenden Bevölkerungszahlen, da damit auch die Zahl der Menschen zurückgehe, die dem regionalen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. „Genau hier stehen wir im Dialog mit unseren Unternehmen und Handwerksbetrieben. Wir müssen hier gemeinsam eine Strategie entwickeln, um die Fachkräfte in unserer Verbandsgemeinde zu sichern.“, so Becker.

Weiterhin habe der Rückgang der Bevölkerung auch Auswirkungen auf die weitere Infrastruktur. Pflegeeinrichtungen und Betreuungsplätze würden stärker benötigt als bisher. Die vorhandene Infrastruktur müsse ausgebaut werden, gibt der Verbandsbürgermeister weiter an. Ebenso müsse der Altbaubestand, ein ganz zentrales und wichtiges Thema unter anderem für die Innenstadtbelebung, erheblich modernisiert werden.


Sinkende Einwohnerzahlen bedeuten weniger Kaufkraft


Auch die Kaufkraft werde mit einem Bevölkerungsrückgang rückläufig sein, was vermutlich dazu führe, dass weitere Verkaufsflächen brach fallen. „Und dann ganz eigensinnig, als Bürgermeister einer Verbandsgemeinde gedacht: Der Wasserverbrauch wird auch weiter rückläufig sein.

Wenn wir plötzlich mit 50.000 Kubikmeter weniger Wasser auskommen, hat dies auch Auswirkungen auf den Wasserpreis und die Entgelte zur Abwasserbeseitigung. Denn jeder muss wissen, dass die bei den Verbandsgemeindewerken entstehenden Kosten zu rund 85% reine Fixkosten sind. Und diese müssen letztlich über den Wasserpreis gedeckt werden.“


Zusammen in eine gemeinsame Zukunft starten


Während der Ausführungen von Thilo Becker ist es still im Saal. Er weiß um die Wirkung seiner Worte, die so offen und ehrlich sind, wie Worte nur sein können. Jedoch ist er sich seiner Verantwortung für die Bürger seiner Verbandsgemeinde bewusst.

„Ich hoffe, ich habe niemanden erschreckt und eine düstere Zukunft für unsere Verbandsgemeinde heraufbeschworen. Die angesprochenen Szenarien sind die Risiken, die in einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung liegen. Ich sehe diese Szenarien allerdings auch als Herausforderung für uns alle. Wir, die Verwaltung können sie nicht alleine verhindern. Wir alle müssen uns darüber verständigen, wie wir unsere vorhandenen Stärken, zum Beispiel die Kinderbetreuung und Schulangebote, Arbeitsplätze, aber auch das Wohnraumangebot erhalten und verbessern können. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Hierzu gehört auch der weitere Ausbau als Mittelzentrum der Stadt Höhr-Grenzhausen.

Der weitere, auch der wirtschaftliche Erfolg wird davon abhängig sein, dass wir unser Profil als Wirtschafts- und Versorgungszentrum schärfen. Hierzu zählen auch die weichen Standortqualitäten, die steigenden Anforderungen gerecht werden müssen. Nur so können wir vielleicht ein positives Wanderungssaldo erreichen, um die Einwohnerzahl zu stabilisieren oder zu steigern.“

„Neben der Ausweisung von Neubaugebieten mit Augenmaß werden wir der Innenbelebung hohe Aufmerksamkeit schenken müssen.

Die Schwierigkeit wird darin liegen, den Charakter einer Gemeinde, den wir liebgewonnen haben und die unsere Heimat so liebenswert macht, nicht über Bord zu werfen.“, erklärte Becker den Anwesenden.


Attraktiver Wohnraum für Jung und Alt


Ziel solle ebenfalls die Schaffung eines vielfältigen Wohnangebotes sowie attraktiven Wohnraumes sein, um im Wettbewerb um Arbeitskräfte mithalten zu können. Außerdem kommen Kulturangebote und zu klärende Mobilitätsfragen hinzu, um die Standortsicherung zu betreiben.


Chance nutzen und Leistungspotenzial aktivieren


„Derzeit hat der eingesetzte Bevölkerungsrückgang zu keinen nennenswerten Problemen geführt. Unsere Angebote und die Vorteile als Wohnstandort wurden auch in der Umfrage positiv bewertet.

Darauf müssen wir aufbauen. Wir dürfen uns darauf aber nicht ausruhen. Die Nähe zum Oberzentrum Koblenz, manchmal ein Fluch, dem Rheingraben und unsere Lage zwischen den Ballungsräumen Köln/Bon und Rhein/Main ist eine Chance, um unseren Standort zu stärken. Nur dürfen wir diese eine Chance nicht unterbewerten. Unser eigenes Leistungspotenzial müssen wir aktivieren und unsere gemeinsamen Stärken herausstellen und weiterentwickeln. Die integrierte Standortentwicklung ist eine gemeinschaftliche Aufgabe und damit wir in Zukunft die Frage ‚Alles gut hier?‘ weiterhin mit einem deutlichen ‚Ja‘ beantworten können, möchte ich sie ermuntern an dieser Aufgabe mitzuarbeiten.

Scheuen Sie sich nicht, Ideen oder Denkanstöße vorzutragen, gleich ob im direkten Kontakt mit mir, den Mitarbeitern, den Ortsbürgermeistern, dem Stadtbürgermeister oder den Gemeinderats- und Stadtratsmitgliedern.“, motiveiert Becker die Bürger.

„Aber auch Sie selbst können mithelfen, unseren Standort weiter zu entwickeln. Die Möglichkeiten und Szenarien konnte ich eben vielleicht kurz verdeutlichen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Wolfgang Goethe enden: ‚Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch handeln. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.‘

Ich freue mich auf viele gute Gespräche.“

Die abschließenden Worte des Bürgermeisters lassen zuversichtlich in eine Zukunft Höhr-Grenzhausens blicken, in der alles gut sein könnte. Bis dahin gibt es jedoch noch alle Hände voll zu tun und Thilo Becker ließ keinen Zweifel daran, dass er, die Verwaltung und die bereits engagierten Menschen und Gremien jede Unterstützung gerne annehmen und auch brauchen, damit 2025 die Marke von 15.000 Einwohnern geknackt werden kann und somit der Standort Höhr-Grenzhausen deutlich an Attraktivität gewinnt.

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