TV06 Bad Neuenahr - Die erste Woche nach dem Lockdown wieder auf der Matte

„Jungs turnen kein Balken!“…

Wir über uns aus der Sicht von einer, die mitturnt, ihre Form zu behalten

06.07.2021 - 13:39

Bad Neuenahr. Wie? Ich stehe in der großen Sporthalle an der Weststraße, im Ohr der vertraute Kinderlärm, die Stimmen der Trainer, die typischen Gerüche in der Nase: alles wieder da. Endlich, nach Monaten des Stillstands sind die jüngsten Sportskanonen der Leistungsgruppe als erste wieder auf der Matte. Fast vollzählig, zwei Mal die Woche drei Stunden bewegen sie sich elastisch auf Geräten, springen oder balancieren auf Schwebebalken.

Alles Mädchen, fällt mir auf. Keine Jungen? frage ich. Als könne man es sich denken, kommt: „Jungs turnen kein Balken!“ und außerdem gebe es eine eigene Jungen-Leistungsklasse in der Region, die machen andere Sachen als Mädchen. Zwei Trainer, zwei Trainerinnen leiten die Gruppe heute. „Die Kinder kommen freiwillig, die wollen gar nicht nach Hause“, entfährt es Juliane Meier, der erfahrenen, langjährigen Abteilungsleiterin. Bemerkenswert, gehöre ich doch selbst zu den Mitgliedern, die zwar gern kommen, aber nach einer guten Stunde schweißtreibender Übungen gern auch wieder gehen. Und Wettkämpfe – für die die jungen Sportler trainieren – gehören nicht zu meiner Passion.

Es zieht wieder Leben ein in die Sportstätten des TV 06. 990 Mitglieder zählt Vorstandsmitglied Karl-Heinz Kleinewig aktuell nach, viele sind ausgestiegen, als monatelang kein Angebot gemacht werden konnte. Aber darunter sind auch Inaktive, die die Benachrichtigung einer Reduzierung des Jahresbeitrags zum Anlass nahmen, auszutreten – also eher nachvollziehbar dieser Mitgliederschwund, erfahre ich. Es ist heute eher selten, ein Leben lang dabei zu bleiben und sogar Leitungsfunktionen zu übernehmen. Als Übungsleiterin z.B. wie es Christiane Höllmann macht und heute im Vorstand ist. Die Mutter-Kindgruppe hat sie als Einjährige selbst erlebt und leitet sie jetzt, neben den Kindergartenkinder- und Schulkindergruppen. Hier entdeckt sie sportliche Talente und stellt sie den Ausbildern der Leistungsgruppe vor… so läuft das mit den Karrieren im TV 06.


Jungbleiben mit Spaß an der Bewegung


Heike Kettel sieht man ihr Alter nicht an. Wenn sie sagt, sie sei jetzt 46 Jahre im Verein, komme ich ins Grübeln, bzw. Rechnen. Sie gehörte zu den jungen Talenten, die einst für die Leistungsgruppe ausgesucht wurden, später als junge Frau in der Showtanzgruppe „Salt and Pepper“ eine verdammt gute Figur machte und einst Aerobic-Gruppen unterstützte. Natürlich kennt sie alle Programme des TV 06, erkundete das umfangreiche Vereinsangebot, ließ nichts aus. Am Ende erwarb sie selbst Übungsleiterscheine, um bis heute Sportgruppen fit zu machen. Drei Jahre pausierte sie, um ihren Zwillingen und ihrem Beruf gerecht zu werden, dann stieg sie wieder ein. Heute ist sie 56, natürlich fit und mit ihrer eigenen Disziplin, als „Springerin“, ein Glücksfall für den Verein, denn wenn andere Übungsleiter ausfallen, springt sie ein. So machen es fast alle ehrenamtlichen Kräfte, oft bis ins hohe Alter, habe ich mir in der ersten Woche nach dem Lockdown sagen lassen.

Heike Kettel ist eine von dreißig Übungsleitern und sechs Abteilungsleitern. Die Seniorengruppe, die sich zweimal wöchentlich jetzt wieder nach ihren sportlichen Anweisungen bewegt, kommt auch ihretwegen. „Gern“, beteuern alle. Nach sieben Monaten Zwangspause sind sie hochmotiviert, den Fitnessrückstand aufzuholen. Noch immer sind nicht alle in der Halle, denn bis auf weiteres dürfen dort maximal acht Personen mit Impfnachweisen ihre Gelenke bewegen.


Herzsport unter medizinischer Aufsicht


Draußen ist momentan mehr möglich: Im Schulhof hinter der Turnhalle sind am Mittwochabend wesentlich mehr gut gelaunte Männer und Frauen der Herzsportgruppe angetreten. Sie profitieren vom Gesundheitsangebot des Clubs, durften auch schon vier Wochen vor allen anderen starten. Nur draußen versteht sich. Eine Ärztin turnt mit, für den Notfall gerüstet. Nicht alle sind Mitglieder des TV 06, denn Rehasport gibt es auf Verordnung, genauso wie es die Rückengymnastik auf Rezept gibt.

„Pluspunkt Gesundheit“ – diese Auszeichnung bekam der Verein für sein medizinisches Angebot. Rund dreißig Jahre verantwortete Veronika Steger dieses ambitionierte Unternehmen als Vereinsmanagerin und setzte es erfolgreich um. Die Zeichen der Zeit für eine gesundheitsbewusste und alternde Gesellschaft waren erkannt. Für Bad Neuenahr nicht unbedeutend. Die Kur- und Badestadt zählt seit Jahren einen nicht unbeträchtlichen Zulauf an Menschen, die hier ihren Ruhestand verbringen. Das spiegeln auch die Mitgliederzahlen. Sie stiegen zuletzt auf 1223 vor Corona. Diese älteren Teilnehmer suchen sportliche Ertüchtigung im Verein wegen der persönlichen Betreuung und Gemeinschaft, wie sie sie in angesagten Fitness-Studios nicht für sich vermuten, hieß es bei allen dazu gezogenen Senioren. Das Miteinander spielt für viele eine große Rolle, ist mein Eindruck.


„Da geht noch was“


Veronika Steger pfeffert ihre Programme gern mit flotter Musik, „fördert“ spielerisch und unterhaltsam den kleinen Muskelkater und sorgt für Spaß unter den Teilnehmern, die zunehmend zu „Anhängern“ werden. Ihre Wassergymnastik ist notorisch ausgebucht. Die so bewegten Senioren und junge Herzgeschädigte können sich gar nicht vorstellen, dass sie bereits im Ruhestand ist und irgendwann die Regie abgeben könnte. Lustvoll dirigiert sie die Mannschaft bei 32 Grad im Schatten und macht vor, wie es geht: Schrittfolgen und Armbewegungen zu koordinieren, bringe auch das Gehirn in Schwung. „Brauchen wir alle“, scherzt sie oder treibt an: „Da geht noch was“ und zählt dann laut runter: noch Acht! Sieben! Sechs!... Eine „Spitzentrainerin“ schwärmt Michael H., er ist seit fast sechs Jahren dabei. Seiner Devise, „gehe nie in eine Partei und nie in einen Verein“ ist er in letztem Punkt untreu geworden und beigetreten, gesteht er. Er kommt auch „wegen der Geselligkeit“, sagt er begeistert , große Zustimmung. Die Gruppe konnte übers Handy schnell aktiviert werden, als es wieder losging. Nicht selbstverständlich für alle Gruppen. Aber die allgemeine Durchdigitalisierung ist auch hier auf dem Vormarsch. Den Intervallsport gab es in Coronazeiten via PC, Laptop oder Handy.

In die Zukunft blickt der heutige Vorstand trotzdem nicht ohne Sorgen. Die Abwanderung ganzer Altersgruppen in Fitness-Studios ist nicht schönzureden. Der Trend, sich nicht an einen Verein zu binden, spüren viele Vereine deutlich. Und ehrenamtlich eine Leitungsfunktion anzunehmen, wird nur noch selten in Betracht gezogen. Das war auch mal ganz anders.


Allgemeine Zurückhaltung überall


Zu Rekordzeiten hatte der heute 115-jährige Verein 2137 Mitglieder, das war 1997; so beschreibt es die Festschrift zum 100. Vereinsjubiläum 2006. Zum Vorstand zu gehören, war damals noch eine Ehrensache. Der Trend zur Unverbindlichkeit spiegelt sich auch im TV 06. Dabei lassen sich die Jahresbeiträge nicht mit den Beträgen vergleichbarer Anbieter messen.

Sehr beliebt und im Preis enthalten sind monatliche Wanderungen, Vorbereitungen auf die Skisaison und die Organisation von Reisen für sportliche Aktivitäten. Wenn in den nächsten Wochen auch die als Kontaktsportarten bezeichneten Aktivitäten wieder zugelassen werden, sind die Sportler wieder am Ball.

Zurück auf die Matte: „Rücken 1“ und „Rücken 2“ quälen sich jeden Dienstag je eine Stunde im Bewusstsein, nur Gutes für sich zu tun. Hier sind die überwiegend 40- bis 60-Jährigen anzutreffen. Unternehmer, Angestellte, Beamte aus dem Kreis der arbeitenden Bevölkerung, männlich wie weiblich kommen sehr regelmäßig, es wird viel gewitzelt und gestöhnt. Rainer S. und Dirk W. z.B. traten vor 15 Jahren zusammen mit zwei weiteren Männern regelmäßig an. Ein Sportskamerad sei leider weggezogen, der vierte Mann habe aufgegeben, bedauern sie, Corona habe ihm die Lust genommen. Schade, meinen auch andere aus der schon eingeschworenen Gemeinschaft. Man feiert gern zusammen, wenn Veronika Steger das Sommerfest organisiert, sind alle dabei. Aber auch an den ganz normalen Dienstagabenden gehört ein gemeinsames Bierchen danach dazu. Da trinkt man doch gern auf die gemeinsame Gesundheit.

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