Sinzig. Wenn junge Fußball-Kids nach ihren Zielen gefragt werden, lautet meistens die Antwort in einem Bundesligaverein oder in der Nationalmannschaft spielen zu wollen. Das ist im Tennis ein wenig anders.

Flynn-Tjark Baumert, 15-jähriges Talent aus Sinzig-Löhndorf im Kreis Ahrweiler, hat da genaue Vorstellungen. Sein großer Traum ist es einmal bei den Australien Open aufschlagen zu dürfen.

Noch kann er die Spiele nur am Fernseher verfolgen, aber mit viel Ehrgeiz, Disziplin und etwas Glück steht Flynn in fünf bis sieben Jahren selbst auf dem Platz in Melbourne. Ein sehr ambitioniertes Ziel, dass viele Tennisnachwuchstalente in Deutschland haben.

Bis zu seinem siebten Lebensjahr hat er nur hin und wieder mit dem Opa in der Halle Tennis gespielt. Ein Probetraining beim HTC Bad Neuenahr im Jahr 2012 hat dann jedoch den Stein ins Rollen gebracht. Schnell wurde sein Talent für das Tennisspiel erkannt und Flynn trainierte nun mehrmals die Woche im HTC.

Nur Training allein reichte Flynn nicht, er wollte sich stets auf Turnieren mit anderen gleichaltrigen Tennisspielern messen. Seine erste Turnierteilnahme war das Kleinfeldturnier vom Tennisverband Rheinland in Koblenz, welches Flynn überraschend in seiner Altersklasse gewinnen konnte.

Die Verbandstrainer waren von Flynns Spiel, mentaler Stärke und Kampfgeist so begeistert, dass er für den Verbandskader Rheinland nominiert wurde und seit 2013 im Landeskader Rheinland in Koblenz trainiert. Am Anfang zweimal in der Woche, mittlerweile fünf- bis sechsmal die Woche unter den Augen des Verbandstrainers Sascha Müller, den viele Tennisfans im Rheinland als erfolgreichen Trainer von Anna-Lena Friedsam (höchste Position WTA 45) kennen.

Ab dem elften Lebensjahr werden die Leistungsspieler in der Deutschen Jugendrangliste geführt. Somit war für Flynn klar „Da will ich rein!“ und die Punktejagd ging los. Tennis bestimmte längst den gesamten Tagesablauf der Familie Baumert. Sein Vater konnte zum Glück seine Arbeitszeit flexibel einteilen, erst so war es möglich die vielen Trainingsstunden in Koblenz, immerhin 40 Minuten von Sinzig entfernt, wahrzunehmen. So schlug Flynn genauso viele Bälle, wie Kilometer auf den Tacho des Familienautos dazukommen.

Neben dem Tennis forderte natürlich auch die Schule ihren Tribut.

Der Zeitrahmen für die Hausaufgaben und das Lernen wurden immer weniger, oft wurden auf der Fahrt nach Koblenz Vokabeln gelernt. Ende 2017 stellte sich nun die Frage mit welchem Ernst und Ambitionen es weiter gehen soll. Nach langen Überlegungen und ein paar schlaflosen Nächten entschieden Flynn, seine Eltern und sein Trainer Sascha Müller den nächsten mutigen Schritt zu gehen.

Den Schritt hin zum Leistungssportler. Alles auf die „Karte“ Tennis zu setzen und die Schule und auch die Freizeit seinem großen Ziel „Tennisprofi“ unterzuordnen.

Flynn wechselte im Februar 2018 vom Rhein-Gymnasium Sinzig auf das Privatgymnasium Schwetzingen. Dort gibt es das Eliteförderprogramm, dass genau für solche trainings- und reiseintensiven Sportarten entwickelt wurde und den Nachwuchsathleten - nicht nur im Tennis - die Möglichkeit gibt, zwei „Karrieren“ gleichzeitig zu absolvieren.

Schon Alexander Zverev hat dort seinen Schulabschluss absolviert. Flynn besucht zweimal wöchentlich das Gymnasium, welches eine Außenstelle in Mannheim hat. An den anderen Tagen in der Woche muss sich Flynn den Schulstoff selbst erarbeiten.

Jedoch stehen ihm jederzeit seine Lehrer per Mail und per WhatsApp zur Verfügung. Selbstständigkeit, aber auch Selbstdisziplin hat Flynn so schnell erlernt. Mit dem Schulwechsel wurde auch das Trainingsvolumen erhöht. Zusätzliche Tenniseinheiten am Morgen, Konditionsprogramm mit einem Konditionstrainer und auch Termine bei einem Physiotherapeuten standen nun auf dem Trainingsplan von Flynn. Gerade das Konditionsprogramm und auch die Physiotherapietermine sind ein wichtiger Bestandteil in der sportlichen Entwicklung, um so auch Verletzungen vorbeugen zu können.

Der neue Trainingsplan, sein Fleiß und seine Disziplin spiegeln sich relativ schnell in sehr guten Turnierergebnissen wider und er spielte sich in der deutschen Jugendrangliste in die Top 20.

Damit qualifizierte Flynn sich zum ersten Mal 2018 für die deutsche Jugendmeisterschaft und auch der Deutsche Tennisbund wurde auf den jungen Rheinländer aufmerksam. Der Lohn für die vielen Trainingsstunden und die sportliche Weiterentwicklung war eine Einladung zum DTB-Lehrgang in Hannover unter der Leitung von Boris Becker.

Die Begegnung mit der deutschen Tennislegende und das Training mit ihm war für Flynn ein sehr aufregendes Erlebnis und sein Ziel Tennisprofi zu werden, wurde nochmals verstärkt.

Im darauffolgendem Jahr 2019 wurde Flynn auf dem Freiplatz und in der Halle Rheinland-Pfalzmeister, Rheinlandmeister und schaffte sensationell bei den Deutschen Meisterschaften den dritten Platz im Einzel und im Doppel.

Auch standen die ersten internationalen Turniere im Ausland an, wo Flynn sich seinen ersten internationalen Titel bei einem Turnier in Dänemark erkämpfte. Ein weiterer Sieg gelang ihm ein paar Wochen später in Luxemburg im Einzel und Doppel.

Verdienter Lohn: Rang 7 in der Deutschen Jugendrangliste und Berufung in den Nationalkader des Deutschen Tennis Bundes für seinen Jahrgang. Ein weiteres Ziel ist nun den Sprung vom Jugendtennis in das Herrentennis zu schaffen und sich in der Herrenrangliste zu etablieren.

Aus diesem Grund wechselte Flynn zu Beginn des Jahres 2020 vom HTC Bad Neuenahr zum TC BW Bad Ems. Dort hat er die Möglichkeit in der Oberliga Mannschaft zu spielen, viele wertvolle Erfahrungen aber auch Punkte für die Rangliste zu sammeln. Flynn ist als jüngster Spieler fester Bestandteil der Oberliga Mannschaft geworden und konnte durch Siege bei den Medenspielen 2020 in seinem ersten Oberligaspieljahr für den Verein viele Punkte erspielen. Auch dieses Jahr wird Flynn für den Verein Bad Ems in der Oberliga aufschlagen. Wieder eine große Herausforderung für so einen jungen Tennisspieler. Aber genau diese neuen Herausforderungen im Herrentennis braucht Flynn um sich weiterentwickeln zu können. Viele geplante Teilnahmen an internationalen und nationalen Turnieren fielen 2020 auf Grund der Pandemie aus und auch dieses Jahr finden bisher nur sehr wenige Turniere im Ausland statt. Somit heißt es weiter trainieren mit immer neuen Trainingsinhalten.

Flynn wird seit Januar 2021 neben dem Verbandstrainer Sascha Müller, auch von dem ehemaligen ATP Spieler Dominik Meffert trainiert. Durch die Trainer Müller/Meffert sind auch oft Profispieler wie Anna-Lena Friedsam, der frischgebackene Deutsche Meister Benjamin Hassan oder auch Doppelspezialist Tim Pütz zum Training im Landesleistungszentrum auf der Karthause. Immer öfter darf Flynn mit diesen Profis eine Trainingseinheit absolvieren und kommt so seinem Traum Profispieler zu werden immer näher. Da noch nicht absehbar ist, wann die ersten Turniere wieder stattfinden dürfen, wird aktuell der Fokus auf die tennisspezifische Weiterentwicklung gelegt.

Ende Februar nimmt Flynn wieder an einem Lehrgang im Nationalkader beim DTB unter der Leitung von Michael Kohlmann, neuer Head of Men´s Tennis und Davis Cup Kapitän, teil. Im Mai/Juni ist ein 13-tägiger Aufenthalt in Florida an einer Tennis Academy geplant.

Trotz der Pandemie dreht sich der Tenniszirkus für Flynn und seine Eltern weiter. Trainingsstunden, Schläger, Saiten, Schuhe, Bekleidung und vor allem Reisen, da kommt einiges finanziell zusammen. Und so verwundert es nicht, dass solch ambitionierten Ziele im Tennis ohne Sponsoren nicht zu erreichen sind. Die ersten Firmen von Tennisschlägern sind auf Flynn schon aufmerksam geworden, nur sollte ein langfristiger Vertrag gut überlegt sein. Daher gilt es jetzt in Zusammenarbeit mit den Trainern interessierte Förderer in der regionalen Wirtschaft für Flynn zu begeistern, die Lust und Spaß haben, diese junge Karriere auf seinem Weg zum Profisportler zu begleiten und zu unterstützen, wohlwissend, dass ein junger Sportler erstmal nur eine Investition ist. So ziehen in der Familie Baumert alle an einem Strang, auch wenn so mancher Besuch im Schwimmbad, im Kino und bei den Großeltern kürzer oder gar ganz ausfällt. Die Omas und Opas haben zum Glück Verständnis für den „Beruf“ des Enkelkindes und unterstützen Flynn auf dem langen Weg nach Melbourne.