Windkraft im Welterbe Oberes Mittelrheintal
Ansichtssache Windenergie?!
Region. Bei Windkraft werden die Menschen emotional. Da geraten sich Juristen, Planer, Umweltschützer, Gutachter, Unternehmer, Anwohner und Politiker in die Haare. Da geht es um wirtschaftliche Interessen, um Macht, um Naturschutz, um formaljuristische Ansichten und auch ganz einfach um gesunden Menschenverstand. Die einen sehen in der Windkraft per se eine verlässliche Hauptsäule der Energiewende, andere riechen sicheres Geld, die nächsten sind empört über die baulichen Eingriffe in ihrem Umfeld und dann gibt es auch jene, die einfach nur den Modus Operandi kritisieren. Im Fall der angedachten Windkraftanlagen im UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal kommt so ziemlich alles zusammen. Doch der Reihe nach. Im Jahr 2002 wurde das Obere Mittelrheintal von der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) zum Welterbe erklärt. Diesen Titel bekommen Stätten und Landschaften verliehen, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität weltbedeutend sind. Und das sind die 67 Kilometer zwischen Bingen und Koblenz ohne Frage, weist das Rheintal hier mit seinen hochrangigen Baudenkmälern nicht nur einen außergewöhnlichen Reichtum an kulturellen Zeugnissen auf, es ist auch eine ganz besondere Erscheinung durch die natürliche Ausformung der Flusslandschaft - und bildet so eine einzigartige Kulturlandschaft und den Inbegriff der Rheinromantik.
Energiewende vor Ort
So weit, so gut, oder besser: so schlecht. Denn dann kam der 11. März 2011 und die Katastrophe von Fukushima. Seither ist die Welt eine andere. Auch im wunderschönen Mittelrheintal. Denn auch hier sollte wie im ganzen Land ein neuer Begriff das öffentliche wie private Leben prägen: die Energiewende, der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger hin zu nachhaltigen, so genannten erneuerbaren Energien. Windkraft- und Solaranlagen werden auf diesem Weg bundesweit die Hauptlast tragen, darin ist man sich einig. Das Problem ist nur: Wo sollen sie installiert werden? Wo sollen sie stehen? Wo sollen sie arbeiten?
Nicht im Oberen Mittelrheintal! Das fordern nicht nur die Menschen, die dort leben, das stellte nun auch die rheinland-pfälzische Landesregierung klar. „Im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal ist der Bau von Windenergieanlagen ausgeschlossen“, so Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung. Das freut viele. Denn gegen Windkraft im Oberen Mittelrheintal spricht einiges.
Beeinträchtigung der Lebensqualität
Gegner der Windkraft-Pläne befürchten einen Verlust an Attraktivität ihrer schönen Landschaft und damit verbunden den Rückgang der Touristenzahlen. Sie empfinden Windkrafträder vor der Haustür als starke Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität verbunden mit dem Verlust des Heimatgefühls. Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Lärm, Infraschall und Schattenschlag der Windräder werden ebenso angenommen wie eine gestörte Nachtruhe durch die hell blinkende Beleuchtung der Anlagen. Die großflächige Abholzung des Waldbestandes wird ebenso erwartet wie der Verlust bedrohter Tierarten. Ein hoher Wertverfall der Immobilien wird angenommen. Und die Aberkennung des UNESCO Weltkulturerbe-Status könnte die Folge sein, schließlich ist der an einige Kriterien gebunden, die es zu erfüllen gibt. Und wie schnell man den Titel loswerden kann, war gerade in Dresden zu sehen. Als die Stadt über der UNESCO-Kulturlandschaft „Dresdner Elbtal“ nach langem Hin und Her die Waldschlösschenbrücke baute, wurde ihr der Titel ganz fix wieder entzogen.
Verlust des Titels droht
In Dresden wie im Oberen Mittelrheintal geht es darum, dass Sichtachsen auf das Welterbe frei gehalten werden sollten. Sieht die UNESCO diese Sicht versperrt, etwa durch Windräder, ist der Titel Weltkulturerbe futsch. Und das ist sehr wahrscheinlich, wie die von Kulturministerium und Welterbe-Zweckverband beauftragte „Sichtachsenstudie - Windkraft und UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal“ des Planungsbüros Grontmj schon 2013 resümierte.
Dem allem zum Trotz wünscht sich die verantwortliche Verbandsgemeinde (VG) Loreley das ganz anders und hat aktuell den Flächennutzungsplan (FNP), Teilplan Windenergie, bei der Verwaltung zur Ansicht bis ausgelegt, in dem acht Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen im Rahmenbereich des Welterbes Oberes Mittelrheintal dargestellt sind. Bürger, Behörden und Institutionen sollten bis 7. August Einwände erheben können. So war es zumindest geplant.
Verstoß gegen Planungsrecht?!
Doch nun hat die Kommunalaufsicht der Kreisverwaltung Rhein-Lahn der VG-Verwaltung mitgeteilt, dass ihr Ratsbeschluss vom 28. April dieses Jahres zur Offenlage des FNP „unwirksam“ ist, weil „rechtswidrig“. Es gab Verfahrensfehler bei der Abstimmung. Bis 30. Oktober hat die VG nun Zeit, den gefassten Beschluss auszuheben und einen neuen rechtskräftigen Ratsbeschluss zu fassen. Wann genau sein wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Doch egal wann, dem neuen Beschluss wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine erneute Offenlage mit neuen Fristen für Einwände folgen.
Mainz aber winkt bereits jetzt ab. Nach Auffassung von Eveline Lemke verstößt der Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Loreley gegen geltendes Planungsrecht und könne in der vorliegenden Fassung nicht genehmigt werden. Die Energieministerin verweist auf das Landesentwicklungsprogramm (LEP IV), gemäß dessen Teilfortschreibung Erneuerbare Energien die Errichtung von Windanlagen in der Kernzone des UNESCO-Welterbegebietes Oberes Mittelrheintal ausgeschlossen ist. Auch im Rahmenbereich des Gebietes sei Windkraft nur dann zulässig, wenn sie mit dem Welterbestatus vereinbar sei. Das aber ist sie wohl eben nicht, wie die bereits erwähnte „Sichtachsenstudie“ festhielt. „Die Verbandsgemeinde Loreley hat die Frage der Welterbeverträglichkeit in ihre Planungen nicht ausreichend einbezogen“, so Eveline Lemke. - EMB-
Blick vom linken Rheinufer bei St. Goar auf die Loreley - eins der touristischen Highlights im Oberen Mittelrheintal. Foto: Wikipedia/Dirk Schmidt
