Zwischen Traum und Job: BLICK aktuell stellt berufliche Erfahrungen (außer)gewöhnlicher Menschen vor

Alexander Baum entwickeltnachhaltige Optionen für Brauereien

Alexander Baum entwickelt nachhaltige Optionen für Brauereien

Er hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt:Alexander Baum aus Neuwied. Fotos: Privat

Alexander Baum entwickelt nachhaltige Optionen für Brauereien

Der Sommelier hat Freude daran, die komplexen Aromenmoderner Biere zu erschmecken. Foto: Christina Nover

Alexander Baum entwickelt nachhaltige Optionen für Brauereien

Leuchtreklame, individualisierte Gläser und mehrvertreibt Alexander Baum an Brauereien.

Neuwied. In der Reihe „Zwischen Traum und Job: Mein Beruf“ stellt BLICK aktuell die ganz persönlichen beruflichen Erfahrungen einzelner Menschen vor. Diese Woche beantwortet Alexander Baum den Fragebogen zu seinem Beruf. Die große Frage: Eher Traum oder eher Job?

BLICK aktuell: Welchen Beruf üben Sie aus?

Alexander Baum: Gelernt bin ich Industriekaufmann und habe mich nach 20 Jahren im Angestelltenverhältnis nach zu vielen Jahren des Haderns letztendlich mit einer internationalen Handelsagentur für Brauereizubehör selbstständig gemacht. Meine Kunden sind überwiegend mittelständische und kleine Brauereien, viele aus dem Bereich der sogenannten „Craft Biere“. Ich beliefere diese Kunden mit allem, was Sie im Bereich Werbung und POS brauchen.

BLICK aktuell: Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Alexander Baum: Ich liebe den Umgang mit Menschen, Kunden, Lieferanten und anderen Ländern und Kulturen. Ebenso durfte ich durch die langjährige Belieferung von Brauereien mit Gläsern viele mittelständische Betriebe und Craft Beer-Manufakturen in dieser familiären Szene kennenlernen, die tolle hochwertige und regionale Produkte herstellen. Mein daraus entstandenes Interesse an besonderen Bieren konnte ich durch Weiterbildung zum Bierbotschafter IHK und Doemens Biersommelier weiter vertiefen. Auch wenn ich kein Bier direkt verkaufe, kann ich so fachlich fundierter mit meinen Kunden sprechen. Zwischenzeitlich braue ich auch für den Eigenbedarf zu Hause – die Leidenschaft für gutes Bier lässt sich also nicht verleugnen.

Meine über die Jahre auf allen Kontinenten gesammelten Kontakte und Freundschaften miteinander zu verbinden, Kunden zu speziellen Lieferanten zu führen, Lieferanten zu ihnen unbekannten Kunden zu bringen, und das alles mit guten Gesprächen, interkulturellem Austausch und daraus entstehenden Freundschaften zu verbinden war immer mein Traum. Ich bin ein Netzwerker und sage scherzhaft immer, ich könnte durch die beruflich erworbenen Verbindungen eine Weltreise unternehmen ohne einmal im Hotel übernachten zu müssen, da ich in fast jedem Land irgendjemanden kenne, der mich für ein paar Tage beherbergen würde. Das ist ein schönes Gefühl und macht die Welt zu einem Dorf.

BLICK aktuell: Was überrascht die Menschen an Ihrem Beruf, wenn Sie davon erzählen?

Alexander Baum: Ich bin ja fast ausschließlich im B2B-Bereich unterwegs, und viele Privatkunden denken aufgrund des Firmennamens, ich verkaufe Bier. Das ist (noch) nicht so. Und die Menschen sind erstaunt, welche Produkte eine Brauerei so alle bei mir kauft und wie vielfältig und abwechslungsreich dieses Zuliefersortiment sein kann. Ob Gläser, Tabletts, Leuchtreklame, Displays, Möbel oder ganz individuell kreierte POS-Artikel. Oft entstehen neue Produkte im kreativen Austausch mit den Kunden und als Mittelsmann zu den Herstellern im Rahmen einer Projektarbeit, die sich auch mal über ein Jahr hinziehen kann. Auch, dass alle meine Herstellerwerke in Europa sitzen und ich kein einziges Produkt aus Fernost beziehe, verwundert manchen. Allerdings bringt dies klare Vorteile im Bezug auf kleine Mindestmengen, kurze Lieferzeiten und Transportwege und ist denke ich auch im Hinblick auf ein nachhaltiges Wirtschaften langfristig der richtige Weg. Dieses Thema wird auch in den Sortimenten mehr und mehr erkennbar und es überrascht mein Gegenüber, dass man viele Produkte wie Tabletts heute aus mit Naturharz verpresster Hartpappe statt aus Kunststoff machen kann oder Werbetafeln zu gleichen Konditionen und bei gleicher Haltbarkeit aus Holz statt aus Polystyrol gefertigt werden. Oder, dass es organische Druckfarben für Gläser gibt, die nicht mehr im Ofen eingebrannt, sondern energiesparend bei gleicher Haltbarkeit nur noch mit UV Licht ausgehärtet werden.

BLICK aktuell: Gibt es bestimmte Momente, in denen Sie immer wieder aufs Neue davon überzeugt werden, dass genau dies der richtige Beruf für Sie ist?

Alexander Baum: Ja, wenn man nach vielen Gesprächen und diversen Entwürfen und Änderungen endlich das finale Produkt in den Händen hält und der Kunde genau so begeistert ist von dem Ergebnis wie man selbst. Ein positives Feedback generell, und wenn es nur ein kleiner Dank für eine schnelle Angebotserstellung ist, freut mich sehr und ist Anerkennung für die geleistete Arbeit.

Oder wenn Sie in der Brauerei mit dem Braumeister am Lagertank stehen und das frische Bier aus dem gemeinsam entworfenen Glas „zwickeln“ dürfen, also direkt aus dem Tank eine Probe verkosten.

Die eigenen Produkte in der Anwendung oder gar Fernsehwerbung sehen zu können ist ein sehr zufriedenstellendes Gefühl.

BLICK aktuell: Gibt es etwas an Ihrem Beruf, das Sie überrascht hat? Wurde Ihre Vorstellung, wie es sein würde, diesen Beruf auszuüben, bestätigt, oder sieht der Alltag doch teilweise anders aus, als Sie es erwartet hatten?

Alexander Baum: Ich bin immer wieder positiv überrascht, wie viel doch trotz aller modernen Medien noch und nur vor Ort beim Kunden passiert, welche Projekte und Ideen nur im persönlichen Gespräch aufkommen, die per Telefon oder Email nie entstanden wären. Gerade in Zeiten von Corona fehlt doch der regelmäßige persönliche Austausch mit den Kunden. Ich bin gerne „auf der Straße“ und besuche die Kunden um neue Sortimente zu präsentieren oder bei aktuellen Projekten diese zu beraten. Dennoch sind viele Dinge per Videoschaltung zum Glück lösbar und können fortgeführt werden, aber es geht nichts über einen persönlichen Austausch vor Ort. Der administrative Teil, gerade in der Gründungsphase ist nicht zu unterschätzen, aber gehört eben dazu. Alles in allem ist der Beruf aber so, wie ich es mir erträumt habe.

BLICK aktuell: Was würden Sie gerne ändern: Womit verbringen Sie im Beruf mehr Zeit, als Sie es sich wünschen, und wofür haben Sie zu wenig Zeit?

Alexander Baum: Gerne würde ich gerade in der aktuellen Lage mehr Zeit bei den Kunden statt im Büro verbringen. Aber durch Reisebeschränkungen, Hotelschließungen und Kurzarbeit bei Kunden ist eine vernünftige Tourenplanung in Deutschland und international sehr schwer machbar. Sehr lange Autofahrten und viele tausend Kilometer auf der Autobahn gehören natürlich auch dazu, aber solange es rollt und ich nicht im Stau stehe, ist es ok. Die Stausituation auf deutschen Autobahnen ist aber in manchen Regionen kaum zu ertragen und kostet mich und alle Wirtschaftsbeteiligten viel Zeit und somit Geld.

BLICK aktuell: Hat sich Ihr Beruf im Laufe der Jahre stark verändert?

Alexander Baum: Ja, es gibt schon viele Veränderungen, denen man sich aber stellen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da ist zum Beispiel die Ausschreibung bestimmter Produkte in sogenannten E-Auctions bei großen Konzernen, hier führt man die Verhandlungen nur noch am Rechner ohne direkten Kontakt zum Kunden. Der Zeitdruck und die Erwartungshaltung vieler Kunden sind schon immens. Wo man früher noch 2-3 Tage Zeit für eine genaue Kalkulation und Angebotserstellung hatte, erwarten manche Kunden heute innerhalb von 2 Stunden ein detailliertes Angebot – dies ist oft kaum möglich. Auch der Preisdruck, dem man ausgesetzt ist, hat sich durch die einfache und schnelle Vergleichbarkeit mittels Internet ziemlich gesteigert. Ich arbeite tatsächlich auch noch nicht mit einem Tablet-Computer, wie viele meiner Kollegen, sondern bin noch recht rustikal mit Mappe und Musterkoffer unterwegs, dies ist aber bei meinen Produkten auch kaum anders möglich. Die Kunden wollen keine tolle Animation eines Serviettenständers oder bedruckten Badetuches auf dem Bildschirm sehen, sondern das Produkt im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“, sie wollen die Grammatur des Stoffes fühlen und die Qualität z. B. für die Nutzung in der Außengastronomie am echten Objekt begutachten.

BLICK aktuell: Würden Sie heute einem Berufseinsteiger, der Sie um Rat bittet, dazu raten, eine Karriere in diesem Bereich anzustreben?

Alexander Baum: Generell würde ich jedem raten, frühzeitig wirklich den eigenen Interessen zu folgen. Eine Selbstständigkeit als Handelsagent ist sicherlich eine interessante und lohnenswerte Tätigkeit. Eine solide Ausbildung und / oder Studium sind eine gute Grundlage und einige Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen und Bereichen helfen, die eigenen Interessen und Stärken noch besser zu identifizieren. Wenn man dann dem folgt und das tut, was man liebt, ist mittelfristig Erfolg und vor allem Zufriedenheit der Lohn.

BLICK aktuell: Welchen Rat geben Sie diesem jungen Menschen mit auf den Weg?

Alexander Baum: Man muss etwas wagen, ohne leichtsinnig zu sein. Das klare Abwägen von Risiken vor einer Selbstständigkeit in diesem Bereich gehört aber dazu. Weg vom fixen monatlichen sicheren Einkommen, hin zu saisonal und wie aktuell durch globale Phänomene schwankenden Einkünften.

Rückschläge gehören immer dazu und oft muss man auch mal eine Faust in der Tasche machen und Kompromisse eingehen. Nicht immer mit dem Kopf durch die Wand, sondern extrem flexibel sein. Dies habe ich selbst zu Beginn der Pandemie lernen müssen, als ich mit meinem Werk, welches eigentlich Leuchtreklame herstellt, dann notgedrungen Spuckschutzwände mit Brauereilogo anbieten musste, oder meine Frau in ihrem Gewerbe (eigentlich Karnevalskostüme) Mund-Nasen Masken mit Bierlogos hergestellt hat, da ihr Geschäft auch weggebrochen war – welche ich dann an meine Kunden vertreiben konnte. Auf die Unterstützung der Familie und des Partners zählen zu können, ist auch ein ganz wichtiger Faktor.

BLICK aktuell: Und zum Abschluss die ganz persönliche Stimmungsfrage: Ist Ihr Beruf momentan eher Traum oder eher Job?

Alexander Baum: Wenn ich mir die derzeitigen, ständig schwankenden politischen Entscheidungen für den Bereich Gastronomie anschaue, dann kann man schon von einem schlechten Traum sprechen, denn ich hänge ja als Zulieferer der Brauereien auch ganz stark davon ab, wann es endlich wieder losgeht. Aber man darf den Kopf nicht in den Sand stecken, und ich habe die Hoffnung, dass – wenn dann endlich wieder geöffnet wird – die Menschen umso stärker die Gastronomie besuchen werden, welche massiv in hervorragende Hygienekonzepte investiert hat.

Ja: Es ist ein Traum, der viel Freu(n)de bringt. Aber auch ein Job mit harten Erfahrungen. Solange ich mit Vorfreude auf die Emails und Anrufe morgens mein Büro aufschließe und auch gerne abends oder an Wochenenden Kundenanfragen beantworte, ist es beides – also ein Traum-Job.

-MX-