Jutta Hansen stellte in Mendig Forschung über Schicksal der Juden in Nickenich vor
Antisemitismus, eine Erscheinung erst unserer Zeit?
Mendig.Jutta Hansen, gebürtige Nickenicherin, spürt seit Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts den Lebensgeschichten der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger von Nickenich nach. Auslöser war das Lesen des Tagebuchs der Anne Frank im Religionsunterricht. Daraus stellte sich der Schülerin die Frage: Gab es in meinem Heimatort auch Juden und wie ist es ihnen ergangen. Die Frage stellte sie auf Anregung ihrer Lehrerin ihrem Großvater. Er, Katholik, war selbst erst 1938 mit seiner Familie im Rahmen von Aufrüstungsmaßnahmen nach Nickenich umgesiedelt worden. Als Landwirt hatte er wie selbstverständlich Kontakt mit jüdischen Mitbürgern, die vielfach als Viehhändler ihren Lebensunterhalt bestritten. Er wurde 1942 aufgefordert, die beiden letzten jüdischen Mitbürger:innen von Nickenich Simon und Jeanetta Eggener zu ihrem Deportationszug nach Koblenz-Lützel zu fahren. Da die beiden sonst keine Möglichkeit hatten ihr Hab und Gut mitzunehmen, fuhr er die beiden mit einem Heuwagen zum Bahnhof. Dort spielten sich schreckliche Szenen ab. Die Eggeners wurden in verschiedene Wagons gesperrt, ihr Gepäck verblieb am Bahnhof und Jutta Hansens Großvater wäre um ein Haar mit deportiert worden. Das war das letzte Lebenszeichen der Eggeners.
Nun startete Jutta Hansen ihre Sisyphusarbeit, Informationen über das Schicksal der jüdischen Mitbürger:innen zu sammeln. Sie durchstöberte Archive, befragte Zeitzeugen, machte Nachfahren ausfindig, übersetzte Dokumente und trug die Informationen in mühsamer Kleinarbeit im Zeitalter vor dem Internet zusammen. In jüngerer Zeit wurde ihre Arbeit durch den Zugang zu Archiven auch im Internet wesentlich vereinfacht. So trug sie Informationen über Schicksale zusammen, die man in der heutigen Zeit nicht vergessen darf.
In der anschließenden Gesprächsrunde mit den Zuhörer:innen blieb die Frage offen, warum sich heute noch diese Vorurteile gegenüber der jüdischen Gemeinschaft halten, obwohl Religion in der heutigen Gesellschaft nicht mehr eine so große Rolle spielt und jüdische Mitbürger:innen in unserer Gesellschaft zahlenmäßig nur eine sehr kleine Minderheit ausmachen. Ebenso offen blieb, wie wir in Zukunft die nachfolgenden Generationen für den Auftrag „Nie wieder!“ sensibilisieren können, wenn immer weniger Zeitzeugen leben, die authentisch von ihrem Schicksal berichten können. Als Fazit blieb, dass wir mit dem Grundgesetz, das an diesem Tag 75 Jahre in Kraft war, ein starkes Schwert in Händen halten, um für das „Nie wieder!“ einzutreten. Eine Jede und ein Jeder ist deshalb angehalten, sich für den Erhalt des Grundgesetzes einzusetzen.
