Nachfahren der jüdischen Familie Landsberg im Stadtarchiv Lahnstein
Auf der Suche nach den Spuren der Vorfahren
Lahnstein. 87 Jahre nach der Reichspogromnacht besuchte Bill Landsberg mit seinem Sohn James Ernst und Enkel William Garrison Lahnstein. Hier lebten einst ihre Vorfahren.
Bill Landsbergs Urgroßvater Elias Landsberg (1841-1910) zog mit seiner Frau Carolina, geb. Hirsch, einst von Ruppertshofen nach Oberlahnstein. Sie bekamen zehn Kinder, unter anderem Adolf Landsberg (1870-1934), den Großvater von Bill. Auf dem jüdischen Friedhof am Ahlerweg erinnern die Grabsteine an Elias, Adolf (1870-1934) und weitere Familienangehörige.
Nach dem Besuch des Friedhofs kam Bill mit seinen Nachkommen ins Stadtarchiv zum Forschen und Erzählen. Er selbst ist 1945 in den USA geboren und war mehrmals in Deutschland. Nun besucht er das Land erstmals mit seinem Sohn und Enkel, die sich für die Heimat ihrer Vorfahren interessieren. Das Haus von Adolf Landsberg in der Lahneckstraße ist erhalten, ebenso die Häuser seiner Brüder in der Wilhelmstraße, Nordallee und Burgstraße. Die Landsbergs waren von Beruf Kaufmann und hatten es zu gewissem Wohlstand gebracht, bis sie in jener Nacht auf den 10. November 1938 in ihren Wohnungen aufgesucht wurden. Alles wurde zertrümmert und landete auf der Straße.
Sein Vater Ernst (1911-1995), so erzählt Bill, wurde mit dessen Großvater mütterlicherseits, Valentin Bernstein, am 11. November 1938 nach Dachau gebracht. Am 13. Dezember, nach fünf Wochen im Konzentrationslager, wurden sie nach Hause entlassen. Warum sie aus dem Lager zurückkehren durften? Bill vermutet den Grund in der Überschreibung ihrer vollständigen Besitztümer für geringes Geld an das „Dritte Reich“. Außerdem verließen sie Deutschland gemeinsam mit Bills Mutter und der zehn Monate alten Schwester Johanna Rosa (genannt Joan, geboren am 12. Februar 1938) umgehend. Nach einem Jahr in London erreichte die Familie am 28. März 1940 New York. Heute leben Bill und sein Sohn in Florida, Enkel und Urenkel in Alabama.
Im Stadtarchiv zeigte ihnen Stadtarchivar Bernd Geil die Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden der Vorfahren. Familie Landsberg vervollständigte ihren Stammbaum und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass in Lahnstein inzwischen Erinnerungsarbeit in Form von zwei Gedenktafeln am Salhofplatz und in der Erzbachstraße sowie 40 Stolpersteinen am jeweils letzten frei gewählten Wohnsitz geleistet wurde.
Fast alle Mitglieder der Familie Landsberg hatten Glück und konnten rechtzeitig Deutschland verlassen, da sie über die dazu erforderlichen Geldmittel verfügten. Sie wanderten in den Jahren 1936, 1938 und 1939 über England nach Neuseeland und in die USA aus. Emma Jacoby, geb. Landsberg, eine 1865 in Ruppertshofen geborene Cousine von Bills Großvater, wurde am 9. Mai 1944 in Terezin ermordet.
Die Häuser der Familie Landsberg wurden vom Staat zu Spottpreisen an Käufer des NS-Regimes verkauft. Die Verkaufserlöse wurden auf Sperrkonten eingezahlt, die während des Krieges vom Staat vereinnahmt wurden. Ein Teil der Käufer musste nach dem Krieg ein zweites Mal auf Basis echter Konditionen bezahlen als sich die ursprünglichen Eigentümer in Lahnstein meldeten.
Das Buch „Jüdisches Leben in Lahnstein“ mit ausführlicher Beschreibung der Grabstätten auf dem jüdischen Friedhof hat Bill so beeindruckt, dass er gleich sechs Stück erwarb, um auch den anderen Familienzweigen eines zukommen zu lassen.
Pressemitteilung Stadt Lahnstein
