Alte und neue Missstände prägen Alltag der Tierschützer
Aufgepasst: Katzen gibt es nicht zum Schnäppchenpreis

Neuwied. Wenn die Katzenhilfe Neuwied in diesen Tagen ihren 40. Geburtstag feiert, blicken die Ehrenamtlichen des gemeinnützigen Vereins auf eine Zeit zurück, in der sich in Sachen Tierschutz viel verändert hat – und doch ist Vieles erschreckend gleich geblieben.
„Die Menschen sind sich in den letzten vier Jahrzehnten deutlich sensibler geworden, wenn es um Tierschutz geht. In den Anfangsjahren unseres Vereins wurden unsere Aktiven ausgelacht, wenn sie zu Rettungseinsätzen aufbrachen oder sich für die Kastration von Kätzinnen und Katern stark machten. Katzen waren zum Mäusefangen da. Ihr Leben war nichts wert. Schließlich bekam man sie auf jedem Bauernhof geschenkt. Und die, die übrig waren, landeten im Wasserfass oder der Jauchegrube“, erinnert sich Pflegestellenleiterin und zweite Vorsitzende, Ingrid Haberscheidt, an schlimme Zeiten für Tiere und Tierschützer.
Mittlerweile hat die Katze den Hund als beliebtestes Haustier der Deutschen abgelöst. Miezen, die das Glück haben, in einem verantwortungsvollen Zuhause unterzukommen, werden geliebt, versorgt und nicht selten verhätschelt. Von einer heilen Welt sei man dennoch Lichtjahre entfernt, betonen Ingrid Haberscheidt und Geschäftsführerin Doris Litz.
Denn auch das gehöre zur Wirklichkeit im Jahr 2025: Noch immer gebe es unzählige Katzen, die ohne menschliche Betreuung tagtäglich um ihr Leben kämpfen müssen – meist weil eine ihrer Ahninnen ausgesetzt wurde und sich unkontrolliert vermehrt hat. Noch immer füllten sich die Tierheime besonders vor den großen Ferien mit ausgesetzten oder abgegebenen „Familienmitgliedern“, die lästig wurden und Urlaubspläne störten. Noch immer versänken Tierschützer von Frühjahr bis Herbst in einer Flut von Katzenkindern, weil die Elterntiere nicht rechtzeitig kastriert wurden. Und noch immer brächten grausame Einzelfälle selbst hartgesottene Tierschützerinnen und Tierschützer zum Weinen.
Hinzu kämen neue Entwicklungen, die für Tier und Mensch viel Leid bedeuten. „Katzen, vor allem die besonderer Rassen, sind für viele Menschen ein Statussymbol. Je ausgefallener, je besser. Leider werden diese Tiere nach der ersten Faszination oft auch nicht besser behandelt als die coole Handtasche der vorletzten Saison: Taschen fliegen in die Altkleidersammlung, Katzen landen im Tierheim“, erklärt Doris Litz. So sei zu erklären, warum sich auch die Zimmer im Miezhaus der Katzenhilfe immer häufiger mit edlen Rassetieren füllen. „Was im letzten oder vorletzten Sommer modern war, findet sich dann bei uns in großer Stückzahl wieder.“
Das Schlimmste daran sei, dass wegen der relativ hohen Preise, die sich mit Rassekatzen erzielen ließen, rund um den Handel mit solchen Tieren erschütternde Strukturen entwickelt hätten. Die harmlosere Form seien da noch die „Hobbyzüchter“, die sich zwei unkastrierte Tiere besorgen – leider oft Geschwister – und diese Nachwuchs produzieren ließen, den sie übers Internet verkaufen. „Was allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt ist, denn im Netz ist die Konkurrenz mittlerweile riesig groß“, erklärt Ingrid Haberscheidt. Und manchmal sähen die Kätzchen auch anders aus als erhofft. „Vor drei Jahren wurde ein siebenköpfiger Wurf bei uns abgegeben, weil die bildschönen Elterntiere nur mausgraue Babys zustande gebracht hatten, die offenbar niemand haben wollte.“
Doch es geht noch viel schlimmer, denn längst haben auch hochkriminelle Banden das Geschäft mit vermeintlichen Rassekatzen entdeckt, betont Litz. „Diese Tiere werden im Ausland unter schlimmsten Bedingungen produziert und im Internet angeboten. Interessenten schlagen trotz bedenklichster Umstände zu, weil die Kätzchen manchmal nur die Hälfte von dem kosten, was sie bei einem seriösen Züchter bezahlen müssten. Aber selbst wenn die Verkäufer – gefälschte - Papiere und eine anrührende – erlogene - Geschichte parat haben, sollten Käufer sich bewusst sein, dass sie vermutlich gerade dazu beitragen das Leid dieser Tiere und ihrer Eltern zu verfestigen. Ganz davon abgesehen, dass solche Katzen oft sehr krank sind, weil sie entgegen aller Beteuerungen nie einen Tierarzt gesehen haben und unter schlimmsten Bedingungen geboren wurden.“
Für Tierfreunde, die nicht zu diesen Auswüchsen beitragen wollen, haben die Tierschützerinnen eine sehr einfache Faustregel parat: „Katzen, besonders die kostbarer Rassen, gibt es nicht zum Schnäppchenpreis.“
Trotz aller Probleme, mit denen sich die Katzenhilfe Neuwied genauso konfrontiert sieht wie alle anderen Tierschutzvereine, gebe es auch Lichtblicke. „Die Kastrationsverordnungen, die viele Kommunen mittlerweile erlassen haben, gehören auf jeden Fall dazu“, betont Ingrid Haberscheidt. Denn auch wenn sich die Wirkung nur langsam entfalte, sei die Kastration das wirksamste Mittel gegen unerwünschten Nachwuchs und unbeschreibliches Tierleid.
Aber auch die vielfältige Unterstützung, die man in den vergangenen Jahrzehnten erfahren habe, gebe immer wieder Kraft, selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen durchzuhalten, betont die Pflegestellenleiterin. „Wir finanzieren uns seit wir bestehen ganz überwiegend aus Spenden. Wenn man bedenkt, dass wir dafür pro Jahr rund 250.000 Euro aufbringen müssen, ist es wirklich erstaunlich, dass wir unsere Arbeit seit so langer Zeit fortführen können. Dafür können wir unseren vielen Gönnern nicht genug danken.“
Aber auch die vielfältigen täglichen Aufgaben, die mit dem Betrieb eines Tierheims verbunden sind, werden ganz überwiegend ehrenamtlich geleistet. Dafür stehen dem Verein rund 100 Helferinnen und Helfer zur Verfügung, die sich um die Versorgung der Tiere kümmern – etwa durch tägliche Putz- und Fütterdienste, Tierheimfahrten, organisatorische Aufgaben oder die vorübergehende Aufnahme von Katzenmüttern samt Nachwuchs oder alten und kranken Tieren. „Als ehrenamtlicher Vorstand tragen wir zwar die Verantwortung dafür, dass unser Betrieb halbwegs reibungslos läuft, was oft eine große Herausforderung ist“, betont Doris Litz. „Aber ohne die vielen Leute, die uns aktiv oder finanziell zur Seite stehen, hätten wir schon vor langer Zeit einpacken können.“

Es ist längst keine Ausnahme mehr, dass auch Rassekatzen, wie Ginny, im Tierheim landen.

Wachsen Katzen ohne Kontakt zu Menschen auf, weil ihre Mütter ausgesetzt wurden, dauert es oft sehr lange, bis sie Vertrauen zu Zweibeinern fassen und vermittelt werden können.

Katzenbabys sind meist noch sehr verspielt.