Zwischen Traum und Job: BLICK aktuell stellt berufliche Erfahrungen (außer)gewöhnlicher Menschen vor

Die Ära der Elfenbeintürme für ein Bildungsbürgertum ist vorbei

Interview mit Kunsthistorikerin Dr. Annette Krapp, die sich der Kunstvermittlung im Arp Museum widmet

11.02.2021 - 12:38

Rolandseck. In der Reihe „Zwischen Traum und Job: Mein Beruf“ stellt BLICK aktuell die ganz persönlichen beruflichen Erfahrungen einzelner Menschen vor. Diese Woche beantwortet Dr. Annette Krapp den Fragebogen zu ihrem Beruf. Die große Frage: Eher Traum oder eher Job?

BLICK aktuell: Welchen Beruf üben Sie aus?

Dr. Annette Krapp: Ich bin Kunsthistorikerin und leite die Abteilung Kunstvermittlung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck.

BLICK aktuell: Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Dr. Annette Krapp: Ich liebe es, mich mit Kunst in allen möglichen Formen zu beschäftigen und mich mit vielen unterschiedlichen Menschen auszutauschen. Und ich freue mich immer sehr, wenn Menschen, die sich eigentlich nicht so sehr für Kunst interessieren, erkennen, dass der eine oder andere sogenannte „alte Schinken“ auch heute noch eine Menge mit uns zu tun haben kann. Da ist dieser Beruf genau richtig.

BLICK aktuell: Was überrascht die Menschen an Ihrem Beruf, wenn Sie davon erzählen?

Dr. Annette Krapp: Viele Menschen verbinden mit Museumspädagogik oder Kunstvermittlung im Museum vor allem Bastelworkshops für Kinder. Die Vielseitigkeit der Vermittlungsmöglichkeiten vom Wandtext und der klassischen Museumsführung über Workshops bis hin zu aktuellen und zukunftsfähigen digitalen Angeboten für Menschen alle Altersklassen und gesellschaftlichen Gruppen erstaunt den Einen oder die Andere schon sehr.

BLICK aktuell: Gibt es bestimmte Momente, in denen Sie immer wieder aufs Neue davon überzeugt werden, dass genau dies der richtige Beruf für Sie ist?

Dr. Annette Krapp: Eigentlich bin ich das immer, aber vor allem dann, wenn neue Ausstellungen anstehen. Ich finde es immer wieder bereichernd, mich mit neuen Inhalten zu beschäftigen. Manche Dinge und Inhalte mag man sofort, mit anderen muss man sich erst anfreunden. Wenn das gelingt, ist es besonders schön. Und ich freue mich immer sehr, wenn Menschen, die sich eigentlich nicht so sehr für Kunst interessieren, erkennen, dass der eine oder andere sogenannte „alte Schinken“ auch heute noch eine Menge mit uns zu tun haben kann und sie erfreut etwas zum Denken mit nach Hause nehmen.

BLICK aktuell: Gibt es etwas an Ihrem Beruf, das Sie überrascht hat? Wurde Ihre Vorstellung, wie es sein würde, diesen Beruf auszuüben, bestätigt, oder sieht der Alltag doch teilweise anders aus, als Sie es erwartet hatten?

Dr. Annette Krapp: Solange ich freiberuflich als Kunstvermittlerin gearbeitet habe, entsprach meine Tätigkeit sehr genau meinen Vorstellungen von diesem Beruf: Inhalte erarbeiten, verständlich aufbereiten und in Texten, Führungen und Workshops mein Wissen weitergeben. Das entspricht sehr dem, was wir in der Uni gelernt haben. Als Leiterin der Abteilung Kunstvermittlung, haben mich meine neuen Aufgaben zwar nicht überrascht aber meine Tätigkeit hat sich doch sehr verändert. Der direkte Austausch mit dem Publikum tritt im Alltag leider sehr in den Hintergrund. Dafür gibt es eine Menge Verwaltungs-, Koordinations- und Organisationsaufgaben, die eben auch gemacht werden müssen. Da wir ein relativ kleines Team sind, bleiben aber noch genug wissenschaftliche und kunsthistorische Arbeiten für mich übrig.

BLICK aktuell: Was würden Sie gerne ändern: Womit verbringen Sie im Beruf mehr Zeit, als Sie es sich wünschen, und wofür haben Sie zu wenig Zeit?

Dr. Annette Krapp: Oh, das habe ich eben ja schon quasi mit beantwortet. Vielleicht nochmal ein konkretes Beispiel: Ich verbringe viel Zeit mit Förderanträgen, also mit der Suche nach Geld. Wenn das erfolgreich war, ist es gut, wenn nicht, kommt schon mal der Gedanke, dass ich die Zeit lieber in ein neues Konzept oder eine tiefere inhaltliche Vorbereitung gesteckt hätte. Und vor allem bleibt im alltäglichen Allerlei und Abarbeiten oft zu wenig Zeit, um Erreichtes am Ende auch ordentlich zu präsentieren. Damit meine ich nicht die verschiedenen Vermittlungsangebote an sich, sondern ihre Bewerbung und die Präsentation von beispielsweise Workshopergebnissen, die letztendlich ja auch eine Werbung für unsere Arbeit aber auch eine Wertschätzung für die freien Mitarbeiter*innen und Kursteilnehmer*innen ist.

BLICK aktuell: Hat sich Ihr Beruf im Laufe der Jahre stark verändert?

Dr. Annette Krapp: Ja, das hat er schon und das tut er aktuell grade nochmal ganz besonders. Als ich in den 1980er Jahren anfing zu studieren, war die Kunstvermittlung in den meisten Museen eine kaum wahrnehmbare Randerscheinung. Die Kurator*innen entwickelten die Ausstellungen und wenn sie fertig waren, bekamen wir sie gezeigt und erarbeiteten Führungen und manchmal sogar einzelne Workshops. Heute hat sich die Kunstvermittlung einen zentralen Stellenwert im Museum erarbeitet und gehört zum festen Bestandteil der Präsentationen. Die Besucher*innen möchten sich im Museum bilden, der Museumsbesuch soll aber gerne auch ein Erlebnis sein, das einen selbst bereichert aber auch stolz weitergetragen werden kann. Da Museen längst nicht mehr nur Elfenbeintürme für ein Bildungsbürgertum sein möchten, musste sich auch die Ansprache verändern und damit die Formate interaktiver werden. Durch die Digitalisierung, die in den letzten Jahren schließlich auch in Kunstmuseen Einzug gehalten hat, ergeben sich wieder ganz neue Potentiale für die Kunstvermittlung – sowohl im Haus aber auch für alle die Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht selber ins Museum kommen können. Da liegen noch große Chancen vor uns!

BLICK aktuell: Würden Sie heute einem Berufseinsteiger, der Sie um Rat bittet, dazu raten, eine Karriere in diesem Bereich anzustreben?

Dr. Annette Krapp: Kunstgeschichte zu studieren ist am Ende in den meisten Fällen etwas für Idealisten. Es gibt für uns nur wenige Jobs, mit denen man wirklich reich werden kann. Die Kunstvermittlung gehört sicher nicht dazu und dennoch würde ich jedem, der in diesen Bereich möchte durchaus dazu raten. Ich bin überzeugt, dass man das, was man gerne tut, auch gut tut und Arbeit damit finden kann. Im Augenblick ist es – mit pandemiebedingten Schließungen der Museen – für alle freien Kunsthistoriker*innen und Museumspädagog*innen natürlich extrem schwer. Sie sind top ausgebildet, in normalen Zeiten teilweise sehr gut im Geschäft und stehen jetzt buchstäblich vor dem Nichts und müssen viel umdenken. Eine ganze Reihe meiner freien Mitarbeiter*innen hat im Laufe des letzten Jahres händeringend nach anderen Arbeitsmöglichkeiten gesucht. Einige sind den Weg auch erfolgreich gegangen. Grundsätzlich sehe ich im Bereich der Kunstvermittlung aber auch in Zukunft gute Chancen. Da liegt noch viel Arbeit vor uns.

BLICK aktuell: Welchen Rat geben Sie diesem jungen Menschen mit auf den Weg?

Dr. Annette Krapp: Immer offen für Neues und flexibel im Denken bleiben!

BLICK aktuell: Und zum Abschluss die ganz persönliche Stimmungsfrage: Ist Ihr Beruf momentan eher Traum oder eher Job?

Dr. Annette Krapp: Im Augenblick ist mein Job wirklich ein Traum. Ich kann arbeiten, bekomme regelmäßig Geld dafür und muss und darf ganz viel neu ausprobieren und lernen. Aber, wie gesagt, vielen meiner richtig guten freien Kolleg*innen geht es im Augenblick wirklich nicht so gut. Deshalb bin ich grade jeden Tag sehr demütig und dankbar! -MX-

→ Weitere Beiträge der Reihe „Zwischen Traum und Job: Mein Beruf“

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12.02.2021 00:33 Uhr
juergen mueller

Elfenbeintürme gibt es heutzutage nicht mehr u. hat mit Bildung nichts mehr zu tun.
Offen für Neues und flexibel im Denken zu sein deckt sich mit dem, was der Politik fehlt, die gerade mit selbstständigem Denken u.Fachwissen so ihre Probleme hat. Sich sein Amt durch fehlendes eigenes Denken u. Fachwissen zu erkaufen u. als sein eigenes zu präsentieren, ist an der Tagesordnung.
Auch dann, wenn es um das Wohl von Menschen und deren Verantwortung gegenüber geht. Politiker äussern sich zu "jedem" Thema, egal, ob fundiertes Wissen vorhanden ist oder nicht - Hauptsache man redet darüber u.steht in der Öffentlichkeit. Bildungsbürgertum, etwas, worüber Politik redet, aber meist selbst nicht besitzt.
Wer offen für Neues und flexibel im Denken ist, ohne Einfluss durch die Politik, hat dieser gegenüber einen Vorteil, der unschätzbar ist.









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