Ein lokales Wintermärchen mit einem wahren Kern

Die Geschichte vom reichen Weinhändler

von Thomas Napp

29.11.2020 - 21:22

In Rheinbreitbach lebte einst ein Weinhändler mit Namen Adolf Müller. Dieser hatte sich die letzten Jahre ein beachtliches Vermögen durch den Verkauf von Wein erarbeitet und lebte glücklich in einem alten Winzerhof in der Hauptstraße. Diesen Winzerhof hatte er über die Zeit prächtig umgebaut. Hohe Decken mit verzierten Engelsköpfen zierten im Obergeschoss die Wohnräume. Mehrere Kamine wärmten die Zimmer im Winter und große Fenster ließen das Tageslicht in den Raum einfallen. Hinzu kamen prächtige Möbel aus edlen Hölzern und feinste Gardinenstoffe schafften ein behagliches Wohngefühl. Kurzum Adolf Müller besaß ein prächtiges kleines Anwesen.

An einem dunklen Winterabend im Dezember stieg Adolf Müller in seinen reichgefüllten Weinkeller hinunter. Ordentlich lag ein Fass neben dem anderen dort aufgestapelt. Ein gutes Geschäftsjahr lag hinter ihm und sein ganzer Reichtum lag hier unten vor ihm ausgebreitet.

Da überkam ihn plötzlich eine merkwürdige Traurigkeit und er fühlte eine tiefe Unzufriedenheit. Trotz seines Reichtums fühlte er sich auf einmal so alleine.

Dabei kannte er doch so viele Menschen im Ort. Er hatte viele Geschäftskontakte und war ein angesehener Mann. Dennoch fehlte ihm irgendetwas. Da er keine Antwort auf seine Unzufriedenheit fand und diese auch noch nach Tagen anhielt, beschloss er in der Nahe gelegenen Leonharduskapelle zu Gott zu beten. Er bat ihn darum, dass er ihm helfen möge seine Unzufriedenheit wieder los zu werden. Schließlich sei er reich und gesund und müsste doch für alles dankbar sein. Doch Gott gab ihm keine Antwort darauf.

Enttäuscht verließ Adolf Müller die kleine Kapelle und schlenderte niedergeschlagen die Straße zu seinem Winzerhof hinunter. Es war schon dunkel geworden und dicke Schneeflocken fielen auf das Kopfsteinpflaster der Straße hinunter, als der Blick von Adolf Müller auf das erleuchtete Fenster eines kleinen heruntergekommenen Fachwerkhauses fiel. Neugierig ging er darauf zu und schaute durch die vereiste Fensterscheibe hinein. Er wusste, dass dort eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter lebte. Sie waren nicht besonders reich und besaßen keinen guten Ruf im Dorf. Denn die junge Frau hatte keinen Ehemann und hatte dennoch ein kleines Kind, was zu damaliger Zeit als unsittlich galt.

Wie oft hatte Müller schon die Breitbacher Weiber beim Wasserholen am Kirchplatz über die junge Frau schlecht reden gehört, aber nichts weiter dazu gesagt.

Jetzt schaute er zum ersten Male etwas genauer hin. Durch das kleine Fenster erblickte er in einem klapprigen Bett liegend die Tochter der jungen Frau. Kränklich sah es im Schein einer kümmerlich brennenden Kerze aus. Neben ihr saß auf einem Hocker die junge Mutter sitzend. Sie hatte lange blonde Haare und ein hübsches Gesicht. Tränen rollten ihr über die Wangen. Dem kleinen Kind schien es nicht gut zu gehen.

Adolf Müller betrachtete die Szene eine Weile. Kurz bevor er sich entschloss weiterzugehen, fasste er sich und klopfte an das Fenster. Die junge Frau fuhr erschrocken hoch, wischte sich die Tränen ab, ging langsam zum Fenster und öffnete es.

Zum Vorschein kam das freundliche Gesicht von Adolf Müller. „Guten Abend, Fräulein. Verzeihen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Adolf Müller und ich wohne ein paar Häuser weiter. Ich kam gerade an ihrem Haus vorbei und mein Blick fiel auf ihr erleuchtetes Fenster. Ihrem Kind scheint es nicht gut zu gehen. Gibt es etwas, was man vielleicht für Sie tun kann?“

Die junge Frau schaute Adolf Müller mit verweinten Augen an. Sie überlegte wohl kurz, ob sie ihm trauen könnte. Doch seine freundliche Ausstrahlung überzeugte sie.

„Meine kleine Tochter Sophie hat seit zwei Tagen Fieber. Sie will nichts essen und ich mache mir große Sorgen. Um einen Arzt zu rufen, fehlt mir jedoch das Geld. Ich habe große Angst um sie.“

Ruhig und verständnisvoll hörte sich Adolf Müller die Antwort an. Dann verabschiedete er sich letztlich mit den Worten, dass er gleich noch einmal zurückkommen werde.

Wenig später klopfte es erneut an dem Fenster des kleinen Fachwerkhauses. Wieder öffnete die junge Frau das Fenster und das Gesicht von Adolf Müller kam zum Vorschein. In der Hand hielt er einen Beutel voller Geldmünzen. Diesen reichte er der jungen Frau durch das Fenster.

„Ich habe den Arzt aus Bad Honnef bereits rufen lassen. Er wird bald da sein. Das Geld dürfte für die erste Behandlung reichen. Sofern noch Geld für den Arzt benötigt wird, melden Sie sich einfach.“

Die junge Frau wusste vor lauter Glück gar nicht, was sie sagen sollte. Aufgeregt und mit zitternden Händen nahm sie das Geld an sich. Hoffnung keimte in ihren Augen auf und Adolf Müller sah sie zum ersten Mal lächeln. Dieses Lächeln traf ihn bis in die tiefste Region seines Körpers und mit einem Mal war seine Unzufriedenheit wie hinweggefegt. Dem Weinhändler Adolf Müller wurde in diesem Augenblick bewusst, dass finanzieller Reichtum allein kein zufriedenes Leben ausmacht. Nur, wer seinen Reichtum auch mit anderen teilt, wird auch ein zufriedenes Leben haben.

Wenige Tage später war die kleine Sophie bereits wieder auf den Beinen. Adolf Müller sorgte dafür, dass das kleine Fachwerkhaus wieder Instandgesetzt wurde und verliebte sich in die junge Mutter, die er später heiratete.

Seit dieser Zeit engagierte er sich für die Armen im Ort, mischte sich politisch im Gemeinderat für die Schwachen ein und begründete die Feuerwehr in Rheinbreitbach. Sein Engagement für den Ort und die Menschen kannten seit diesem Ereignis keine Grenzen mehr.

Eine nie enden wollende Zufriedenheit durchströmte ihn seit dieser Zeit. Denn gutes Leben und gutes Handeln schafft ein glückliches Dasein. Und heute lebt der Geist von Adolf Müller im Heimatmuseum Rheinbreitbach immer noch weiter.

Dieses Märchen zum Anhören als Podcast unter https://www.podcast.de/episode/505057399/1.+Adventspodcast%3A+M%C3%A4rchen+aus+Rheinbreitbach+%22Der+reiche+Weinh%C3%A4ndler%22/

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