Stolpersteinverlegung für Familie Wolff aus Kobern-Gondorf

Ein Stein – ein Name – ein Mensch

Ein Stein – ein Name – ein Mensch

Angehörige der Familie Wolff waren aus Frankfurt und Israel zur Feierstunde gekommen. Fotos EP

Ein Stein – ein Name – ein Mensch

Ruhig und bedächtig, fast andächtig verlegte Katja Demnig die Gedenksteine der Familie Wolff.

Ein Stein – ein Name – ein Mensch

Zum dritten Mal engagierten sich Schüler und Schülerinnen der Realschule plus und FOS Untermosel für jüdische Familien in Kobern-Gondorf.

Ein Stein – ein Name – ein Mensch

Zum Schluss bedeckten vier mit Namen versehene Rosen die in Gold glänzenden Steine.

Kobern-Gondorf. In der Marktstraße 40 – die früher Adolf-Hitler-Straße hieß – lebte bis 1942 die jüdische Familie Ferdinand Wolff. Es war die Zeit des Nationalsozialismus und für alle eine schwere Zeit. Die Eltern Ferdinand und Sophie bekamen am eigenen Leib zu spüren, wie sie selbst, Tochter Herta und Sohn Paul ausgegrenzt und unmenschlich behandelt wurden.

Paul Wolff überlebte die Zeit des Nationalsozialismus als einziger

Paul Wolff überlebte diese Zeit als einziger, entkam der Deportation in dem er nach Holland emigrierte und sich dort der holländischen Widerstandsbewegung anschloss. Im September 1943 wurde er aber doch verhaftet, konnte noch in derselben Nacht über Belgien nach Frankreich fliehen. In Paris arbeitete er für die Forces Francaises de l’Intérieur (Französische Streitkräfte im Innern), dem militärischen Arm der Résistance. In deren Auftrag übernahm er mehrmals Reisen nach Holland. Am 17. Juli 1944 wurde er verhaftet und ins Gestapogefängnis Fresnes bei Paris gebracht. Dort erwarteten ihn Verhöre und Folterungen. Da die amerikanischen Truppen auf dem Vormarsch waren, verschleppten die Nazis Paul in einem Viehwaggon über Drancy nach Buchenwald. Es war eine viertägige Reise, an die der Roman „Le dernier wagon“ erinnert. Paul Wolff musste in Mülhausen zwölf Stunden täglich hart arbeiten, in einer Fabrik die Untergestelle für Junkers Flugzeuge herstellte. Seine Gefangenschaft fand 1945 ein Ende, aber der schwer an Typhus Erkrankte ins Lazarett. Nach folgenden Aufenthalten in Holland und Frankreich, kehrte er 1945 nach Kobern zurück, um seine Ansprüche bezüglich des Elternhauses geltend zu machen. Das gelang erst 1953, danach verkaufte Paul das Haus.

Zwischenzeitlich lebte er in Israel. In einem vierseitigen Lebensbericht, den er hinterlassen hat, beschreibt er die Anfänge seines neuen Lebens in Tel Aviv: „…nachdem mir klar wurde, dass von meiner Familie niemand mehr aus den Lagern zurückkehrte und ich mich mutterseelenallein in einem sehr deprimierten, kranken und runtergekommenen Zustand befand, …war es mir auch hier in Israel in den ersten Jahren sehr schwer in einen normalen Zustand zurückzukehren und einen Anschluss an die Gesellschaft zu finden.“ Mit seiner Frau Rachel bekommt er einen Sohn Ben Zion und zwei Töchter Ofra und Warda.

Das ist eine Kurzfassung aus den Unterlagen, die Schüler/innen der Realschule plus und FOS Untermosel zusammengetragen und aufgearbeitet haben. Dabei hat ihnen die Zeitzeugin Hilde Böcker geholfen. Diese wohnt heute im ehemaligen Elternhaus von Paul Wolff, in dem das Treppenhaus und ein Terazzoboden noch original erhalten sind. Sie erinnerte sich noch an die Kinder, wie sie durch das Treppenhaus tobten.

Vier Steine gegen das Vergessen

In Gedenken an das grausame Schicksal der Familie, beschlossen die Schüler/innen gemeinsam mit ihrer Lehrerin Anette Schröter, an diesem Haus vier Steine gegen das Vergessen verlegen zu lassen. Am 21. Oktober um 11 Uhr schritten sie in einer kleinen Feierstunde zur Tat. Anette Schröter begrüßte die Gäste: „Dank Ihnen allen, die Sie heute den Weg zu uns gefunden haben. Liebe Schüler, gleich werdet Ihr erzählen, dass die Würde des Menschen nicht immer unantastbar war. Und Eure Arbeit, Euer Erinnern ist gerade heute wichtiger denn je, da sich wieder Menschen mit extrem rechter Gesinnung gewaltsam gegen jüdische Mitbürger wenden, bereit sind zu verletzen und zu töten, so in Halle vor zwei Wochen. Wir danken Euch jungen Menschen.“

Angehörige der Familie Paul Wolff waren aus Frankfurt und Israel gekommen, um bei diesen sehr emotionalen Momenten dabei zu sein. Emotional waren auch die jüdischen Worte von Pauls Tochter Warda, welche von einem Enkel übersetzt wurden. Die Gäste lauschten und hielten den Atem an.

„Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist“

Das Verlegen der Steine übernahm Katja Demnig, in Vertretung ihres Mannes Gunter Demnig. Dem Künstler ist es seit dem Jahr 2000 ein Anliegen, mit den Gedenktafeln aus Messing, die ins Trottoir vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort eingelassen werden, an die Opfer der NS-Zeit zu erinnern, denn: „Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist (Zitat aus dem Talmud).“

Auf den Gedenksteinen ist zu lesen „Hier wohnte“ und weitere Information über Jahrgang und Abschnitte ihres Lebens: „Ein Stein – ein Name – ein Mensch“. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas. Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteines übernehmen (www.stolpersteine.eu)

Mit ruhiger Hand und bedächtig, fast andächtig ließ Katja Demnig die Steine in das Pflaster, wie streicheln mutete das Abkehren mit dem Handfeger an. Währenddessen verlasen vier Schüler die Geschichte der Familie Wolff, legten danach vier mit den Namen versehene rote Rosen auf die nun in Gold glänzenden Steine. Anschließend wurde dieser Anlass in der Schule gebührend gefeiert.

Es war die dritte Aktion der Realschule plus und der FOS Untermosel in Kobern-Gondorf, die jedes Mal finanziert werden muss. Bei diesem Projekt half den Akteuren ein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro, gewonnen beim „Stolperstein-Wettbewerb 2019“. Er wird bundesweit ausgerichtet. Eingereichte Projekte werden ausführlich von einer Jury begutachtet und bewertet (Infos unter www.stolpersteine.eu und Anfragen an paedagogik@stolpersteine.eu). Katja Demnig ist gemeinsam mit ihrem Mann Initiatorin des Wettbewerbes und hofft: „…dass das Stolperstein-Projekt für Schülerinnen und Schüler nicht nur eine kurzzeitige Abwechslung zum normalen Schulalltag ist, sondern sich das Projekt auch nachhaltig positiv gesellschaftspolitisch auf Schülerinnen und Schüler auswirkt.“

Im Blick auf das vergangene und aktuelle weltpolitische Geschehen, sollte das für alle Menschen gelten.