Neue Ausstellung „Anstoß – 111 Jahre SC Rhein-Ahr“ im Heimatmuseum Sinzig eröffnet
Fußball als Facette der Stadtgeschichte
Sinzig. Über dem Schloss-Eingang signalisiert das Banner zeigt: Die Ausstellung „Anstoß – 111 Jahre SC Rhein-Ahr“ ist eröffnet. Bereits im Eingangsbereich begrüßt hinter Glas eine begehrte Trophäe, der Rheinlandpokal, den der Sport Club 1961/62 gewann. Er markiert einen Höhepunkt der Vereinsgeschichte. Treppaufwärts dann passieren die Besucher zahlreiche Wimpel. Zwischen die Geländer gespannt, leiten sie unmittelbar zur eigentlichen Präsentation im ersten Stock.
Diese ist vorrangig dem aktuellen Jubiläum des SC Rhein-Ahr Sinzig gewidmet und will auf diese Weise einen speziellen Aspekt der Sinziger Geschichte beleuchten. Das bedeutet auch, nicht nur die Ausstellung ist neu, sondern zudem stellt die Tatsache, dass im Heimatmuseum der Fokus auf den Sport gerichtet wird, ein absolutes Novum dar. Es geht um Werden und Wirken des 1910 gegründeten Vereins SC Rhein-Ahr, des ältesten Fußballvereins der Stadt, seine Mannschaften und wichtige Ereignisse. Daneben kommen Aspekte des modernen Fußballs zur Sprache.
Lücke und Steinborn
Was aber wäre der Sport ohne seine Protagonisten? Zum Schwerpunkt Vereinshistorie gesellen sich als Gegengewicht zwei Sinziger Fußballer aus Vergangenheit und Gegenwart – der legendäre Spieler Werner Lücke und der FIFA-Schiedsrichter Edgar Steinborn. Lücke (1926 - 2017) war als Spitzentorjäger von 1947 bis 1962 der Star des Sinziger Fußballs. Nach ihm wurde die damalige Mannschaft Lücke-Elf benannt. Zeitzeugen berichten, dass er auch in die erste Liga hätte wechseln können statt „nur“ in der dritten beim SC Sinzig zu spielen. Die Bindungen zur Stadt, in der er nach Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft Fuß fasste, waren aber zu stark. Viele Sinziger kennen Lücke noch aus seiner Tätigkeit als umsichtiger Hausmeister im Schloss. Fotos, Presseberichte, persönliche Erinnerungen, meist von ihm selbst gesammelt, erzählen von einem bewegten Sinziger Leben.
Der Sinziger Edgar Steinborn kennt den modernen Fußball aus seiner langjährigen Erfahrung als Schiedsrichter von 1976 bis 2004. Aktiv für den SV Westum, leitete dabei ab 1984 Spiele auf Bundesebene, von 1995 bis 2002 auch internationale Partien. Noch heute ist er als Schiedsrichterbeobachter und Coach für den Deutschen Fußballbund, die europäischen UEFA und den Weltverband FIFA unterwegs. Er hat zahlreiche originale und persönliche Exponate aus der Welt des Schiedsrichters für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.
Vernissage im Schloss
Eine Fülle von Ausstellungsmaterial ist dem SC zu verdanken, Bilder, Protokollbücher, Festschriften und so wunderbare Dokumente wie das große Plakat vom Spiel des SC im September 1963 gegen die Mannschaft des Nettuno Lido in Venedig. Fotos und Pokale als Leihgaben steuerte auch die Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG bei. Sie betreffen die einstige Betriebsmannschaft des Sinziger Fliesenwerks, ehemals Agrob. Über diese berichtete Mannschaftskapitän Agostinho da Cunha den Ausstellern bei der Vorbereitung. Frühere SC-Spieler, der Torwart Franz-Josef „Uwa“ Degen sowie Karl Josef Leßnig, beide zur Lücke-Elf gehörend, halfen mit Informationen und Objekten. Der später im Verein spielende Bernd Reifferscheid gab ebenfalls Auskünfte und Leihgaben. Konzipiert und aufgebaut haben die Ausstellung Hildegard Ginzler, Hardy Rehmann und Matthias Röcke, Vorstandsmitglieder im Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum, unterstützt durch Museumsleiterin Agnes Menacher. Die Planungen begannen im Herbst des Vorjahres. Ab Frühjahr dieses Jahres ging das Ausstellungstrio intensiv daran, die Räume zu gestalten.
Bürgermeister Andreas Geron, der Schirmherr der Fußballausstellung, hieß zur Vernissage geladene Gäste willkommen, denn noch verbietet die Corona-Krise eine große Schar von Feiernden. Nach der langen Abstinenz von Veranstaltungen im Schloss hob Geron das Treffen als „gesellschaftliches Ereignis“ ins Bewusstsein. Angesichts der Parallelität der Ereignisse von Europameisterschaft und Fußballausstellung wünschte er letzterer im Umkehrschluss, dass sie „das Leben prägt und dass wir uns an sie, verbunden mit den Meisterschaftsspielen erinnern werden“.
Auf das 111-jährige Vereinsbestehen blickend, betonte Silvia Mühl, die wechselvolle Geschichte werde „vor allen Dingen geprägt von Menschen, die sich um den Verein verdient gemacht haben“. Die Vorsitzende des SC Rhein-Ahr-Sinzig sagte, „Fußball ist verbunden mit großen Emotionen, die ich fast alle schon kennenlernen durfte“. Sie nannte Vereinsaustritte ohne Begründung, aber auch Vereinseintritte von Helfern und Vorstandsmitgliedern, die mitarbeiten „aus Liebe zum Fußball, zum SC und zur Gemeinschaft“. Auch auf kleiner Vereinsebene gehe es schon ums „liebe Geld“. „Fußballer möchten eine Entlohnung fürs Spielen, weshalb auch wir als SC in eine Schieflage geraten sind“. Kredite wurden aufgenommen. Spieler verließen den Verein. Doch die Verbindlichkeiten liegen hinter dem Verein, der wieder eine gut aufgestellte 1. Mannschaft hat, so Mühl. Sie dankte Gerold Schreyer für seinen Sparkurs, außerdem den Vereinsaktiven, dem Vorstand und allen Unterstützern.
Integrativer Stellenwert
Museumsleiterin Agnes Menacher sagte den Ausstellungsmachern Dank – „Ihr habt eine super Arbeit gemacht!“ – bevor sie kurz auf die Historie des Fußballs in Deutschland einging. Anfangs bezeichnete man den Sport despektierlich als „englische Krankheit“. Heute komme gerade den lokalen Fußballvereinen eine besondere Rolle zu, da der Gemeinschaftssport „das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt und einen großen integrativen Stellenwert hat“. Menacher hofft, die Ausstellung trage dazu bei, „dass der SC Rhein-Ahr Aufwind erhält und an alte erfolgreiche Zeiten anknüpfen kann“.
Matthias Röcke schließlich machte in seiner akzentuierten Einführung zur Ausstellung klar, dass Fußball ein Thema für viele ist. 45 Millionen Menschen in Deutschland interessieren sich dafür und 2,3 Millionen spielen Fußball in Vereinen. Immer mit dabei: „Sinziger – Sinzigerinnen auch, bei den aktiv Spielenden derzeit in einigen Jugendmannschaften.“ Röcke, selbst bekennender Fußballfan, bat die Ausstellungsgäste mitzuhelfen, wenn sie Personen auf alten Mannschaftsfotos erkennen. Dafür liegen Listen bereit. Auch Hinweise zu früheren Sportplätzen, welche die Ausstellung aufgreift, sind willkommen. Zum Stichwort Integration führte Röcke die erfolgreiche Betriebsmannschaft des Sinziger Fliesenwerks (1993 bis in die 2000er Jahre) an, der damals viele Portugiesen angehörten.
Die Ausstellung, zu der die Begleitschrift/Jubiläumsschrift „Anstoß – 111 Jahre SC Rhein-Ahr“ erschienen ist, hat bis 31. Dezember 2021 geöffnet: bis Ende Oktober samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr und donnerstags von 10 bis 12 Uhr. Ab November öffnet das Museum an den Wochenenden erst um 14 Uhr. Es gelten die aktuellen Corona-Schutzregeln, derzeit Registrierung, Maske, Abstand. Ausstellungsbesuch und Begleitheft sind kostenlos. Infos unter www.museum-sinzig.de. HG