Zwischen Traum und Job: BLICK aktuell stellt berufliche Erfahrungen (außer)gewöhnlicher Menschen vor
„Ich schätze die großartige Arbeit vieler meiner Kollegen sehr“
Interview mit Julia Distelrath, die sich im Dezember 2019 als Make-up Artist selbstständig machte
Bad Neuenahr-Ahrweiler.In der Reihe „Zwischen Traum und Job: Mein Beruf“ stellt BLICK aktuell die ganz persönlichen beruflichen Erfahrungen einzelner Menschen vor. Diese Woche beantwortet Julia Distelrath den Fragebogen zu ihrem Beruf. Die große Frage: Eher Traum oder eher Job?
BLICK aktuell: Welchen Beruf üben Sie aus?
Julia Distelrath: Ich bin nebenberuflich mit einem mobilen Event und Braut-Make-up-Service im Kreis Ahrweiler und in der Region zwischen Köln, Bonn und Koblenz selbstständig.
BLICK aktuell: Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Julia Distelrath: Schon als Kind hatte ich ein besonderes Talent und eine Leidenschaft für die Malerei. Als ich dann im Spätsommer 2019 selber geheiratet habe und mich nach einem mobilen Make-up Artist umgeschaut habe, fand ich niemanden, der diesen Service mobil anbietet. Da ich mich selber sehr gerne schminke, habe ich dies dann auch an meiner Hochzeit selber übernommen und danach kurzerhand entschlossen, mich als Make-up Artist weiterzubilden und mit einem mobilen Make-up Service selbstständig zu machen.
BLICK aktuell: Was überrascht die Menschen an Ihrem Beruf, wenn Sie davon erzählen?
Julia Distelrath: Den meisten Menschen ist oft nicht klar, was alles zu dem Beruf Make-up Artist dazu gehört. Es geht längst nicht nur darum, gut schminken zu können. Man muss sich immer ad hoc auf die Wünsche und individuellen Gegebenheiten der Kundin einstellen und ein Gefühl dafür entwickeln, was die Kundin genau meint. Oft können die Kundinnen ihre Wünsche nicht klar kommunizieren. Da braucht es viel Fingerspitzengefühl, um genau das umzusetzen, was die Kundin sich wünscht und so die schönste Seite von ihr herauszukitzeln ohne sie dabei künstlich erscheinen zu lassen. Außerdem ist die Präsentation in sozialen Medien, vor allem auf Instagram, heute das A und O. Während die Homepage eher nur noch als digitale Visitenkarte fungiert, recherchieren viele Kundinnen genau via Instagram den individuellen Stil und die Person hinter der gebuchten Dienstleistung. Dazu kommen natürlich laufende Weiterbildungen, Hygieneschulungen und Masterclasses zu den neusten Trends. Die Beauty-Welt ist unheimlich schnelllebig durch soziale Medien wie Instagram und TikTok geworden und man sollte immer auf dem neusten Stand sein was Techniken, Produkte und Looks angehen. Ich persönlich setze mich zudem schon länger sehr intensiv mit den Inhaltsstoffen und Wirkweisen von Kosmetika und Hautpflegeprodukten auseinander. Reizarme, haut- und umweltverträgliche Produkte sind mir sehr wichtig, weshalb ich auch Coachings zu dem Thema anbiete und auf meinem Instagram-Account zu diesem Thema blogge.
BLICK aktuell: Gibt es bestimmte Momente, in denen Sie immer wieder aufs Neue davon überzeugt werden, dass genau dies der richtige Beruf für Sie ist?
Julia Distelrath: Absolut! Nämlich immer, wenn eine strahlende Braut am Morgen ihres großen Tages in den Spiegel schaut, nachdem ich sie geschminkt habe. Ich bin jedes Mal aufs Neue geehrt, dass ich an diesem so intimen Moment des Stylings am frühen Morgen dabei sein und meinen Anteil zu einem perfekten Tag im Leben beitragen darf. Diese Ruhe, die während des Schminkens entsteht, wenn die Braut ganz bei sich ist, etwas aufgeregt aber dennoch entspannt ist, weil sie ihr Make-up in meine professionellen Hände abgegeben hat und sich keine Sorgen um ihr Make-up machen muss, genieße ich besonders.
BLICK aktuell: Gibt es etwas an Ihrem Beruf, das Sie überrascht hat? Wurde Ihre Vorstellung, wie es sein würde, diesen Beruf auszuüben, bestätigt, oder sieht der Alltag doch teilweise anders aus, als Sie es erwartet hatten?
Julia Distelrath: Mich persönlich hat es nicht überrascht, aber ich denke, vielen Menschen ist nicht bewusst, dass das Schminken an sich den kleinsten Teil meiner Selbstständigkeit ausmacht. Die meiste Zeit verbringe ich damit, Kundenanfragen über Instagram und über meine Homepage zu beantworten, meinen Instagram Account mit Content zu versorgen und mir so eine Reichweite aufzubauen, sodass mich noch mehr potenzielle Kundinnen finden. Dazu kommt natürlich die Buchhaltung und Planung der gebuchten Dienstleistungen, die meistens schon ein Jahr im Voraus bei mir gebucht werden.
BLICK aktuell: Was würden Sie gerne ändern: Womit verbringen Sie im Beruf mehr Zeit, als Sie es sich wünschen, und wofür haben Sie zu wenig Zeit?
Julia Distelrath: Wahrscheinlich wie jeder Selbstständige würde ich gerne den bürokratischen Aufwand deutlich reduzieren. Dieser steht oft in keinem Verhältnis zur restlichen Arbeit. Dafür hätte ich gerne mehr Zeit, an internationalen Masterclasses renommierter Make-up Artists teilzunehmen und mich mit Kolleginnen auszutauschen. Das kommt leider oft zu kurz.
BLICK aktuell: Hat sich Ihr Beruf im Laufe der Jahre stark verändert?
Julia Distelrath: Da ich erst seit Dezember 2019 selbstständig bin, kann ich das so nicht beantworten, aber ich denke, dass Social Media Marketing noch nie so wichtig war wie momentan. Außerdem wurden die Hygienemaßnahmen durch die aktuelle Pandemielage extrem verschärft, aber bis auf die Schutzbrille, Maske und Einweghandschuhe habe ich auch vorher schon weitgehende Hygienemaßnahmen ergriffen. Desinfizierte Hände und Equipment vor und nach jeder Kundin waren für mich auch vor Corona schon selbstverständlich.
BLICK aktuell: Würden Sie heute einem Berufseinsteiger, der Sie um Rat bittet, dazu raten, eine Karriere in diesem Bereich anzustreben?
Julia Distelrath: Make-up Artist ist in Deutschland kein geschützter Beruf, weshalb es auch keine geregelten Ausbildungsinhalte gibt. Ich würde einem Berufseinsteiger, der hauptberuflich als Make-up Artist arbeiten möchte, raten, zuerst eine fachähnliche Ausbildung wie Friseur, Kosmetiker, Drogist oder Ähnliches als Basis zu erlernen und sich dann in Richtung Make-up Artist weiterzubilden. Die verschiedenen Ausbildungen kosten alle sehr viel Geld und sind teilweise auf qualitativ sehr unterschiedlichen Niveaus. Mein Rat ist, sich auf jeden Fall sehr gut zu informieren und mit Absolventen der jeweiligen Schulen und Anbieter zu unterhalten bevor man für viel Geld etwas bucht, das nachher gar nicht das bietet, was man erwartet hat. Außerdem sind die richtige Einstellung zur Selbstständigkeit, harte Arbeit und Durchhaltevermögen essenziell, um langfristig als Make-up Artist erfolgreich zu sein.
BLICK aktuell: Welchen Rat geben Sie diesem jungen Menschen mit auf den Weg?
Julia Distelrath: Viele (junge) Menschen neigen dazu, zu sehr auf die vermeintliche Konkurrenz zu schauen, anstatt sich auf sich selber zu konzentrieren. Ich schätze die großartige Arbeit vieler meiner Kollegen sehr. Ich lerne lieber von ihnen und arbeite immer weiter an meinen Fähigkeiten als Gedanken an Konkurrenz zu verschwenden. Es wird immer Künstler geben, die besser sind als man selbst. Diese Tatsache anzunehmen und als Antrieb zu nutzen, seine eigenen Fähigkeiten auszubauen, ist der beste Rat, den ich jemals bekommen habe.
BLICK aktuell: Und zum Abschluss die ganz persönliche Stimmungsfrage: Ist Ihr Beruf momentan eher Traum oder eher Job?
Julia Distelrath: Für mich ist es beides – nämlich ein Traumjob. Ich hoffe, dass die Pandemielage es bald wieder zulassen wird, dass ich als Make-up Artist arbeiten darf. Mein Job als Make-up Artist gibt mir so viel und ich empfinde währenddessen keine einzige Sekunde als wirkliche Arbeit. Meiner Leidenschaft, andere Menschen zu schminken und diese damit glücklich zu machen und Bräute an ihrem schönsten Tag im Leben begleiten zu dürfen, nachgehen zu können, ist für mich ein Traum, den ich glücklicherweise zu meinem Job gemacht habe. -MX-