Porsche-Rekordrunde auf der Nordschleife

Mit 369 km/h über die Döttinger Höhe

Mit 369 km/h über die Döttinger Höhe

Timo Bernhard stellte mit fünf Minuten einen neuen Rekord auf der Nordschleife auf.Porsche

Mit 369 km/h über die Döttinger Höhe

Seit dem Unfall von Niki Lauda 1976 werden auf der Nordschleife keine F1-Rennen mehr gefahren.Archiv Ridder

Mit 369 km/h über die Döttinger Höhe

Demo-Fahrt beim 24 h-Rennen im Bereich Klostertal., hier der Bellof-Porsche Typ 956 C vor dem Porsche Hybrid 919 Evo.Ridder

Adenau. Beim 24-Stunden-Rennen wurde der Anfang gemacht. Timo Bernhard (37) fuhr mit dem Siegerwagen des Sechs-Stunden-Rennens 2017 und des 24-Stunden-Rennens von Le Mans über die Nordschleife, begleitet von Sicherheitsfahrzeugen vorweg. Da kam wenig Freude auf, weil Sound und Geschwindigkeit fehlten – aber die 200.000 Nordschleifen-Fans bekamen ein einmaliges Fahrzeug zu sehen, den Porsche 919 Hybrid Evo.

Vielleicht war das der Anlass seitens Porsche-Motorsport, mal zu testen, wie schnell man tatsächlich mit einem WEC-Rennboliden über die legendäre Nordschleife fahren kann. Zur Erinnerung: Nick Heidfeld auf BMW F1 und Michael Schumacher auf einem Petronas-Mercedes versuchten es ebenfalls – auch mit stark reduzierter Geschwindigkeit.

Rekord mit 233,8 km/h

Aber das, was der mehrmalige Le Mans-Sieger und zweimalige Sportwagen-Weltmeister Timo Bernhard ablieferte, wird in die Geschichte des Nürburgrings eingehen. Am 29. Juni 2018 hat Timo Bernhard die 20,8 Kilometer lange Nürburgring-Nordschleife mit dem Porsche 919 Hybrid Evo in fünf Minuten 19,55 Sekunden umrundet, das entspricht einem Schnitt von 233,8 km/h. Und wer die Nordschleife des Nürburgrings kennt, der weiß das zu schätzen.

Porsche-Tour

Eigentlich hat das Auto nach dem Gewinn von drei Weltmeisterschaften ausgedient. Porsche zog sich 2017 von der WEC-Langstreckenweltmeisterschaft zurück und überließ Toyota das Feld. Toyota errang 2018 einen Doppelsieg beim berühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans, praktisch ohne Konkurrenz. Porsche ging auf Tour auf Rennstrecken der Welt, um Rekorde aufzustellen. Michelin entwickelte für die Rekordfahrten spezielle Reifen, die nur für kurze Zeit haltbar sind, aber 15 Prozent mehr Leistungsfähigkeit haben.

Belgien war die erste Station der sogenannten Porsche Tribute-Tour. Hier stellte Neel Jani im April 2018 den Formel-1-Rekordversuch von Lewis Hamilton ein. Michelin als langjähriger Partner von Porsche und Entwickler der besonderen Reifen gab ein Statement ab. „Wir sind stolz, mit unseren Reifen zum Erfolg von Porsche beizutragen. Sie sind bei Leistung und Sicherheit Benchmark“, sagt Pascal Couasnon, Direktor Motorsport bei Michelin.

Rekord am Freitagmorgen

Während die Vorbereitungen für den Truck Grand Prix liefen, war Timo Bernhard früh morgens schon aktiv. In 5:19,55 Minuten umrundete er die 20,832 Kilometer lange Nordschleife des Nürburgrings. Das bedeutet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 233,8 km/h auf der anerkannt schwierigsten Rennstrecke der Welt. Am Steuer des Porsche 919 Hybrid Evo unterbot Bernhard damit den bisherigen Streckenrekord von Stefan Bellof um 51,58 Sekunden. Allerdings ist zum Bellof-Rekord anzumerken, dass dieser während des normalen Trainings zum 1000-Kilometer-Rennen gefahren wurde, wo noch andere Fahrzeuge auf der Strecke waren – der Rekord von Bernhard fand auf abgesperrter Strecke statt.

35 Jahre und 31 Tage blieb Bellofs Rekordrunde von sechs Stunden und 11,13 Minuten unangefochten. Der 1985 in Spa-Francorchamps tragisch verunglückte Gießener galt als das größte Ausnahmetalent seiner Zeit. Er fuhr seinen Rekord am 28. Mai 1983 mit einem 620 PS starken Rothmans Porsche 956 C. Auch seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug über 200 km/h.

Stolz und erleichtert

Timo Bernhard, fünfmaliger Gesamtsieger des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring, zweimaliger Gesamtsieger der 24 Stunden von Le Mans und amtierender Langstrecken-Weltmeister mit dem Porsche 919 Hybrid, kletterte stolz und erleichtert aus dem engen Cockpit des Le-Mans-Prototyps. „Das ist ein großartiger Moment für mich und für das ganze Team. Die Krönung des 919-Programms! Der Evo war perfekt vorbereitet und ich habe alles gegeben auf dieser Runde. Aufgrund des aerodynamischen Anpressdrucks gehen Passagen mit Vollgas, an denen ich mir das zuvor nie vorstellen konnte. Die Nordschleife ist mir ja wirklich vertraut. Aber heute habe ich sie neu kennengelernt“, sagt der 37-Jährige aus Bruchmühlbach-Miesau.

Der Saarpfälzer ist ein glühender Verehrer von Stefan Bellof. In Spa-Francorchamps trat er 2015, als sich der Tod Bellofs zum 30. Mal jährte, mit dessen markantem Helmdesign in Schwarz-Rot-Gold beim Sechsstundenrennen der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft an. „Für mich ist und bleibt Stefan Bellof ein Riese“, betont Bernhard. „Mein Respekt vor seiner Leistung mit der damaligen Technik ist heute noch einmal größer geworden“.

Die Evo-Version des Porsche 919 Hybrid basiert auf dem Le-Mans-Gesamtsiegerwagen und WEC-Langstreckenweltmeister der Jahre 2015, 2016 und 2017. Sie wurde von einigen Reglementrestriktionen befreit, ihr Hybridantriebsstrang erzeugt eine Systemleistung von 1160 PS. Der Evo wiegt nur 849 Kilogramm und seine modifizierte, jetzt aktive Aerodynamik generiert über 50 Prozent mehr Abtrieb im Vergleich zum WEC-Modell. Die Spitzengeschwindigkeit am Nürburgring betrug 369,4 km/h im Bereich Döttinger Höhe.

Formel 1 auf der Nordschleife?

Michael Schmidt, seit Jahrzehnten der Formel 1-Experte bei der Zeitschrift auto, motor und sport in Deutschland, macht nun den Vorschlag, doch wieder Formel 1-Rennen auf der legendären Nordschleife zu veranstalten. Wer im Stadtkurs von Baku oder Monaco fährt, so Michael Schmidt, der könne auch auf der Nordschleife fahren. 200.000 Zuschauer würden kommen, so die Prognose des F1-Kenners.

Gerne erinnere ich mich an die Demo-Fahrten von Michael Schumacher (Mercedes) und Nick Heidfeld (BMW) – da kam Freude auf.

Resümee

Wenn ein Auto mit 1160 PS auf der Nordschleife fährt, dann könnte dort auch ein F1-Rennen stattfinden? Formel 1 auf der Nordschleife – das wäre es doch!

Klaus Ridder