
Am 03.04.2025
Allgemeine BerichteNetzshirt-Nostalgie: Die Pius-Jugend der 80er bleibt heilig!
von Gabriela Contoli
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Es gibt Orte, die mehr sind als bloße Gebäude aus Stein – sie sind Erinnerungen, Heimat, ein Stück Identität. Die Piuskirche mag entweiht sein, das Pfarrheim längst abgerissen, doch für uns, die Jugendlichen der 80er, die inzwischen in oder kurz vor der Rente sind, bleibt diese Stätte ein Ort der tiefen Dankbarkeit. Dankbar dafür, dass wir hier eine Jugend erleben durften, wie es sie so nie wieder geben wird – mit Erinnerungen, die keine Abrissbirne der Welt zerstören kann. Eine Ära, die für uns immer heilig bleiben wird!
Die goldene Zeit der Pius-Jugend
Ende der 70er-Jahre formierte sich aus einer Gruppe damaliger Messdiener in einer Tanzstundengruppe die Idee, innerhalb des Pius-Areals einen Treffpunkt für die Jugend zu schaffen. Diese Vision wurde Realität und später auch von Nicht-Messdienern weitergeführt. Die Pius-Jugend bezog die Räumlichkeiten rechts neben der Kirche und hauchte ihnen frischen Wind ein. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft – eine wilde, kreative und engagierte Truppe heranwachsender Jugendlicher und junger Erwachsener. Besonders privilegiert und beliebt waren jene, die bereits einen Führerschein besaßen!
Ohne Handys und soziale Medien funktionierte alles wie von selbst. Ein offizielles Jugendgremium entstand, mit Regelwerk, festen Aufgaben, Sitzungen und Protokollen – mühsam getippt auf klapprigen Schreibmaschinen. Wir organisierten eigenständig Silvesterpartys, Auto-Rallyes und die legendären TOT-Abende (Teil-offene-Tür), an denen wir Musik hörten, die neuesten Tanzschritte ausprobierten, abhingen (damals kannten wir den Begriff „chillen“ noch nicht), lachten und uns beim Tischkicker mit Kippe im Mundwinkel duellierten. Wir waren keine gewöhnliche Jugendgruppe – wir waren eine Familie!
Die legendäre Pius-Disco
Weit über die Kreisstadt hinaus war sie bekannt: die Pius-Disco! Einmal im Monat – freitagabends – wurde das Pfarrheim zum angesagtesten Treffpunkt weit und breit. Nachmittags „zappelten“ die Teenies mit Softdrinks in Micky-Maus-Pullis zu den neuesten Hits – heute nostalgische Oldies wie „99 Luftballons“ oder „Sweet Dreams (Are Made of This)“. Am Abend öffnete die Disco dann für die Älteren, wo Bier ausgeschenkt und geraucht werden durfte. Jungs mit Schnäuzern lehnten lässig in stonewashed-Jeans und Cowboystiefeln an der Wand, während die Mädels mit Vokuhila-Dauerwellen in Vanilia-Hosen, Adidas-Boots und Netzshirts über den damals angesagten Fruit-of-the-Loom-T-Shirts die Tanzfläche eroberten. Der Geruch von Schweiß, Rauch und Kölsch-Cola lag in der Luft. Erste große Lieben entstanden – und zerbrachen auf dem klebrigen grauen Linoleumboden oder - wer es diskreter mochte - hinter dem Gebäude auf der Treppe zum Souterrain.
Der wahre Ritterschlag in der Pius-Disco-Karriere war jedoch das Erreichen des 18. Lebensjahres – der Schlüssel zur exklusiven Oldie-Disco. Hier gab es nicht nur Bier, sondern auch Whisky-Cola und Blauer Engel. Wer dort feiern durfte, war offiziell erwachsen!
Mit Perfektionsgeist entwickelten wir unsere Disco stetig weiter: Selbstgebaute Musikanlagen (V&K Music) und ein engagiertes Deko-Team sorgten für unvergessliche Abende. Um die immer professioneller werdende Lightshow, begonnen mit Lichtorgel, Lauflicht und selbstgeklebter Spiegelkugel so richtig in Szene zu setzen, dafür sorgte der rubinrote Samtvorhang, der den Tanzsaal verlässlich verdunkelte. Auch wenn die Sonne, die all die Jahrzehnte durch die Giebelfenster schien, den Vorhang nach und nach zu einem zarten Rosa verblassen ließ, werden unsere Erinnerungen an unsere vielen Pius-Discos, zu denen Hunderte Jugendliche strömten, niemals verblassen!
Ja, die Pius-Disco war das Event des Monats – weit über die Grenzen von Bad Neuenahr-Ahrweiler hinaus. Konkurrenzveranstaltungen gab es viele, doch jeder wusste: Pius war die Nummer eins! Gerüchte besagen, dass unsere Plakate auf mysteriöse Weise verschwanden – damit unsere Discos nicht zu voll wurden. Doch das war uns egal – jeder wusste ohnehin, wo die beste Stimmung war!
Unsere Geistlichen feierten übrigens gerne mit. Ob Disco, Silvester oder private Party – so mancher Weg ins Pfarrhaus-Bett wurde nur dank stützender Hilfe bewältigt. Böse Zungen behaupten noch heute, dass das eine oder andere Hochamt am Sonntagmorgen mit Verspätung begann...
Gemeinschaft, wie es sie heute kaum noch gibt
Natürlich ging es uns um weit mehr als nur Partys. Wir waren die Jugend der Pius-Gemeinde und packten mit an – beim Pfarrfest, beim Pfarrfamilienabend oder mit frischen Ideen bei der Pfarrgemeinderatssitzung!
Und Ehrensache: Wir organisierten und finanzierten alles aus selbstgeschaffenem Budget!
Jeder, der einmal „auf Pius“ war, kann eine Geschichte erzählen. Jeder, der Teil dieser Zeit war, trägt sie für immer in sich. Heute stehen wir wehmütig vor einer leeren Grube, wo einst unsere Jugend stattfand. Doch wir sind unendlich dankbar für diese Zeit – für die Musik, die Freundschaften, die erste Liebe, das Lachen und den Zusammenhalt. Dankbar für unsere Erinnerungen an eine unvergessliche Dekade
Danke! Der Text hat mir aus der Seele gesprochen. Ich war wohl einige Jahre vorher dabei. Fast jeden Abend haben wir im Pfarrheim verbracht und Pastor Heinen dabei.
Gaby,
großes Kompliment. Genau auf den Punkt! Besser hätte man die Pius-Geschichte nicht erzählen können.
Unsere ganze Sozialisation, von Jugend über Familiengründundung , Taufen, Kommunion....einfach weg. Das tut weh
Wer soviel Insiderwissen hat, muss selber mit dabei gewesen sein!! Ich war zwar nicht in der Pius-Jugend aber häufig Gast der legendären Pius-Disco??
Super Artikel!!????