Allgemeine Berichte | 18.05.2021

Heimatgeschichte im BLICK

Neuere Erkenntnisse von ehemaligen Thürer Juden

Eine geglückte Emigration sowie eine leidvolle Deportation können nun sicher belegt werden

Alexander Moses – das in der Sitzreihe links außen abgelichtete Kind – 1941 im Kindergarten. Quelle: Gemeindearchiv Swisttal

Thür/Mayen. Als anlässlich des Thürer Jubiläumsbuches von 2012 – 900 Jahre urkundliche Ersterwähnung des Ortes – auch für einen Beitrag über deren ehemaligen Juden recherchiert wurde, war zu erwarten, dass sicherlich künftig weitere interessante Erkenntnisse über diesen Personenkreis gewonnen werden. Jüngst eingesehene Dokumente aus den Archiven der Stadt Mayen und der Gemeinde Swisttal ermöglichen nun eine Fortschreibung des damaligen Artikels.

Als positives Ergebnis kann man zu Beginn feststellen, dass dem aus Thür stammenden, später in Mayen in der Koblenzer Str. 38 wohnhaften Viehhändler Leopold Fröhling, geb. 1.4.1887, die Emigration über Antwerpen 1939 tatsächlich geglückt ist. Leopold war ein Bruder des Metzgers Moritz Fröhling aus der Thürer Hagelstraße. Fortan wohnte Leopold mit seiner Frau in Nr. 2937 Murray, Milwaukee, Wise USA.

Nach dem Krieg versuchte er über den Mayener Rechtsanwalt Bleser, mit der Stadt Mayen einen finanziellen Vergleich zu schließen, was jedoch scheiterte. In einem Schreiben an das Landgericht Koblenz von 1950 – (Stadtarchiv Mayen: „EifelA-SAMy, Best. 110 aus Nr. 682“) wurde dargelegt, wie damals die von den Nazis beherrschte Stadtverwaltung Mayen mit den jüdischen Mitbürgern „umging“, um an deren Vermögen zu gelangen. Darin monierte man: „…Die Beklagte (Stadt Mayen) verschweigt, dass sie vor dem 21.1.1938 bereits einen Druck auf die Eheleute Fröhling zum Verkauf der in Frage stehenden Parzellen – Grundstücke in der Polcher Straße – ausgeübt hat. Kurz vorher waren die angesehensten jüdischen Bürger der Stadt auf Veranlassung der nationalsozialistischen Partei verhaftet und mehrere Tage im Gefängnis Mayen festgehalten worden.“ Auch sei ein jüdischer Mitbürger erpresst worden, sein Haus, dass dieser selbst für 50.000 RM gekauft hatte, für die Hälfte zu verkaufen, erwähnt der Rechtsanwalt in diesem Schreiben an das Landgericht. Diese Vorgehensweisen, aber sicher die am 9.11.1938 auch in Mayen stattgefundenen Pogrome (Synagoge angesteckt, Geschäfte geplündert, Juden verhaftet) scheinen bei Leopold F. die Auswanderungsabsicht bestärkt zu haben. Unter Druck gesetzt, verkauften die Fröhlings ihre Grundstücke 1939 an die Stadt; vom Kaufpreis hatten sie – so der Anwalt in seinem Schreiben - nichts erhalten. Üblicherweise beantragte die Gestapo danach laut Karteieintrag 1943 beim „Chef der Sicherheitspolizei und des SD die Feststellung des Vermögensverfalls“ für die ausgewanderten Fröhlings.

Bestätigung der Deportation

Sicherlich war dem nun in den USA lebenden Leopold Fröhling bekannt, dass sein Bruder Moritz F. zwar nach Belgien emigriert, dann aber dennoch von den Nazis aufgegriffen, deportiert und ermordet wurde.

Ebenso, wenn auch sicherlich nicht Todestag und –ort, wusste er vom Schicksal seiner Nichte Gela, der Tochter von Moritz. Gela Fröhling, geb. 8.10.1915 in Thür hatte 1935 den Kaufmann und Viehhändler Adolf Moses, geb. 28.11.1897 aus Heimerzheim geheiratet und war nach dort verzogen. Am 16.1.1936 wurde deren Sohn Alexander geboren. „…Das Zusammenleben im Dorf war unproblematisch, (…) Adolf Moses gehörte als dekorierter Soldat nach dem I. Weltkrieg sogar dem Kriegerverein an“, hielt M. Gerkum in seinem Artikel „Juden in Heimerzheim“ fest. Auch die Tatsache, dass Alexander M. noch 1941 trotz der Kontaktsperre für Juden den katholisch geführten Kindergarten besuchen durfte, spricht eigentlich für ein gutes Zusammenleben in diesem Dorf. Siehe Bild

Frau Hanna Albers, Gemeindearchiv Swisttal, die den oben erwähnten Artikel über die „Thürer Juden“ gelesen hatte, teilte jüngst ihre Rechercheergebnisse an die Verbandsgemeinde Mendig mit, so dass nun auch über das Schicksal der Familie Moses genauere Erkenntnisse vorliegen.

Als nach der „Wannsee-Konferenz“ (20.1.1942) die dort geplanten Judendeportationen begannen, musste die dreiköpfige Familie Moses am 10.2.1942 in ein Sammellager, ein dafür umfunktioniertes Kloster, nach Bonn-Endenich, Klosterstr. 6, umziehen.

Mitnehmen durften sie „pro Person ein Bett oder eine Couch und ein Stuhl, einen Schrank für zwei Personen, eine Kommode oder ein Waschtisch sowie Lebensmittel- und Brennstoffvorräte, Wäsche, Kleider und einige kleine Haushaltsgegenstände wie Kochtöpfe, Geschirr und Besteck.“ Die Umzugskosten mussten die Betroffenen selbst tragen. Rund fünf Monate verbrachte die Familie Moses in diesem Sammellager bis sie am 19.7.1942 zunächst nach Köln-Deutz – von dort gingen viele große Transporte aus – überführt und einen Tag später mit dem Transportzug DA 219 und weiteren 1161 Personen nach Minsk deportiert wurden.

Auf der Transportliste ist die Familie Moses mit den Nr. 114 – 116 aufgeführt. Es gilt als sicher, dass sie – Adolf, Gela und ihr sechsjähriger Sohn Alexander - am 24.7.1942 in Maly Trostenez (Belarus), ca. 12 km von Minsk gelegen, direkt nach ihrer Ankunft erschossen wurden, wie das NS-Dokumentationszentrum Köln in einem Schreiben mitteilte.

In diesem Lager wurden die meisten Deportierten erschossen, weil hier angeblich die Kapazitäten für die Tötungen der Deportierten im Gas nicht ausreichten.

Rechtsanwalt Bleser, Mayen, beantragte 1952 im Auftrag von Leopold F., da er sicherlich die näheren Angaben zum Todesort und –zeit damals nicht kannte, beim Amtsgericht Rheinbach für die verschollene Familie Moses ein Todeserklärungsverfahren, dem unter Az. 5 II 16-18/52 im Nov. 1952 stattgegeben wurde. Als Todeszeitpunkt wurde in dem Beschluss das Ende des Jahres 1945 festgesetzt.

Mit den nun konkreteren Erkenntnissen über das Schicksal zweier Judenfamilien konnten die „Erinnerungen an die Thürer Juden“, wie sie im Jubiläumsbuch von 2012 festgehalten wurden, fortgeschrieben werden.

Franz G. Bell

Alexander Moses – das in der Sitzreihe links außen abgelichtete Kind – 1941 im Kindergarten. Quelle: Gemeindearchiv Swisttal

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  • Ursula Schmitz : gasthofuschi@gmail.com
  • Michael Bezner: Wieso nennt ihr ihr diese Brücke eigentlich "Namedybrücke"? Klar, die läuft über Namedy, aber soweit ich weiß, lautet der offizielle Name "Krahnenbergbrücke". jedenfalls findet man unter Namedybrücke...

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