Für die Bürger: Innenstadtrundgang mit Neuwieder Polizei und Ordnungsamt
Subjektives Sicherheitsempfinden versus Kriminalstatistik
Neuwied. Im Kontext der Dialogveranstaltung „Sicherheit und Sauberkeit“ im März hatte Dezernent Ralf Seemann vergangene Woche zu einem Rundgang durch die Innenstadt eingeladen. Mit dabei waren die Leiterin des Ordnungsamts Carla Weßendarp mit Kollegen und die Polizei. Sie notierten Kritikpunkte und ordneten kritische Situationen ein.
Recht schnell wurde klar, dass ein persönlich ungutes Gefühl längst keine Bedrohung für Leib und Leben ist. „Dennoch nehmen wir das Gefühl der Menschen ernst und möchten mehr Wohlbefinden“, versicherte Ralf Seemann. „Wir sind in Neuwied ganz weit weg davon, Brennpunkte zu haben“, erklärte Tina Ewens von der Polizeidirektion Neuwied. Die Kriminalität in der Deichstadt sei keinesfalls höher als anderenorts. Hinzu komme eine hohe Aufklärungsquote. Mit am häufigsten werde die Polizei bei Konsum von Drogen in der Öffentlichkeit gerufen.
Der Nachfrage einer Bürgerin hinsichtlich einer Kameraüberwachung zentraler Plätze erteilte Polizeihauptkommissarin Ute Fränzel eine Absage: „Wir wollen keinen Überwachungsstaat“. Auf gleichem Kurs ist Ralf Seemann, der zudem auf hohe rechtliche Hürden verwies. Auch bei der Kameraüberwachung illegaler Müllentsorgung an beliebten Plätzen ist er skeptisch. Letztendlich würden sich die Menschen einfach andere Orte zum Abladen suchen. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts haben keine Möglichkeit, Dreckspatzen mit einem Bußgeld zu belegen. Zuständig ist die Kreisverwaltung.
Bei dem gut einstündigen Rundgang durch die Innenstadt machten die Bürger/innen auf dunkle Stellen aufmerksam. Schon vor Jahren hatte es einen ähnlichen Rundgang gegeben, der eine bessere Beleuchtung und das Freischneiden von Bäumen und Büschen zum Ergebnis hatte. Doch nicht überall ist dies für die Verwaltung möglich, gerade wenn beliebte Fußwege über Privatgelände führen. Beispielsweise zwischen der Hermannstraße, über den Krankenhausweg, in Richtung Kreisverwaltung. Der Tipp der Experten: Lieber ein paar Meter mehr in Kauf nehmen und belebte und helle Straßen aufsuchen.
Nach Ansicht von Ralf Seemann ist die Belebung der Innenstadt ein wesentlicher Schlüssel, um das Sicherheitsempfinden der Menschen zu verbessern. Die Bespielung von Plätzen und Veranstaltungen nannte er als Beispiele. Citymanagerin Michaela Ullrich berichtete von den Anstrengungen gegen Leerstände. Hier sind die Möglichkeiten der Stadt natürlich begrenzt. Zumindest möchte man die Immobilienbesitzer zu einer ansehnlichen Folierung des Leerstands bringen.
Gefährdung durch E-Scooter
Vor Jahren gab es eine politische Diskussion über das Befahren der Fußgängerzonen mit dem Fahrrad. Seinerzeit hatte niemand gedacht, dass es mal ein viel größeres Übel geben wird. Mehrfach brachten die Bürger/innen ihren Unmut über E-Scooter zum Ausdruck. Man fühle sich gefährdet und der ein oder andere sah sich gar als Hütchen in einem Slalomparcours, dass es knapp zu umfahren gilt. „Hier sind uns die Hände gebunden“, erklärte Ralf Seemann und verwies auf private E-Scooter. Es gebe in der Stadt nicht mal einen kommerziellen Verleiher. Und sollte mal einer Interesse bekunden, hätte die Stadt Neuwied nur eine sehr dünne Rechtsgrundlage dieses Geschäft zu untersagen.
Der Polizei ist das Problem der E-Scooter wohl bekannt. „Täglich erstellen wir Anzeigen und stellen Geräte sicher“, berichtete Tina Ewens. Die Strafen von 15 Euro seien selbst für Taschengeldempfängern verschmerzbar und gegen die schiere Masse der beliebten E-Scooter sei schlichtweg nicht beizukommen. Häufig ignorieren Nutzer zudem die Altersgrenze von 14 Jahren und das Verbot, zu zweit das Gefährt zu nutzen. Die Kollegen auf ihren Dienstfahrrädern gäben ihr Bestes, dass sich Rowdies nicht einfach so aus dem Staub machen.
Heftige Kontroverse an der Matthiaskirche
Seit Jahren ist der Vorplatz der Matthiaskirche bzw. die Heddesdorfer Straße am Kaufland ein neuralgischer Punkt. Konzentriert befinden sich hier eine Obdachlosenhilfe und Verpflegung, die Caritas und die Abgabestelle für Methadon. Die Mitarbeiter aus dem Ordnungsamt berichteten, dass die Wirkung der Ersatzdroge hier schnell mit billigen Alkohol aus dem Supermarkt und anderen Rauschmitteln verstärkt werden. Die Aussage der Offiziellen, dass es kaum zu Übergriffen komme, brachte Martin Monzen auf die Palme. Der Verwaltungsrat von St. Matthias kündigte Maßnahmen an. Mit der großzügigen Toleranz auf dem Kirchengelände früherer Jahre sei es vorbei. Er berichtete von Pöbeleien und davon, dass Menschen ihr kleines und großes Geschäft einfach in der Kirche verrichten.
„Wir können die Menschen nicht wegbeamen“, unterstrich Ralf Seemann. Tatenlos sei die Stadt dennoch nicht. Zwei Streetworker suchen den Dialog mit dem speziellen Publikum. Zudem würden die Außendienstmitarbeiter regelmäßig Platzverbote erteilen. Häufig reiche aber auch eine direkte Ansprache. Man kenne das Klientel mittlerweile sehr gut. Ohne Uniform ist die direkte Ansprache dagegen kritisch. Martin Monzen hat damit weniger gute Erfahrungen gemacht. FF
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