Nachruf

Udo Edelmann (†) bemühte sich stetsum Austausch- auch über Grenzen hinweg

Rheinbach. Udo Edelmann, geboren am 6. Oktober 1938 in Landsberg an der Warthe (heute das polnische Gorzów Wielkopolski) und am 7. Juli in Bonn verstorben, war einer der bedeutendsten deutschen Studioglaskünstler seiner Generation. Zu seinem eindrucksvollen Oeuvre als Bildhauer, Glasgestalter und Designer kommt ein breit gestreutes Engagement als Ausstellungsmacher, Ausbilder und Impulsgeber für die deutsche und internationale Glasszene hinzu. Der Künstler verstand sich in seinen letzten Lebensjahren als Brückenbauer in die- seit Ende des Krieges polnische- Stadt Gorzów Wielkopolski, seine Geburtsstadt Landsberg. Dieses Bemühen, Künstler und interessierte Menschen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, der Europa jahrzehntelang geteilt hat und nun der Vergangenheit angehört, mit den Mitteln der Kunst zusammenzubringen, durchzog sein gesamtes Leben wie ein roter Faden: Noch zu Zeiten des Kalten Krieges lud er in seiner häufig wahrgenommenen Funktion als Organisator Glasschaffende aus Osteuropa zu hochkarätigen Ausstellungen ein. Dass der Dialog über die Grenzen von Ländern und politischen Blöcken hinweg niemals abgebrochen ist, ist auch sein Verdienst. Sein Lebenslauf ist typisch für viele Angehörige seines Jahrgangs: Der Vater fiel noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, die Mutter flüchtete mit zwei kleinen Kindern aus der zerstörten Heimatstadt Landsberg über Berlin, Rügen und Lübeck-Travemünde und fand schließlich im schleswig-holsteinischen Trappenkamp eine Bleibe. In dieser Flüchtlings- und Vertriebenensiedlung, die auf dem Gelände eines ehemaligen Marinesperrwaffenarsenals entstanden war, kam Udo Edelmann zum ersten Mal mit dem Werkstoff Glas in Berührung, dessen Faszination ihn ein Leben lang begleiten sollte: In Trappenkamp hatten sich bis 1948 etwa 850 Menschen angesiedelt, davon etwa die Hälfte Sudetendeutsche, die mehrheitlich aus Gablonz kamen, wo die Glas- und Schmuckwarenindustrie ihren Schwerpunkt hatte. Die frühen Kontakte zu Glasmachern und anderen Glashandwerkern, die aus dem Sudetenland, Schlesien und Rumänien stammten, waren für das Kind und den Heranwachsenden prägend und bestimmten seinen Werdegang.

Studium und Werdegang

Um sich einen professionellen Zugang zum Glas zu eröffnen, nahm Udo Edelmann erst ein Chemie- und Technikstudium auf und absolvierte dann eine Ausbildung an der Staatlichen Glasfachschule Rheinbach; hier übernahm er später einen Lehrauftrag. Eine entscheidende berufliche Station war die Ichendorfer Glashütte, in die er 1970 eintrat und wo er schnell vom Direktionsassistenten zum technischen Direktor aufstieg. In Bergheim-Ichendorf entwickelte er neben Direktor Rudolf Penkert die Designlinie des Unternehmens. Eine besondere Herausforderung waren die experimentellen Rekonstruktionsversuche antiker Rippenschalen und Fadengläser, zu denen Edelmann herangezogen wurde. So lernte er den renommierten Archäologen Prof. Otto Doppelfeld kennen und durfte die ersten originalgetreuen Nachschöpfungen antiker Gläser aus dem römisch-germanischen Museum Köln entwickeln. Daneben wurde Edelmann mit Aufbau und Leitung einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte für sämtliche Glasberufe in Kassel betraut. Drei Jahre lang (bis 1983) leitete er in Immenhausen die Sommerschule, die von der Glashütte Süßmuth– sie stammt aus dem schlesischen Penzig, von wo Firmengründer Richard Süßmuth vertrieben worden war– und der Süßmuth-Mitarbeiter-Stiftung veranstaltet wurde. Edelmann ging für ein zweijähriges Praktikum ins Glasland Schweden. Später übernahm er Planung und Baubegleitung einer größeren Glasfabrik für die VR China in Guangzhou (Kanton) sowie weitere Beraterfunktionen in Guatemala und Portugal, im Rahmen derer er Designentwürfe entwickelte. Auch später, in den 1990er Jahren, erhielt er Gelegenheit, seine pädagogischen Fähigkeiten einzusetzen: Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitete er mit seinen drei portugiesischen Assistenten wiederholt in der „Mundglashütte Harzkristall“ in Derenburg/Harz. Die Glashütte war praktische Ausbildungsstätte für Kunststudenten aus Berlin, Hildesheim und von der schon zu DDR-Zeiten renommierten „Künstlerschmiede“ Burg Giebichenstein in Halle. Hier konnte Edelmann den Studenten viel von seiner Erfahrung mitgeben. 1981 organisierte er in Kassel die parallel zur Bundesgartenschau gezeigte Ausstellung „Glaskunst 81“, neben dem Coburger Glaspreis ein Meilenstein der internationalen Studioglasbewegung. Der große Einfluss dieser Schau liegt nicht zuletzt darin begründet, dass es gelungen war, junge Glaskünstler diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs zusammenzuführen.

Station Rheinbach

1982 ließ sich Udo Edelmann in Rheinbach nieder und eröffnete zusammen mit seiner Frau Chris auf dem Gelände des ehemaligen Rheinbacher Wasserwerks das „Glashaus am Wasserturm“. Der Studioglasofen blieb bis 2005 in Betrieb. In Rheinbach entstanden freie künstlerische Arbeiten, wobei gelegentlich auch Glaskünstlerkollegen für einen begrenzten Zeitraum mitarbeiteten und sich ein fruchtbarer künstlerischer Dialog entspann. Daneben legte das „Glashaus am Wasserturm“ eine eigene Studio- beziehungsweise Designlinie auf, die von Chris Edelmann wesentlich beeinflusst wurde.

Überregionales Schaffen

Überregional beachtet wurden die vorweihnachtlichen Ausstellungen, zu denen er nicht nur Kollegen aus der internationalen Glasszene nach Rheinbach holte, sondern auch namhafte Designer, wie zum Beispiel Prof. Heinz Oestergaard, deren Entwürfe er in Glas umsetzte. Mit diesen Ausstellungen, die oft von öffentlichen Workshops und Vorführungen in der Hütte begleitet waren, eröffnete er vielen Besuchern den Zugang zum Glas, gab mannigfaltige Impulse und regte zahlreiche Glassammlungen an. Dass sich Rheinbach den Ruf einer „Glasstadt“ erworben hat, ist nicht zuletzt dem künstlerischen Schaffen und den vielfältigen Aktivitäten Udo und Chris Edelmanns zu verdanken. In Rheinbach, der Stadt seines langjährigen Wirkens, erhielt er den Auftrag, die Ehrengabe, die an verdiente Bürger verliehen wird, zu gestalten. Er war langjähriges Vorstandsmitglied des Rheinbacher Museumsfördervereins „Freunde edlen Glases“ e. V. und des Museumsbeirates. Eine der letzten Arbeiten, die er dem Glasmuseum Rheinbach überließ, trägt den Titel „Römische Wasserleitung“ und nimmt Bezug auf das bedeutendste archäologische Bodendenkmal in seiner letzten Heimatstadt. Mit der Retrospektive seines Lebenswerks, die 2016 zunächst in seiner Geburtsstadt Landsberg a. d. Warthe, dem heutigen Gorzów Wielkopolski, und anschließend in Rheinbach gezeigt wurde, rundete sich gewissermaßen sein Lebensweg. In Anerkennung seiner Verdienste um Versöhnung und Völkerverständigung verlieh ihm die Stadt Gorzów Wielkopolski 2017 die Ehrenbürgerschaft– als einem von wenigen Nicht-Polen. Udo Edelmann nahm an allen wichtigen internationalen Studioglasausstellungen teil. Zahlreiche seiner Arbeiten befinden sich in öffentlichem Besitz (Kunstgewerbemuseum Berlin, Corning Museum of Glass, Corning/N.Y., Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Glasmuseum Frauenau, Victoria and Albert Museum, London, Hessisches Landesmuseum Kassel, Museum für Angewandte Kunst, Köln, Musée des arts décoratifs, Lausanne, Kulturgeschichtliches Museum,Osnabrück, Glasmuseum Rheinbach, Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, Glasmuseet Ebeltoft).

Als Glasgestalter, Bildhauer und Designer hat sich Udo Edelmann in der internationalen Studioglasbewegung einen festen Platz gesichert. Er hinterlässt nicht nur ein bedeutendes Werk; unvergessen wird auch sein vielseitiges, äußerst segensreiches Wirken im kollektiven Gedächtnis der Glaswelt bleiben.

Stefan Raetz, Bürgermeister der Stadt Rheinbach

Dr. Ruth Fabritius, Leiterin des Glasmuseums Rheinbach

Joachim Strasdas, Vorsitzender des Fördervereins „Freunde edlen Glases“ e. V.

Helmut Nikolaus, Vorsitzender des Museumsbeirats