Närrische Buben stellten neues Veranstaltungsformat in Sinzig vor
Wiedergeburt der politischen Büttenrede
„Hart ävver fair im Fasteleer“ erwies sich als überraschend treffend und locker
Sinzig. Karnevalsfreunde und Karnevalsinsider hatten es seit Langem bedauert: Die politische Blütenrede mit viel Lokalkolorit und bissigen Anmerkungen zum politischen Geschehen in der Stadt ist in den letzten Jahren ja schlicht abhandengekommen. Gleiches gilt in Sinzig übrigens auch für den einst legendären Kneipenkarneval.
Genau in diese Bresche sprang überraschend frisch und fröhlich das neue Karnevalsformat der Närrischen Buben. „Hart ävver fair im Fasteleer“ hieß es am vergangenen Freitag im Bistro Barbarossas. Der politische „Klaaf in Senzech“ stand bei seiner Premiere nicht unbedingt unter den besten Vorzeichen.
Ideengeber und Moderator Martin Thormann musste bei seinen Büttenrednern angesichts der sehr gewittrigen politischen „Kleinwetterlage“ in Sinzig im Vorfeld auch einige Absagen in Kauf nehmen. Doch letztlich hatten sich die Närrischen Buben etwas Besonderes ausgedacht. Im „Barbarossas“ wurden Büttenreden mit Sinziger Hintergrundgeschehen aus Politik und Gesellschaft hautnah und tagesaktuell präsentiert. Besucht war das Bistro direkt am Kirchplatz vom Sinziger Dreigestirn mit Hofstaat, vielen Prominenten aus der Sinziger Gesellschaft und einigen Mitgliedern des Stadtrats.
Und Jochen Moll, als Feuerwehrmann ja Urgestein in der Szene der Sinziger Büttenredner, zeigte dann auch gleich einmal, wie es geht.
Durch sein Gagfeuerwerk zogen sich wie ein roter Faden bissige Anmerkungen zum Bau des Feuerwehrgerätehauses in Sinzig. „Der Berliner Flughafen hat gegenüber dem Feuerwehrgerätehauses einen entscheidenden Vorteil: Man hat schon mal angefangen“, so Moll lapidar. Und der Feuerwehrmann hatte auch das Prinzip des Abendsverstanden: „Bürgermeister Andreas Geron sieht etwas hager im Gesicht aus“, und „er hat sich jetzt eine Gesundheitsmatratze zugelegt mit Federkeil.“ Martin Thormann hatte ebenfalls einige Kracher zu bieten, allerdings in Hochdeutsch.
Highlight des Abends war eindeutig Manfred Ruch. Mit seinem Auftritt als Doktor der Gerontologie traf er den Nagel auf den Kopf. Punktgenau prangerte er den Zustand der maroden, aus Schlaglöcher bestehenden Barbarossastraße an („Wenn dat der Kaiser wüsste, würde er sich im Grab umdrehen“), die katastrophale Verkehrssituation, „behindernd Parken unter Zuhilfenahme des Ordnungsamts“ und das Nahversorgungszentrum – alles passend im Versmaß und auf Sinzije Platt.
Robert Lohmer hatte ebenfalls eine hervorragende Rede in Hochdeutsch vorbereitet. Zu einem idealen Sinzig fehlt ihm eine große Wagenhalle für die Närrischen Buben und alle Jecken als neue paradiesische Heimstatt.
Zum Schluss der Veranstaltung trat Bürgermeister Andreas Geron überraschend in die Bütt. Er hatte sich kurzfristig entschlossen, aus den diversen Reden eine Bilanz zu ziehen, und trug diese humorvoll und in Reimform vor. Zitat: „Et freut misch, dat kann isch euch sagen, de Bürjermeister kann och ene Spass vertraren.“
Und so hat der derzeitige Knatsch im Sinziger Rathaus ungewollt auch seine guten Seiten: Mit „Hart ävver fair im Fasteleer“ hat sich die politische Büttenrede im gesamten Sinziger Klüngel wieder zu Wort gemeldet. Und es hat eine Veranstaltung das Licht der Welt erblickt, die nach Wiederholung geradezu schreit. Und bei allen bissigen Pointen war den Reden des Abends eines gemeinsam, nämlich der deutlich herauszuhörende Tipp an alle Beteiligten lieber einmal ein Bierchen zusammen zu trinken und zu klaafen, als ständig Post an den Staatsanwalt zu schicken. Nicht nur für die Fans und die Nostalgiker der politischen Blütenrede war der Abend im Barbarossas eine überraschend frische und kurzweilige Veranstaltung. So können legendäre Karnevalsformate entstehen. BL
Bei Manfred Ruch saß jede Pointe – und das in heimischer Mundart.
Spaß hatten auch die anwesenden Ex-Tollitäten der Närrischen Buben.
