Das Kirchengebot, freitags kein Fleisch zu essen, hatte lange Gültigkeit
Als der Neujahrsbraten noch vom Bischof genehmigt wurde
Region. Das neue Jahr 2016 beginnt an einem Freitag. Eigentlich doch nichts Besonderes, denn Feiertage fallen selbstverständlich im Jahreslauf auf die unterschiedlichsten Tage der Woche. Aber immerhin bedeutet der Freitag-Feiertag für die arbeitende Bevölkerung ein verlängertes Wochenende. Nun stelle man sich vor, dass der Trierer Bischof Ende Dezember 2015 in der Presse veröffentlichen lassen würde, dass er den Katholiken seines Bistums einen Fleischverzehr an diesem Neujahrstag genehmigen würde. Die darauf folgenden Reaktionen und Kommentare hätten sicherlich einen widersprechenden Tenor. Was geht es denn die katholische Kirche an, wann wir freitags Fleisch essen oder haben die keine anderen Probleme, wie den Umbau des Bistums wegen akutem Priestermangel, wären vielleicht noch die moderatesten Bemerkungen. Vor gut einhundert Jahren schienen solche Verlautbarungen eines Bischofs - speziell zum Verzehr von Fleischspeisen an einem Freitag - nichts Ungewöhnliches zu sein. So war beispielsweise der 1. Januar 1904 ebenfalls wie der kommende ein Freitag und für den damaligen Trierer Bischof Korum ein begründeter Anlass, die folgende Meldung (siehe Mayener Zeitung vom 28.12.1903) verbreiten zu lassen:
„Kirchliches. Am bevorstehenden Neujahrstag, welcher auf einen Freitag fällt, ist den Gläubigen der Diözese Trier kraft päpstlicher Vollmacht im diesjährigen Fastenhirtenbrief der Genuß von Fleischspeisen gestattet worden.“
Offenbar ging jener Bischof davon aus, dass sich die Katholiken ohnehin nicht an das grundsätzliche Verbot an Neujahr halten würden. Gewisse Ausnahmen von diesem strikten Freitagsfleischverbot billigte die katholische Kirche vordem beispielsweise schon Schlachtern, Gastwirten, Schaffnern, Urlaubern, Schwerstarbeitern und Kantinen-Essern zu.
Die heute lebenden Älteren werden sich noch daran erinnern, dass es freitags in katholischen Haushalten kein Fleisch zu essen gab. Dies war das Beachten dieses alten Kirchengebotes, welches streng eingehalten und von Generation zu Generation weiter gegeben wurde.
Der Grund für diese Vorgabe war die biblische Überlieferung, dass Jesus an einem Freitag, dem Karfreitag, gekreuzigt wurde. Ein beliebtes Freitagsessen war meist ein Fischgericht. Bei einfachen Leuten gab es dann Heringe mit „Pellmänner“, wobei in schweren Zeiten die Heringe für die Kinder oft gedrittelt wurden. Dies löste oft am Mittagstisch Diskussionen aus, wer denn das größere Stück Hering (Kopfteil, Mittel- u. Schwanzstück) zugeteilt bekomme. Kartoffelgerichte, wie Kröbbelche oder Döppekooche sowie Mehl- oder Eierspeisen waren ebenfalls häufige Freitagsgerichte auf dem Mittagstisch.
Das beschriebene Freitagsfleischverbot hielt sich sehr lange in katholischen Gegenden; es ist erst unter Papst Paul VI. gelockert worden, als er die sogenannte Abstinenz in den 1960er Jahren freigab, bzw. die entsprechende Entscheidung den Bischöfen überließ. Wenn auch heute ein Fleischverzehr am Freitag nur noch den Wenigsten ein schlechtes Gewissen bereitet, so bin ich dennoch sicher, dass dieses alte kirchliche Verbot noch in vielen Familien unbewusst nach wie vor weiterhin eingehalten wird. Zumal wir wissen, dass der häufige Fleischverzehr, den sich die heutige Gesellschaft durchaus leisten kann, nicht gerade gesundheitsfördernd ist.
Franz G. Bell
