Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband RLP Kreisgruppe Koblenz
Atomkatastrophe geht weiter
Bewegender Bericht aus Fukushima, Kazuhiko Kobayashi zu Gast bei BUND, Heinrich-Böll-Stiftung und Umweltreportern der Grundschule Moselweiß
Koblenz. Kazuhiko Kobayashi lebte 29 Jahre im Deutschland. Als er pensioniert wurde, ging er zurück nach Tokio, um dort seinen Ruhestand zu verleben. Die atomare Katastrophe vom Fukushima erschütterte ihn so sehr, dass er heute durch Europa reist, um auf die Gefahren der atomaren Energieerzeugung hinzuweisen. Am 07.11.2014 war Kazuhiko Kobayashi auf Einladung des BUND Koblenz und der Heinrich Böll Stiftung im Schöffenhaus am Florinsmarkt und berichtete bewegend über die Lebenswelt der Kinder im verstrahlten Bezirk bei Fukushima.
Vorab gab er den Umweltreportern der Grundschule Moselweiß ein exklusives Interview. Die Kinder waren beeindruckt, dass es einem Menschen so wichtig ist, seine Lebenszeit dafür einzusetzen, Menschen auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam zu machen. „Hat sich das mit der Radioaktivität gebessert?“, wollte einer der Umweltreporter wissen. Herr Kobayashi schilderte, dass die Radioaktivität sich über die ganze Welt verbreitet. Außerdem haben die Strahlenopfer in Japan genetische Störungen, die vererbt werden können, so dass viele Generationen betroffen sind. „Ich habe großes, großes Mitleid mit den Kindern. Deshalb sammle ich Spenden für diese Kinder. Ich möchte diese Kinder in eine sichere Gegend bringen. Ich mache diese lange Reise - das ist sehr anstrengend für mich - für diese Kinder.“ Denn die Atomkatastrophe sei nicht zu Ende, sie geht immer weiter.
Im darauf folgenden öffentlichen Vortrag führte er in die Historie der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ein, und wie die Auswertung der Strahlenschäden ausschließlich in amerikanischer Hoheit blieb und später durch die Atombehörde IAEA kontrolliert wurde und dabei die Schäden klein geredet wurden. Er sagte, dass es damals den japanischen Ärzten verboten war Strahlenopfer zu behandeln, da man unverfälschte Krankheitsverläufe dokumentieren wollte. Wie dann die Atomkraftwerke als harmlose und positive Energiequelle gepriesen wurden, obwohl früh schon klar war, dass die Technik kaum beherrschbar war und eine Entsorgung ungeklärt blieb. „Dennoch wurden gerade im ständig Erdbeben ausgesetzten Japan sehr viele AKW gebaut. In den Folgejahren wurden Probleme oder Störfälle konsequent vertuscht, begünstigt durch die japanische Tugend nie Vorgesetzte zu kritisieren“, so Kobayashi. Nach dem GAU häufen sich die vorher unbekannten Schilddrüsenkarzinome bei Kindern. „Zusammenhänge zur Verstrahlung werden als unbeweisbar bagatellisiert. Die Kinder sollen zwecks Dokumentation der Krankheitsverläufe in der Region bleiben“, befürchtet er.
Die Bilder zeigten, dass normales Leben innerhalb der verstrahlten Region nicht mehr möglich ist: Nachdem durch Bodenabtragung ein Garten oder Grundstück dekontaminiert wurde, ist nach einigen Monaten durch Staubverwehung und Niederschlag wieder alles verstrahlt. Kinder können nicht draußen spielen.
Hier setzt Kazuhiko Kobayashi an: Er sammelt Spenden um Kindern und Familien Kurzurlaube am Meer in einer unverstrahlte Region südlich von Tokio zu ermöglichen. Viele Kinder können so erstmals nach der Atomkatastrophe vor dreieinhalb Jahren im Matsch spielen oder auf einer Wiese Blumen sammeln. Kobayashi abschließend: „Wenn eine Gesellschaft nicht mehr für ihre Kinder sorgt, bringt sie sich um ihre eigene Zukunft. Denn wir Einzelne leben nicht ewig.“ Die beeindruckten Zuhörer spendeten reichlich zur Unterstützung dieser Kinderfreizeiten.
