Koblenz gedenkt der Opfer der Pogromnacht und des Holocaust
Aus der Geschichte für die Zukunft lernen
Koblenz. Am 8. November fand anlässlich des 77. Jahrestags der Novemberpogrome von 1938 eine feierliche Gedenkfeier in der Koblenzer Synagoge statt. Die Feier wurde ausgetragen durch die Jüdische Kultusgemeinde und die Christlich-Jüdische Gesellschaft Koblenz. Musikalisch begleitet von der Evangelischen Kantorei Koblenz-Mitte, unter der Leitung vom Kreiskantor Christian Tegel, fand die Gedenkfeier im Gemeinschaftsraum der Synagoge statt. Anschließend wurde zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal auf dem Jüdischen Friedhof ein Kranz niedergelegt.
Vor 77 Jahren brannten während der nationalsozialistischen Herrschaft vom 9. auf den 10. November 1938 im ganzen Reich die Synagogen. In dieser Nacht schlug die schon täglich erlebte Ausgrenzung und Demütigung der jüdischen Bevölkerung in offenen Terror um. Die jüdischen Mitmenschen wurden misshandelt, verhaftet und viele von ihnen getötet. Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört und das Eigentum konfisziert. Rund 30.000 Menschen wurden am nächsten Tag in Konzentrationslagern inhaftiert.
Ein Attentat, begangen vom polnischen Juden Herschel Grynszpan am 7. November 1938 am deutschen Botschafter in Paris, Ernst vom Rath, wurde von den Nationalsozialisten zum Anlass genommen, um die schon lange geplante „Arisierung“, die Zwangsenteignung jüdischen Besitzes, durchzuführen. Auch in Koblenz wurde in dieser Nacht die Synagoge verwüstet, wegen der benachbarten Häuser jedoch nicht in Brand gesteckt.
Verantwortung für künftige Generationen
Zum Gedenken an die Opfer jener Nacht und die vielen Opfer des Holocaust, aber auch in Verantwortung für zukünftige Generationen wurde auch dieses Jahr in der Koblenzer Synagoge eine Gedenkfeier ausgetragen. Begrüßt wurden die Gäste durch den Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Avi Avadiev und dem Vorsitzenden der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Wolfgang Hüllstrung. Mit einem Erlebnisbericht von „Leo Jehuda Schornstein“ machte Hüllstrung den Gästen die Erlebnisse der jüdischen Bevölkerung in jener Nacht greifbarer.
„Ein aufgeklärtes und humanistisches Koblenz“
In der anschließenden Ansprache betonte Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, dass er es großartig finde, dass man gemeinsam an die schrecklichen Ereignisse erinnert. Auch hob er hervor, dass diese Gedenkarbeit notwendig sei, gerade weil sich in den letzten Monaten das Klima in Deutschland deutlich verändert habe, dabei bezog er sich auf die Reaktionen in manchen Teilen Deutschlands auf die aktuelle Flüchtlingswelle. Neonazistische Auffassungen kämen zwar nicht immer zum Ausdruck, jedoch bestehe die Gefahr, dass bei bestimmten Ereignissen, diese Haltung reaktiviert werden könne.
„Die Stadt Koblenz steht gemeinschaftlich über alle Parteigrenzen hinweg mit allen Mitgliedern des Stadtrats dafür ein, dass Koblenz ein aufgeklärtes und ein humanistisches Koblenz bleibt. Dies gilt auch für die schwierigen Zeiten, die die Stadt in den letzten Monaten hinter sich gebracht hat.“ Hofmann-Göttig erinnerte an die verantwortungsvolle Herausforderung, die die Arbeit mit den Schutz suchenden Menschen mit sich bringt.
Stadt unterstützt den Bau einer neuen Synagoge
Abschließend sprach der Oberbürgermeister den lang gehegten Wunsch der Jüdischen Gemeinde, eine Synagoge an einem anderen Ort zu errichten, an. Die aktuellen Räumlichkeiten in Moselweiß sind für die auf rund 1000 Mitglieder angewachsene Gemeinde beengend. Das für die neue Synagoge ausgewählte Grundstück befindet sich in der Weisser Gasse auf der Freifläche neben dem Gelände des ehemaligen Stadtbads. Hofmann-Göttig, der gern die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernehmen möchte, stellte unmissverständlich klar, „dass es dem Wunsch der Stadt entspricht, dass es zu dieser neuen Synagoge kommt.“ Es gebe verbindliche Zusagen seitens des Landes und der Stadt Koblenz. Mit einer neuen Synagoge sage die Stadt Koblenz „zugleich ja zur Multireligiosität und zu unserer Verantwortung für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.“
Nach der Ansprache des Oberbürgermeisters sprach Joseph Pasternak, Kantor der jüdischen Gemeinde Koblenz, ein Gebet, und Gemeindemitglied Michael Aranowski hielt auf Hebräisch eine Lesung aus dem Bereschit, dem ersten Buch Mose.
Pfarrer Ralf Staymann von der Alt-Katholischen Gemeinde Koblenz las die Geschichte von Jakob und Esau aus dem Alten Testament. „Ich sehe in Jakob auch die furchtbare Leidensgeschichte des jüdischen Volkes wie in einem Bild widergespiegelt.“ Staymann fühlt sich auch an die Erzählungen und Berichte der Menschen erinnert, die persönlich die Reichspogromnacht vor 77 Jahren erlebt haben. „Das heutige Gedenken und Erinnern an das Furchtbare, das in der Reichspogromnacht 1938 seinen ersten Höhepunkt erreichte, zeigt, wozu menschliche Bosheit bis ins Extreme fähig ist.“ Er begrüße es daher, „dass wir heute in diesem Sinne miteinander als Geschwister gedenken.“
Im Anschluss an die Ansprachen zogen die Gäste auf den anliegenden Friedhof. Zwei Mitglieder der Berufsfeuerwehr Koblenz trugen den Kranz zum Mahnmal und legten ihn dort nieder. Oberbürgermeister Hofmann-Göttig zollte schweigend den Opfern des Nationalsozialismus seinen Respekt. Anschließend sprach Kantor Joseph Pasternak auf Hebräisch die Gebete Yizkor, El male rachamim und das Kaddisch. Es sind die wichtigsten Gebete im Judentum, die zum Gedenken der Toten gesprochen werden und zum Gedenken an die Opfer des Holocaust.
Der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, Avi Avadiev, begrüßte die Gäste zur Gedenkfeier in der Koblenzer Synagoge.
