Theaterkostprobe Koblenz
Ausverkauftes Haus beim „opern-lastigen“ Abend
Koblenz. Wenn das Theater Koblenz in Zusammenarbeit mit dem „Freundeskreis Theater Koblenz“ einmal im Jahr zu einer „Kostprobe“ einlädt, werden traditionell erste exklusive Einblicke in die Produktionen der neuen Spielzeit gewährt. Theater-Intendant Markus Dietze moderierte die „Kostprobe“ nicht nur, sondern rührte zwischen den Auftritten im Butterfahrt-Stil, wie er selber sagte, die Werbetrommel für Shopper-, Clutches- und Handtaschen-Unikate, die von der Theater eigenen Nähwerkstatt aus dem Stoff des alten Theater-Vorhangs in limitierter Auflage hergestellt worden waren und Geld in die Kassen der Stadt Koblenz und des Freundeskreises spülen sollen.
Vor ausverkauftem Haus eröffnete den „opern-lastigen“ Abend das Staatsorchester der Rheinischen Philharmonie, das sich im Verlauf der Veranstaltung auf gleich drei verschiedene musikalische Leiter einlassen musste: Auf den spritzig-virtuosen Joseph Bousso, auf Leslie Suganandarajah mit einem einfühlsamen, entspannt-gelassenen Dirigier-Stil und auf den temperamentvollen Enrico Delamboye, der bei „Vier Seebilder“ aus „Peter Grimes“ gar aufpassen musste, nicht samt Taktstock vom Podest gerissen zu werden.
Von vier Opern wurden dem Publikum jeweils mehrere Kostproben serviert. Das waren das berührend schöne Bühnenwerk „Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowski (Premiere 07. März 2015), die mit Chorszenen durchsetzten Darbietungen aus „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns(Premiere 13. September 2014), die an Klangfarben reiche Musik aus „Peter Grimes“ von Benjamin Britten (Premiere 30. Mai 2015) und schließlich „Tosca“ von Giacomo Puccini (Premiere 24. Januar 2015) mit dieser wunderbaren Musik, die einen nicht mehr loslassen will.
Alle Gesangsstücke wurden in ihrer Original-Sprache vorgetragen, allerdings noch ohne Übertitel, die es bei den Aufführungen im Großen Haus dann jedoch geben soll. Ohne diese Übersetzungshilfe war der nicht geübte Opernfreund allein auf das Hören und Empfinden der Musik angewiesen. Für ein Wohlgefühl in dieser Hinsicht sorgten Opern- und Extrachor sowie die Solisten. Christoph Plessers mit seinem kernigen Bariton, Evgeny Sevastyanov, der mit seiner in den tiefen Ton-Keller reichenden Bass-Stimme die Herzen des Publikums eroberte und Tenor Juraj Holly, der eher mit seinen stimmlichen Höhenflügen überzeugte. Außerdem die charismatische Monica Mascus, die mit einer warmen Mezzo-Sopranstimme und einem teils kräftigen Vibrato keinen noch so kleinen Ton verloren gehen ließ. Der preisgekrönte türkische Tenor Deniz Yilmaz gefiel besonders wegen seiner kunstvoll eingesetzten voluminösen Stimme. Für seine Interpretation der wohl berühmtesten Tosca-Arie „E lucevan le stelle“ erntete er, auch vom Orchester, großen Beifall. Sopranistin Aurea Marston gelang es, mit Ausdruck und Stimme eine grenzenlose, die Herzen berührende Traurigkeit in ihr Lied zu legen. Anna Wisniewska Schoppa, Sopran, überzeugte bei der wundervollen und bewegenden Tosca-Arie „Vissi d’arte“. Auch bei dem Bariton Mark Morouse von der Oper Bonn, der den erkrankten Michael Mrosek vertrat, übte die Stimme eine besondere Faszination aus, gerade bei dem klanggewaltigen, von Opern- und Extrachor durchdrungenen „Te Deum“ aus „Tosca“. Chor- und Extrachor des Theaters waren sowohl bei dieser Oper als auch bei „Samson et Dalila“ ein Klanggenuss besonderer Güte. Selbst wenn die Sänger „nur“ den Bühnenhintergrund füllten, erfüllten sie den kompletten Theaterraum mit ihrer unter die Haut gehenden Stimmgewalt. Die „Rheinische“ verstand es bravourös, den Stimmen ein gleichwertiger Partner zu sein.
Nach der doch eher schweren Opern-Kost war die Leichtigkeit des Andrew Lloyd Webber Musicals „Cats“ eine willkommene Abwechslung. Im nächsten Sommer soll das Musical als Open-Air-Veranstaltung auf die Festung Ehrenbreitstein kommen. Am Flügel begleitet von Karsten Huschke sang Theaterchor-Mitglied Amber Opheim voller Anmut das allseits bekannte und von Wehmut geschwängerte Lied „Memory“ der Katzendame Grizabella.
Die Kostprobe für die Sparte „Schauspiel“ lieferte eine szenische Lesung zu „Die Wandlung der Susanne Dasseldorf“ von John von Düffel nach dem 1932 erschienenen Roman von Joseph Breitbach (Premiere 20. September 2014). Ian McMillan, David Prosenc, Jona Mues und Dorothee Lochner, Mitglieder des Theater-Ensembles, lasen in einer beachtlichen schauspielerischen Leistung Texte des in Ehrenbreitstein geborenen Schriftstellers und inszenierten Dialoge aus dem Schauspiel. McMillan, der den Peter Hecker gab, hatte für das Koblenzer Platt speziellen Dialekt-Unterricht genommen. Das für „Zugereiste“ gar nicht so übel klingende Ergebnis amüsierte das, wohl vornehmlich Koblenzer Publikum, obwohl die Aufführung, dem Thema geschuldet, an sich eher dazu neigte, eine leicht depressive Stimmung zu erzeugen. Selbstbewusst und in eindringlicher Darstellung trug Jana Gwosdek einen kurzen, bewegenden Monolog aus dem Brecht-Schauspiel „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ vor. Das Stück wird sicher keine leichte Kost, doch wenn man sich erst einmal hineingefunden hat, könnte es nachhaltige Spuren im Denken hinterlassen, wie Dietze prognostizierte.
Die neue Sparte „Puppentheater“, die am 22. November 2014 mit „Pinocchio“ Premiere feiert, stellten die Handpuppe „Bertram W. Honigkuchen“ und ihr „Bediener“, Stephan Siegfried, höchst persönlich, humorvoll und originell vor.
Eine Szene aus Steffen Fuchs‘ Handlungsballett „Der Besuch der Alten Dame“ (Premiere 27. September 2014) nach der Komödie von Friedrich Dürrenmatt vertrat die Sparte Ballett. Die Schauspielerin Raphaela Crossey und der Tänzer Rory Stead tanzten spielend oder spielten tanzend ein Paar auf einer Parkbank. Ihr Tanz - ein vorsichtiges Annähern, bei dem sich die Körper in weichen Bewegungen umeinander winden und drehen.
Eine derart appetitliche Kostprobe, wie sie jetzt im Theater Koblenz zu erleben war, lässt besonders den Opernfreund in großer Ungeduld auf den 13. September blicken, wenn die erste Premiere der neuen Spielzeit mit „Samson et Dalila“ auf die Bühne des Großen Hauses kommt.
Puppe-Bertram, W. Honigkuchen.
