23. Internationales Gaukler- und Kleinkunstfestival in der Koblenzer Altstadt
Kirchenkabarett im Historischen Rathaus
Koblenz.Das Kirchenkabarett im Historischen Rathaussaal war eine der Neuerungen beim 23. Internationalen Gaukler- und Kleinkunstfestival in der Koblenzer Altstadt. Nach Zahlung einer geringen Reservierungsgebühr für einen bequemen Sitzplatz, der besonders bei einem kurzen Regenguss begehrt war, boten die Theologen-Kabarettisten Heri Lehnert, Stefan Waghubinger und Willibert Pauels dem Publikum Kritisch-Humorvolles. Für Pauels, aus dem Karneval besser bekannt als „Ne Bergische Jung“, muss es einer der ersten Auftritte nach seinem Sabbatjahr gewesen sein. Eine Auszeit, die sich der Sechzigjährige genommen hatte, wohl auch, um nach der Diagnose und Therapie einer Depression wieder zu Kräften zu kommen. So war es nicht verwunderlich, dass das Thema „Depression“ viel Raum einnahm in der Bühnennummer des Diakons mit Melone, Brille und Clownsnase. Und das war überhaupt nicht zum Lachen, das hatte einen sehr berührenden Tiefgang. Pauels ging und geht offen mit seiner Krankheit um, was ihm offenbar nicht nur Freunde gemacht hat. Für ihn gehe depressiv, fromm und lustig genau so gut zusammen, wie Diakon und Karnevalist gleichzeitig zu sein, wie er erzählte. Dennoch war zu spüren, dass ihn immer wieder einmal angebrachte Kritiken an seinen Beiträgen nicht unberührt gelassen haben. „Politisch unkorrekt“ wegen türkenfeindlicher Witze sei nur eine der Offensiven gewesen. Das bewegte ihn dazu, gleich ein paar Beispiele dieser Witze aus der „verbotenen Ecke“ zu liefern, getreu dem Artikel 11 des Kölschen Grundgesetzes „Do laachste dech kapott“. Viele weitere Witze aus seinem Repertoire gab er zum Besten, einige unter der Gürtellinie, andere über die Westfalen oder über - lieber aber noch Juden, denn den von „Chuzpe“ geprägten jüdischen Witz schätze Pauels sehr. „Ich könnte mich jedes Mal wegschmeißen“, sagte er, und das war zu spüren, nicht zuletzt dadurch sprang der Funke zum Publikum über. Die Witze nutzte er in seiner Nummer aber nur als Bindeglied zwischen den mit nicht wenig erhobenem Zeigefinger verkündeten Lebensweisheiten - ganz Diakon eben. „Es sind nicht die Dinge, die uns unglücklich machen, sondern wie wir die Dinge sehen“, ist eine dieser Weisheiten. Die hat er von dem griechischen Philosophen Epiktet übernommen. Zu den tiefschürfenden Gedanken, die Pauels in dem 90-minütigen Auftritt hörbar machte, gehörte auch, den Witz als stärkste Macht gegen Aggressionen oder die Seele kostbarer als das Universum darzustellen und zu verkünden, Geborgenheit im Letzten gebe Gelassenheit im Vorletzten.
Anders als Pauels las Heri Lehnert seinen Vortrag vom Blatt ab, jeden der meist kurzen Sätze brachte er wie ein Nachrichtensprecher hervor, unbetont und ohne jegliche Regung. Doch die Sätze, die so trocken rüberkamen, hatten es in sich. Viele mussten erst einmal sacken, bis ihr Witz Wirkung zeigte. Der katholische Theologe und Lehrer mokierte sich mit tiefgründiger Kritik über Politik und Politiker, über die FIFA und über die Kirche. Wie viele „Vater Unser“ sind für einen Ehebruch angemessen und warum dürfen Frauen zur Kommunion gehen, aber nicht Priester werden? Mit solchen spitz formulierten Fragen legte der Waldescher Kabarettist den Finger ganz gezielt in die Wunden unserer Gesellschaft. Stefan Waghubinger, österreichischer, in Stuttgart lebender und seit 2010 immer wieder preisgekrönter Kabarettist, widmete sich in seiner frei vorgetragenen Bühnennummer vor allem dem Thema Klimaerwärmung, das die bei Greenpeace aktive Ehefrau zum Lebensinhalt mache, ihm selbst aber in weiten Teilen ziemlich schnuppe sei oder sich zumindest nicht erschließe. Freuen sich die Pinguine da oben denn nicht, wenn es endlich einmal wärmer wird? Und dass Holland bald ganz unter Wasser stehe, könne er auch nicht glauben, ein paar Windmühlen würden sicher noch rausschauen. Zur Not solle man halt einfach alle Blauwale herausfischen, damit der Meeresspiegel wieder sinke. Mit ähnlich schwarzem Humor überzog Waghubinger sein Eheleben und auch die Kirche blieb nicht ganz verschont. In einer kleinen Zulage, die er gewähren konnte wegen des aufgrund eines Trauerfalls in der Familie ausgefallenen Beitrags Wolfgang Treppers, las er ein frisch erdachtes Programm vor, das er am Koblenzer Publikum jetzt einmal ausprobieren wollte. Für das bunte Textgemisch rund ums Deutschtum, ums Verhüllen und Verschließen und um Kaffee mit einem Gullydeckel aus Plastik spendete das Publikum dem sympathischen Künstler ehrlichen Applaus. Zum großen Finale belegte Waghubinger sogar den zweiten Platz bei der Kleinkunstpreisverleihung.
Ein ähnlich unterhaltsames und buntes Kabarettprogramm könnte gut eine feste Institution im Koblenzer Kultur-Karussell werden. Am Gauklerfest-Sonntag wurde das Kirchenkabarett noch um Zauberer Jakob Mathias erweitert; damit bot dann die neue Facette des Gauklerfestes eine rundum gelungene Unterhaltung.
