Eröffnung der Koblenzer Literaturtage
Matinee macht „Lust auf Lyrik“
Im Theater Koblenz standen zum Auftakt des Literaturtage-Programms die Gedichte im Mittelpunkt
Koblenz. Elf Veranstaltungen an neun verschiedenen Orten laden kultur- und literaturbegeisterte Besucher aus Koblenz und der Region zu den 7. Koblenzer Literaturtagen „ganzOhr“ vom 16. bis 28. März ein. Zur Eröffnung fand sich im Großen Haus des Theaters Koblenz mit Michael Krüger, Jürgen Becker und Jan Wagner eine hochkarätige Lyriker-Runde ein, die Lust auf Gedichte machen sollte. Ihre Vorträge umrahmten musikalisch am Klavier Enrico Delamboye mit Franz Schuberts „Impromptu“ sowie mit „Statements zur Lyrik“ die Schauspieler Raphaela Crossey und Jona Mues, beide Ensemble-Mitglieder des Theaters Koblenz.
Theater-Intendant Markus Dietze waren in seiner Begrüßungsrede die Freude und der Stolz anzumerken, drei bedeutende deutsche Lyriker für die Literaturmatinee gewonnen zu haben. „Lyrik steht zu Unrecht hinten an“, betonte er vor den nicht ganz gefüllten Reihen im Großen Haus. „Und das werden wir in der heutigen Veranstaltung, die Michael Krüger für uns zusammengestellt hat, auch hören!“
Den Anfang machte der Kölner Lyriker, Prosaist und Hörspielautor Jürgen Becker, seit über 50 Jahren ein Grundpfeiler der deutschen Lyrik und Träger zahlreicher literarischer Auszeichnungen wie dem Heinrich-Böll-Preis oder Uwe-Johnson-Preis. Becker trug vor aus seinem Gedichtband „Dorfrand mit Tankstelle“ vor, der in den Details des ländlichen Lebens nach Geschichte und Erinnerung gräbt, und anschließend aus dem Gedichtband „Scheunen im Gelände“, der zum 80. Geburtstag des Lyrikers erschien und sich den Themen Landschaft, Reisen und Altern widmet.
Es folgte der Generationensprung nach vorn zu Jan Wagner, Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer aus Berlin und Träger zahlreicher Lyrik- wie Literaturpreise. Lebhaft trug Wagner die mit Ironie und Zynismus gewürzten Gedichte „Störtebeker“ und „historien: Onesilos“ vor, zwei historische Figuren, die ihr Leben kopflos beendeten, schlug das Große Haus mit den feinsinnigen Wortspielen „Versuch über Mücken“ und „Versuch über Seife“ in den Bann und beendete seinen Auftritt mit den Lobversen auf den Stuntman „Evel Knievel“ aus seinem Gedichtband „Australien“ - in dem alles vorkommt, nur nicht Australien.
Den Abschluss der Matinee übernahm Michael Krüger, viele Jahrzehnte als Verlagslektor und Geschäftsführer des Münchner Carl Hanser Verlages ein großer Förderer der Lyrik und nun Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Etwa 20 Bücher und 15 Gedichtbände hat Krüger geschrieben, jüngst veröffentlichte er zu seinem 70. Geburtstag den Gedichtband „Umstellung der Zeit“. Gebildete, unaufgeregte und unangestrengte Gedankengedichte ohne Reim und Schnickschnack sind sein Markenzeichen, so wie an diesem Sonntagmorgen „Porträt eines nahen Menschen“, „Was noch zu tun ist“ oder „Im Wald nach Sonnenuntergang“.
„Lyrik ist die älteste literarische Gattung, aber leider interessieren sich wenige für sie“, resümierte Michael Krüger am Ende der Literaturmatinee, wobei er jedoch durchaus positiv in die Zukunft blickt: „Lyrik wird es aber trotzdem immer geben.“ Eine Meinung, die schon vor Jahren mit der bekannten „Enzensbergerschen Konstante“ empirischen Eingang in die Lyrik-Geschichte gefunden hat: Einer der berühmtesten Lyriker der Gegenwart, Hans Magnus Enzensberger, hatte nachgezählt und bezifferte damals in seinem Essay „Meldungen vom lyrischen Betrieb“ die Leserzahl eines jeden neuen Gedichtbandes auf „plusminus 1354“. Dichten hat also Zukunft.
