Allgemeine Berichte | 25.02.2015

Rückblick auf ein geschichtsträchtiges Datum

Als US-Soldaten 1945 das Dorf besetzten

Die anrückenden Besatzer lösten Ängste aus oder eine Befreiung von den Nazis

Bis zum Kriegsende hieß der Kreuzungsbereich an „Mays Eck“ Adolf-Hitler-Platz, wie die Postkarte aus dieser Zeit ausweist. Privat

Kottenheim. Wenn man den vom kürzlich verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker benutzten Begriff der „Befreiung“ vom Naziregime aus seiner viel beachteten Rede vom 8. Mai 1985 gleichfalls hier verwenden will, dann muss man aber festhalten, dass sich in der Regel eine Befreiung, wie zum Beispiel eine aus Geiselnahme oder einer Gefangenschaft, sicher anders gestaltet und abläuft, als dies hier der Fall war: Umarmungen, Tränen in den Augen der Befreiten, angemessene Feierstimmung; doch hier: Häuserbesetzung, Ausgehverbot für die Bewohner des Ortes, Internierung von Personen. Sicherlich konnte sich die Kottenheimer Bevölkerung in diesen ersten Tagen der Besetzung weder generell vom Regimes, noch im Besonderen von seinen 545 eigenen NSDAP-Mitgliedern im Dorf oder gar von den Besatzern befreit fühlen. Einige Tage vor den erwarteten anrückenden Amerikanern wurden im Ort einige Wehrmachtsverpflegungs-Lager (Jugendheim, Saal der Gaststätte „Zum Mühlstein“) freigegeben und von der Bevölkerung regelrecht geplündert. All diese gehorteten Lebensmittel und Genussmittel ganz ohne Lebensmittelkarten zu erlangen, großartig! Die durch die Eifel langsam vorrückenden Alliierten kamen laut Schulchronik am 7. März 1945 (eine Hausfrau hielt in ihrem Tagebuch den 8. März fest) in unser Dorf. Ihr Vorgehen war eindeutig ein vorsichtig operierendes, kriegerisches Besetzen.

„Fieseler Storch“

Laut eines Zeitzeugen überflog zunächst ein Aufklärungsflugzeug, ein so genannter „Fieseler Storch“, den Ortsbereich. Als wohl die Aufklärer keine feindlichen Regungen feststellen konnten, folgte eine halbe Stunde später ein Jeep, der vorsichtig Straße für Straße abfuhr, erst dann kamen die vorher auf der Straße nach Mayen abwartend haltenden Panzerbesatzungen.

Die Dorfbewohner hatten zuvor weiße Fahnen und Tücher an die Häuser gehangen. Doch wollten zuvor einige Fanatiker, die die aussichtslose Lage noch nicht begriffen hatten, in der Hausener Straße eine Panzersperre errichten, was zum Glück unterblieben war. Der die Schulchronik schreibende Lehrer und NS-Ortsgruppenleiter Weppelmann hielt im Verhältnis zur früheren Niederlegungen sehr moderat und lapidar darin fest: „…Am 7. März 1945 kamen die Amerikaner nach Kottenheim und belegten die Schulsäle und die Lehrerwohnungen. Letztere wurden nach vierzehn Tagen freigegeben, die Schulsäle von belgischen Truppen übernommen.“ Auch einige Kottenheimer Bürger, meist NSDAP-Mitglieder, mussten ihre Häuser für die amerikanischen Soldaten räumen. Der damals 16-jährige Sohn einer betroffenen Familie, den sein Vater wegen der sich der Stadt Mayen nähernden Amerikaner nicht mehr zur Wehrmacht einziehen lassen wollte, sondern ihn desertierend in einem Steinbruch versteckte, hielt im Tagebuch fest: „…Die ersten Amerikaner - also die kämpfende Truppe - waren sehr raubeinig und warfen uns sofort aus dem Haus. (…) Bereits nach einer Woche konnten wir ins Haus zurück. Vom Wein waren nur die leeren Flaschen, aber ansonsten jede Menge Zigaretten, Verpflegungspäckchen und Soldatenwäsche, Hosen und Jacken übrig, beziehungsweise liegen geblieben.“ In einem von einer Frau geführten Tagebuch wurde die erste Begegnung mit den Besatzern wie folgt festgehalten: „…Ohne einen Schuss abzugeben, ist ein Panzerspähwaren durchs Dorf gefahren. (…) Nach dem Essen kamen dann die ersten Feindtruppen; es ist einem doch bang ums Herz, so sie vor einem stehen.“

Ausgehsperre war einschneidende Maßnahme

Als sehr einschneidende Maßnahme empfand die Dorfbevölkerung natürlich die umgehend verhangene Ausgehsperre. Anfangs durfte sich nur von 8 bis 10 Uhr sowie von 14 bis 16 Uhr im Dorf bewegt werden; eine Woche später wurde eine gelockerte Ausgehzeit von 6 bis 16 Uhr vorgegeben. „…Der nächste Schub Amerikaner waren die eigentlichen Besatzer, freundlich und meist hilfreich, wo es auch immer ging“, hielt der vorerwähnte Sechzehnjährige fest. Dies war auch vermutlich die Einheit mit dem Auftrag, das öffentliche Leben im Dorf in neue Bahnen zu lenken. So wurde am 21. März der bisherige Ortsvorsteher Franz Xaver Pickel von seinem Amt enthoben. Um die Einsetzung eines provisorischen Nachfolgers rankt sich eine amüsante Anekdote: Der 37-jährige Franz Schmitt, im Dorf „Buburch Franz“ (vom Familiennamen Beauboir abgeleitet) wurde wohl um diesen 21. März herum abends von zwei amerikanischen Soldaten zu Hause aufgesucht und regelrecht abgeführt. Die Familie machte sich verständlicherweise große Sorgen. Spät am Abend kehrte der vermeintlich Verhaftete in leicht angetrunkenem Zustand zurück zur wartenden Familie und berichtete dieser, dass er vom amerikanischen Kommandanten als der neue Ortsvorsteher von Kottenheim ernannt und bewirtet worden sei.

Auf seine Frage, wie er zu dieser „Ehre“ käme, erwiderte ihm der Captain, dass er sich mit dem hiesigen Pastor Kops unterhalten und diesen nach einer dafür geeigneten Person befragt habe. Der Pastor habe geäußert: „Spontan falle ihm nur Franz Schmitt ein. Der sei zwar ein Sozialdemokrat, aber als andere während der zurückliegenden Jahre nicht mehr an der Fronleichnamsprozession teilnahmen, sei Schmitt immer noch dabei gewesen.“ Franz Schmitt war in der Folge - auch unter den nachrückenden Franzosen als Besatzer - zwei Jahre lang Ortsvorsteher, ehe dann im September 1946 erste Kommunalwahlen stattfanden und fortan Albert Hilger diese Funktion wahrnahm. Der 7. März 1945 war auch der Tag, an dem sich in Koblenz deutsche Einheiten auf die rechte Rheinseite zurückzogen und alle Koblenzer Brücken sprengten. In der bereits zitierten Kottenheimer Schulchronik hielt der Schreiber erkenntnisreich fest: „…Entschieden war er (der Krieg, der Verf.) für Deutschland und seine Gegner schon lange. Alles, was die deutschen Führer im rechtsrheinischen Raum noch unternahmen, war nichts als der verzweifelte Versuch, die sichere Katastrophe hinauszuzögern.“

Wirklich befreit?

Nochmals sei hinterfragt, ob sich die heimische Bevölkerung letztlich als befreit fühlen konnte? Überall, sicherlich in Städten gravierender als im ländlichen Raum, herrschte Lebensmittelknappheit und infolge dessen eine Mangelernährung. Eine Tauschwirtschaft und das Hamstern hatten Hochkonjunktur. Dazu kam ein gewisser Frust mit der Feststellung, dass viele, die in den vergangenen zwölf Jahren im Ort das Sagen hatten, meist unbehelligt blieben und der ein oder andere sehr bald auch wieder im Dorf mitmischte. Scheinbar darüber irritiert vermerkte vorerwähnte Hausfrau in ihrem Tagebuch, dass „Philipp O.“, der federführend vordem für ein „judenfreies Kottenheim“ gesorgt und markige NSDAP-Vorträge bei etlichen Versammlungen über die Jahre gehalten hatte, „nun regelmäßig in Gottesdiensten kommunizieren ging.“ Hinzu kam die Trauer um die vielen gefallenen und vermissten sowie noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Soldaten; fast jede Familie im Dorf war betroffen und man sah infolgedessen für die Zukunft nicht gerade rosige Zeiten anbrechen. Auch die den Amerikanern folgenden französischen Besatzer verschärften zunächst die Lage unter anderem mit erneuten Häuserräumungen beziehungsweise -besetzungen. Doch bei allen diesen Erschwernissen, Einschränkungen und dem Leid dürfte bei der Bevölkerung im Ort mit dem entstandenen zeitlichen Abstand schon das Gefühl einer erfolgten Befreiung, ein Hinter-sich-lassen des leidigen Nazi-Regime aufgekommen sein.

Franz G. Bell

Bis zum Kriegsende hieß der Kreuzungsbereich an „Mays Eck“ Adolf-Hitler-Platz, wie die Postkarte aus dieser Zeit ausweist. Foto: Privat

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