Interview mit Jan Ermtraud, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Hönningen

Amtsantritt in besonderen Zeiten

Amtsantritt in besonderen Zeiten

Jan Ermtraud ist seit Januar Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bad Hönningen. Foto: dietmarwalter|photography

Bad Hönningen. Mit Jan Ermtraud zog Anfang des Jahres ein neuer Bürgermeister in das Rathaus der Verbandsgemeinde Bad Hönningen. Der Rheinbrohler, der als parteiloser Kandidat mit Unterstützung der CDU und der FDP ins Rennen um das höchste Amt der VG ging, musste nicht nur einen besonderen Wahlkampf bestreiten.

Die Corona-Pandemie gestaltet den Alltag des Bürgermeisters immer noch bis ins kleinste Detail. Über vier Monate sind seit Ermtrauds Amtseinführung vergangen – ein guter Zeitpunkt für einen ersten, kleinen Rückblick auf die bisherige Zeit im Chefsessel. BLICK aktuell sprach mit Ermtraud über seinen Start ins Amt, aktuelle Herausforderungen und kommende Projekte.

BLICK aktuell: Herr Ermtraud, wie geht es Ihnen?

Jan Ermtraud: Mir geht es gut! Natürlich hoffe ich auf bessere Zeiten. Aber durch die Corona-Pandemie kommen wir nur gemeinsam durch.

BLICK aktuell: Vor ihrer Zeit als Bürgermeister waren Sie bei einer Krankenkasse in leitender Position beschäftigt. Ist Ihnen der Jobwechsel leichtgefallen?

Ermtraud: Ich wurde im Rathaus sehr gut aufgenommen. Auch beim Einstieg zeigt sich natürlich die aktuelle Pandemie. Für mich war es sehr wichtig, das Personal der Verwaltung kennenzulernen und ganz offen mit der Frage umzugehen: Drückt irgendwo der Schuh? Wir haben hier sehr gutes und kompetentes Personal mit hervorragenden Ideen. Ich betrachte den Wechsel generell als Chance für alle und bin für Veränderungvorschläge jederzeit offen.

Das „Kennenlernen“ der Menschen findet in der jetzigen Zeit etwas anders als üblich statt. Gerne hätte ich zur Begrüßung meinen Mitarbeitern die Hand geschüttelt. Das fällt natürlich aus. Aber man kann auch auf andere Weise einen persönlichen Kontakt herstellen und der ist einfach wichtig.

Auch in einem anderen Bezug ist das Persönliche wichtig. Ich kenne viele Menschen in der Verwaltung, aber „kennen“ und „kennen“ ist ein Unterschied. Manche MitarbeiterInnen kenne ich nur vom Sehen oder flüchtig. Das würde ich gerne ändern und die Menschen und ihre Sorgen wirklich erfahren. Mein Motto lautet „Von hier, für hier“. Dazu gehört es auch für mich als Bürgermeister ein Bindeglied zwischen BürgerInnen und Verwaltung zu sein. Schade ist, dass im Moment die Bürgersprechstunden ausfallen. Aber auch die werden wiederkommen.

Dank an Mitarbeiterund Ehrenamtler

BLICK aktuell: Was waren die größten Herausforderungen in den ersten Tagen und Wochen im Amt?

Ermtraud: Am dritten Tag nach meinem Amtseintritt hatten wir den ersten Corona-Fall und das in einem Kindergarten. Hier galt es, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das ist uns dank unserer Mitarbeiter gelungen, die für ihre Gebiete allesamt Experten sind.

Auch hier war der fehlende Kontakt eine massive Herausforderung. Die Bürgermeisterkollegen habe ich seit Monaten nicht persönlich kennenlernen können. Videokonferenzen sind nützlich, ersetzen aber keinesfalls die persönlichen Gespräche. Dies gilt auch für die Unternehmen und Vereine innerhalb der VG. Dies möchte ich schnellstmöglich nachholen.

Auf die diesjährigen Änderungen der Corona-Pandemie konnten wir gut reagieren. Hier gilt mein Dank den Ehrenamtlern in den Schnelltestzentren. 158 freiwillige Helfer haben sich gemeldet. Seit dem 22. März konnten wir über 3000 Testungen durchgeführt. Das macht unseren Alltag sicherer und deshalb haben sich die Ehrenamtler ein ganz dickes Lob verdient. Jetzt gilt es aber auch nach vorne zu blicken und „Post-Corona-Konzepte“ zu entwickeln. Konkret geht es hier um die Durchführung von Festen. Ein weiteres wichtiges Thema sind die Kitaplätze. Noch fehlen die Plätze in den Kindergärten. Und in wenigen Jahren fehlen die Grundschulplätze. Die Situation hat sich ganz anders entwickelt als es die Gesellschaftsforscher prognostiziert haben. Statt zu wenig Kinder, haben wir jetzt zu wenig Plätze.

Einzelhandel

soll belebt werden

BLICK aktuell: Wie ist die Lage beim Einzelhandel in der VG Bad Hönningen?

Ermtraud: Über coronabedingte Insolvenzen liegen uns bisher keine Rückmeldungen vor. Das ist auch gut so, dennoch könnte es gut sein, dass diese noch folgen. Auch wenn es um den Einzelhandel geht, versuchen wir als Vermittler zu agieren. Unsere Wirtschaftsförderung hilft z.B. mit, wenn es um den Bezug von Corona-Hilfen geht. Zukünftig möchten wir den Einzelhandel auch online beleben. Gemeinsam mit den Kreisen Altenkirchen und dem Westerwaldkreis unterstützt der Kreis Neuwied eine Online-Plattform, auf der die Einzelhändler aus diesen Regionen ihre Produkte anbieten können.

BLICK aktuell: Neben dem Einzelhandel leidet besonders die Gastronomie unter der Pandemie. Wie ist ist um die Gastroszene in Bad Hönningen und Umgebung bestellt?

Ermtraud: Die Hoffnung auf baldige Wiedereröffnung ist da und es wird positiv in die Zukunft geblickt. Insolvenzen sind mit nicht bekannt, dafür aber zwei Neueröffnungen von Restaurants während der Coronazeit. Noch beschränken sich die neuen Betriebe rein auf den Abhol- und Lieferbetrieb von Speisen, warten jetzt aber darauf mit dem Normalbetrieb loszulegen.

BLICK aktuell: Der Individualverkehr mit dem eigenen PKW verliert an Bedeutung, immer mehr Menschen nutzen alternative Mobilitätsformen. Wie ist die ÖPNV-Lage in der Verbandsgemeinde?

Ermtraud: Hier muss man ein wenig differenzieren. Gerade am Rhein ist die Situation besser, das liegt vor allem an der Bahnanbindung. Reisende sind schnell in Köln und Koblenz, das ist ein echter Standortvorteil. Im Hinterland wird der ÖPNV nur durch den Bus ermöglicht. Dort ist die Lage schwieriger. Um beispielsweise zum Impfzentrum nach Oberhonnefeld zu gelangen, fährt man Stunden mit dem Bus und muss beim Umsteigen ggf. Wartezeiten in Kauf nehmen. Für diesen konkreten Fall haben wir unseren Bürgerfahrdienst umfunktioniert. Ehrenamtliche Mitarbeiter fahren die BürgerInnen direkt zum Impfzentrum. Das ist eine tolle Initiative. Aber an den ÖPNV zu den Orten, die nicht am Rhein liegen, müssen wir rangehen.

Um eine neue Form des Personennahverkehrs umzusetzen, müssen wir zukünftig neu denken und auch über den Rhein hinweg. Fähren und Wassertaxis sind ein großes Thema und eben auch die Buslinien. Es ist unser konkretes Ziel, die verschiedenen Mobilitätsformen mit nur einem Ticket nutzen zu können. Bei touristischen Angeboten klappt das schließlich auch, also warum nicht auch im Alltag?

BLICK aktuell: Kommen wir zum Thema Infrastruktur: Lahmes Internet und kaputte Straßen sind ein Ärgernis. Was wird in der Verbandsgemeinde gegen diese Baustellen unternommen?

Ermtraud: Eine schnelle Internetverbindung ist wichtig für die BürgerInnen und Unternehmen. Deshalb haben wir das „Graue Flecken“-Programm ins Leben gerufen, das aufzeigen soll, wo nur eine unzureichende Verbindung besteht. Anschließend müssen wir uns mit der Telekom an einen Tisch setzen, um diese Flecken auszumerzen. Dort braucht es dann eine vernünftige Internetanbindung mit Glasfaser. Auch das Rathaus wird gerade im Rahmen einer Modernisierung in Sachen Internet fit gemacht. Es kann nicht sein, dass bei Videokonferenzen das Bild ausgeschaltet werden muss, damit die Verbindung nicht abbricht. Da stellt sich für mich nicht die Frage: Muss dies gemacht werden? Das muss einfach gemacht werden. Eine Alternative haben wir nicht. Weitere Maßnahmen zur Sanierung des Rathauses müssen ebenfalls dringend geprüft werden.

Zum Thema Straßen: Mit der B42 vor der Haustür sind wir in einer guten Lage. Beim Zustand der Landesstraßen gibt es natürlich Reparaturbedarf. Hier müssen wir uns dringend mit dem Landesbetrieb Mobilität in Verbindung setzen, die für die Unterhaltung dieser Straßen zuständig sind.

BLICK aktuell: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Projekte möchten Sie angehen?

Ermtraud: Trotz der aktuellen pandemischen Lage, sind einige Projekte vorangebracht worden. Ein großer Meilenstein in naher Zukunft wird der Spatenstich für den Neubau der Kindertagesstätte in Rheinbrohl sein. Wie bereits erwähnt, werden wir auch bei den Grundschulen einen Mehrbedarf haben. Bereits jetzt ist klar, im neuen Schuljahr haben wir deutlich mehr Zugänge unter den Grundschülern als Abgänge. Daher haben wir bereits mit den Planungen zur Erweiterung der Grundschulen in Bad Hönningen und Leutesdorf begonnen.

Die Sicherstellung der Daseinsvorsorge in unserer Verbandsgemeinde liegt mir sehr am Herzen. Deshalb freue ich mich auch über die jüngste Beschlussfassung in der Ortsgemeinde Rheinbrohl, das Gewerbegebiet zu erweitern und so die seit 2019 bestehende Versorgungslücke in der Nahversorgung wieder zu schließen.

Das Interview führte

Daniel Robbel