Leserbrief zum Artikel „Rüddel fordert wolfsfreien Kreis Neuwied“

Problemlösung durchIntelligenz statt Polemik

Die Pressemitteilung vom CDU-Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel zu Wolfsvorkommen in Rheinland-Pfalz gehört vom Gedankengut her ins Mittelalter. Wölfe sind so scheu, dass man keinen zu Gesicht bekommt, selbst wenn man will. Von zerfleischten Joggern und Wanderern kann also keine Rede sein. Der Wolf gehört zur Schöpfung und darf nicht, wie Herr Rüddel empfiehlt, beseitigt werden.

Weidetierhaltung ist von der Natur nicht vorgesehen und birgt deshalb bei der Anwesenheit von Raubtieren Konfliktpotential. Dem muss mit intelligenten Lösungen begegnet werden. In vielen Ländern leben Menschen, Wölfe und Weidetiere seit jeher zusammen. Es funktioniert also, man muss nur wollen und die dort gesammelten Erfahrungen und Strategien an unser Land anpassen. Aber viele Menschen lieben nun mal einfache Lösungen, möchten gerne am Gestern festhalten und scheuen Veränderungen.

Unbestritten sollten Nutztiere so weit wie möglich geschützt werden. Fachliche Beratung, finanzielle Unterstützung in der Anfangsphase der Umstellung und Ersatz bei Verlust sind unabdingbar und werden ja auch geleistet. Aber natürlich hat jeder Tierbesitzer auch seine Sorgfaltspflicht zu erfüllen und muss sich der neuen Situation stellen. Natürlich ruft ein gerissenes Weidetier Emotionen hervor. Auch mir tun die Tiere leid. Das ist eine völlig normale Reaktion und liegt vor allem daran, dass wir Raubtierrisse überhaupt nicht mehr gewöhnt sind. Unsere eigenen „Risse“ werden ja anonym im Schlachthof erledigt und liegen portioniert im Kühlregal. Wir müssen dafür nicht mehr töten, wir lassen töten und sind deshalb von diesem Prozess völlig abgekoppelt. Und wer glaubt, der Schlachttransport, das Reintreiben in den Schlachthof und die oft unzureichende Betäubung seien für ein Nutztier angenehmer als die kurze Hatz und das sekundenschnelle Töten durch einen Wolf, der ist schlichtweg realitätsfremd.

Angesichts 60 Milliarden weltweit pro Jahr geschlachteter Nutztiere für die menschliche Ernährung, rund 800 Millionen davon alleine in Deutschland mit den bekannten weitreichenden Folgen, sollten wir Menschen von der Heuchelei, dem Wolf seine tägliche Nahrung zu verweigern, Abstand nehmen. Nutztiere inklusiv Damwild werden auch von uns nicht zum Kuscheln gehalten.

Dr. Jutta Etscheidt

Tierärztin

Neuwied-Heddesdorf