Fußballhistorie im Fußballverband Rheinland

1:6 verloren, aber besser als der FC Bayern

1:6 verloren, aber besser als der FC Bayern

Mannschaftsfoto vor dem Duell beim FC Schalke 04. Im Hintergrund die markante Tribüne der Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn. Fotos: Rolf Kahler

1:6 verloren, aber besser als der FC Bayern

Rolf Kahler, hier im Rheinlandpokalendspiel 1983, ist der erfolgreichste Torschütze der SG Ellingen im DFB-Pokal.

1:6 verloren, aber besser als der FC Bayern

Bei Namen von geschichtsträchtigen Fußballteams im Rheinland fallen in den Aufzählungen immer zuerst die Namen TuS Neuendorf, Eintracht Trier oder auch der FSV Salmrohr. Allerdings gibt es auch noch weitere Clubs, die Verbandsgeschichte geschrieben haben. Unter anderem auch die SG Ellingen/Bonefeld/Wilroth. Ein Verein aus dem vorderen Westerwald, dem 1970 erstmals der Sprung in die oberen Ligen des Verbandsgebietes gelungen war. Damals allerdings noch als eigenständiger SV Ellingen. Aber auch mit einem Rekordergebnis. Ganze fünf Punkte gaben sie in der Kreisliga A Westerwald/Wied in dieser Spielzeit ab. Erst ein Jahr später erfolgte dann die Gründung der Spielgemeinschaft mit dem TuS Bonefeld. Zu der gesellte sich 1978 noch der FC Wilroth. Und gleich in ihrer ersten Saison schrieben die Kombinierten Fußballgeschichte für die Ewigkeit. Denn diese SG ist die erste und somit auch die einzige Spielgemeinschaft, die jemals in der Amateurliga Südwest auf Punktejagd gehen durfte. Heute sind Spielgemeinschaften in dieser Spielklasse nicht mehr zugelassen. Genauso wenig wie Aschenplätze. Für die damals von Joachim Fickert betreute Mannschaft war dieser Aschenplatz sogar ein Vorteil. Denn das Sportgelände in Straßenhaus war gefürchtet. Teilweise umsäumten vierstellige Besucherzahlen den engen Fußballplatz, wenn die Konkurrenz aus dem Saarland oder dem Südwesten anreisten. Röchling Völklingen, Borussia Neunkirchen, Mainz 05, der FK Pirmasens oder auch die TuS Neuendorf sorgten für vollen Kassen. Letztere verloren regelmäßig - zumindest in der Oberliga. Aber auch die Rot-Weißen aus der Landeshauptstadt Mainz blieben bis heute sieglos im vorderen Westerwald.

Ein Erfolg, der viele Gesichter hatte. Wie zum Beispiel Rolf Kahler, der für die Ellinger als DFB-Pokal Rekordtorschütze geführt wird. Oder Jan-Volker Ließfeld, der als Spieler mit 480 Einsatzminuten die längste Einsatzzeit vorzuweisen hat und darüber hinaus in diesem Wettbewerb sowohl als Spieler als auch als Trainer geführt wird.

Eine große Familie

Des Weiteren die Gebrüder Liesenfeld. Mit Hubert, Heinz und Bernd standen gleich drei Familienmitglieder auf dem Platz und sorgten so nebenbei, mit ihren Treffern, für das Weiterkommen. Und auch die Familie Neudecker aus Neuwied-Irlich. Der ältere Bruder, Michael, sorgte schon über viele Jahre hinweg sowohl in der Oberliga als auch im Pokal und in der Verbandsauswahl für die notwendige Stabilität in der Defensive. Später war es Bruder Martin, der mit seinen Auftritten im Verbandspokal überhaupt die Hauptrundenteilnahme ermöglichte. So erinnern sich beide gerne an ihre aktive Zeit im Westerwald: „Eine große Familie. Diese Beschreibung auf die SG passte wirklich. Das Team war harmonisch gewachsen und konnte insbesondere durch den Teamgeist solche Erfolge feiern“, umschreiben beide übereinstimmend ihre unvergesslichen Jahre bei den Westerwäldern. Die zeigte sich auch beim 60. Geburtstag von Hubert Liesenfeld im Jahr 2019. Zu seinem 60 Geburtstag organisierte er in Absprache mit dem SSV Boppard, dem SSV Urbar und den ehemaligen Spielern der SG Ellingen/Bonefeld ein Freundschaftsspiel, wo auch Klaus Fischer (u.a. auch Jahrhunderttorschütze des FC Schalke 04), als Ehemaliger Mitwirkender im damaligen Pokalduell, auch seine Teilnahme zusagte. So trafen sich die beiden Kontrahenten nach 43 Jahren wieder einmal auf dem Platz. Klaus Fischer, so war es zwischen Hubert Liesenfeld und ihm abgesprochen, sollte unter anderem auch noch einen seiner legendären Fallrückzieher vorführen, was aber nicht gelang. „Klaus kam nach dem Spiel zu mir und gab schmunzelnd zu, dass er insgesamt froh wäre, dass er unverletzt geblieben sei und deshalb auf die Akrobatik verzichtet habe“.

Große Namen pflastern auch den Weg der Ellinger in der DFB-Pokalgeschichte. Wie zum Beispiel 1976. Der FC Schalke 04 war der SG zugelost worden. „Wir erfuhren auf der Heimfahrt aus Trier von unserem Glück“, erzählt Rolf Kahler in seinem Rückblick. Der Bus wackelte, trotz unserer 1:3 Niederlage beim VfL, bedenklich“, erinnerte sich der damalige Goalgetter. Zu diesem Zeitpunkt waren die Knappen immerhin noch, hinter dem 1.FC Nürnberg (9 Titel), der Verein, der die meisten Meistertitel in Deutschland eingefahren hatte. Und damals gehörten die Westfalen auch noch zu den ersten Adressen in Deutschland. Klaus Fichtel, Rolf Rüßmann, Hannes Bongartz, Rüdiger Abramczik oder auch Klaus Fischer standen auf dem Platz. Dazu kamen mit Enver Maric im Tor oder Mittelfeldakteur Branko Oblak noch zwei „Gastarbeiter“, die 1974 für die Jugoslawische Elf während der WM zu Länderspielehren, u.a. auch gegen die deutsche Nationalmannschaft, zum Einsatz kamen. Gespielt wurde seinerzeit in der altehrwürdigen Glückauf-Kampfbahn. Entgegen der Auslosung verkaufte Ellingen das Heimrecht, weil u.a. auch in der Region kein nutzbares Stadion zu diesem Termin frei war. So siegte der Bundesligist glatt mit 6:1 vor immerhin 12.000 Zuschauern. Für den damaligen Rheinlandligisten allerdings war dieses Ergebnis nur zweitrangig. Statistisch gesehen war dies bereits der zweite Auftritt der SG im großen Pokalwettbewerb der Saison. Bereits zum Auftakt der Runde 1976/77 musste die SG Ellingen reisen. Übrigens auch hier nach Westfalen. In der Kampfbahn Schwansbell gelang ein 1:0-Erfolg beim SV Lünen. Werner Simon hieß der Held des Tages der in der Verlängerung den Siegtreffer markiert hatte und somit für die Ellinger das Tor zur zweiten Runde geöffnet hatte. Der Angreifer war gerade einmal 60 Sekunden auf dem Platz und traf, nach Vorarbeit von Hans-Gerd Schneider mit seiner ersten Ballberührung ins Schwarze. Simon war für Heinz Siebenmorgen auf den Platz gekommen. „Auch so eine der vielen Pokalanekdoten „Trainer Achim Fickert unserem Spieler aufgetragen, den Offensivdrang der Lüner Nr.4 zu bremsen. Anscheinend war Fickert wohl über eine Aktion so erbost, dass er Heinz nach nur drei Minuten wieder vom Platz nahm. Ein Glücksgriff, wie sich 60 Sekunden später herausstellte. Auch Werner Simon erinnert sich: „Beide Teams waren platt. Ein warmer Sommertag und eine umkämpfte Partie hatten die Mannschaften gefordert. Ich kam frisch dazu und hatte eben Glück, dass ich im richtigen Moment am richtigen Platz stand“, gibt sich der Schütze des goldenen Treffers auch heute noch zurückhaltend.

Keine Angst vor großen Namen

Aber es sollte nicht die einzige Teilnahme in diesem lukrativen Wettbewerb in der Ellinger Vereinsgeschichte bleiben. Es folgten noch vier weitere Auftritte. Unter anderem eben auch weil in dieser Zeit nicht nur dem Verbandspokalsieger die Teilnahme zugestanden wurde, sondern teilweise auch den Halbfinalisten. So wie auch 1978. Im Rheinlandpokal war im Semifinale in Wirges Endstadion gewesen. Und trotzdem konnte sich der Oberligist auf ein weiteres DFB-Pokalspiel freuen. Mit dem VfB Lübeck kam ein Traditionsverein aus dem Norden der Republik zu Besuch. Dass man im Westerwald beim vierten DFB-Auftritt keine Angst vor großen Namen hatte, bewies der Underdog eindrucksvoll. Heinz und Hubert Liesenfeld schossen innerhalb einer halben Stunde drei Treffer und sorgten somit für den zweiten Zweitrundenauftritt der Mannschaft. Leider nur vor 800 Zuschauern. Ein Jahr zuvor hatte man noch 4.000 Fans zu Gast, als die Mannschaft von Joachim Fickert als amtierender Rheinlandpokalsieger (2:1 Finalsieg gegen Eisbachtal) einen Bundesligisten in der Deichstadt begrüßen konnte.

FC Sankt Pauli

gegen Werder Bremen

Der FC Sankt Pauli Hamburg debütierte seinerzeit in Liga eins und reiste vor seinem Premierenauftritt gegen Werder Bremen (3:1) nach Neuwied. Dort wurde ebenfalls im Professor-Hueppe-Stadion gespielt. Die SG blieb allerdings chancenlos und lag nach einer knappen Stunde mit 0:4 im Hintertreffen. Zumindest kam Ellingen in der Schlussphase zum Ehrentreffer. Wie schon in Schalke sorgte Rolf Kahler für die Ergebniskosmetik. „Trotz allem ein achtbares Ergebnis. Schalke hatte eine Woche zuvor die Bayern im Olympiastadion mit 7:1 abgefiedelt. So erwartete die Fachwelt gegen uns ein Torfestival. Nach knapp 70 Minuten stand es aber nur 3:0. Danach verließen uns ein wenig die Kräfte. Für uns als kleiner Club war das Ganze, trotz der Niederlage ein tolles Erlebnis“, so Rolf Kahler in seinem Rückblick.

Fünf Jahre später sicherte sich Kahler auch seinen Eintrag für die Ewigkeit in den Geschichtsbüchern der Ellinger. Denn 1983, im bisher letzten DFB-Pokalauftritt traf der Stürmer der Schwarz/Weißen noch ein drittes Mal im DFB-Pokalwettbewerb für Ellingen. Diese hatten, mittlerweile wieder als Rheinlandligist, im Sommer 1983, mit einem Erfolg im Elfmeterschießen den FSV Salmrohr (Oberliga) geschlagen und zum zweiten Mal den Verbandspokal gewonnen. Somit wurde die „Lahrer Herrlichkeit“ Schauplatz des letzten DFB-Pokalauftrittes der SG. Zum Abschluss kam noch einmal ein Traditionsclub der Deutschen Fußballgeschichte zu Besuch. Im Jahr 1912 hatte Holstein Kiel den Meistertitel errungen. Doch jetzt, rund 70 Jahre später, waren die Norddeutschen bis in die Dritte Liga (Oberliga) abgerutscht. Trotzdem fanden gut 1.300 Zuschauer nach Oberlahr. Auch wenn das Ergebnis am Ende nicht positiv ausfiel, sollten die Besucher ihr Kommen nicht bereuen. Eine 2:0-Führung der Gastgeber, ein gehaltener Foulelfmeter von Heinz Schmitz (SG) gegen Axel Möller (Kiel), ein unberechtigter Platzverweis von Heinz-Jürgen Kramer (SGE) und in der letzten halben Stunde eine erfolgreiche Aufholjagd der Störche beendeten letztendlich die 2. Rundenträume der Platzherren. Möller hatte, zwei Minuten vor dem Spielende, zum dritten Treffer getroffen und somit die Ellinger DFB-Pokalgeschichte, zumindest vorerst beendet. In der Vereinsstatistik steht übrigens noch ein weiteres Pokalduell gegen einen Bundesligisten. Im Stadion an der Hamburger Straße wartete am 23. September 1979 Eintracht Braunschweig. Ellingen verkaufte sich gut und die meisten der 2.500 Zuschauer pfiffen nach den 90. Minuten die Lunge aus der Seele. Dabei hatten vor dem Spiel die Eintracht Fans noch beste Laune. „Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung schallte es, nachdem Bernhard, Heinz und meine Wenigkeit vorgestellt worden war nach jedem weiteren Ellinger Vornamen ein langgezogenes Liesenfeld durch das weite Rund“, erzählt Hubert Liesenfeld noch heute lachend. Mit den knappsten aller Ergebnisse schafften es die Norddeutschen, die immerhin sechs Wochen zuvor noch den Intertoto Pokal gewonnen hatten, in die dritte Runde. Im Westerwald war man trotz der knappen Niederlage zufrieden. Ein 0:1 war ein ehrenwertes Ergebnis. Immerhin hatte sechs Wochen zuvor auch Double Sieger von 1978, der 1.FC Köln, mit dem gleichen Ergebnis die Segel gestrichen.

Was bleibt, sind die Erinnerungen an bemerkenswerte Auftritte eines kleinen Vereins aus dem Westerwald, der mit gezielter Jugendarbeit sich in den Fokus des deutschen Fußballs gespielt hatte und somit in der gesamten Region Sympathien gewonnen hatte.

Thomas Hardt