Die ältesten Teilnehmer bei der 70. DSM

Bad Neuenahr. Viele Teilnehmer waren es nicht, die Klubchef Rudolf Peschel einst zur Premiere September 1954 zu den in der Kurstadt begrüßen konnte: 54 Teilnehmer der Altersklassen Männer 45+ und Frauen 40+. Heute schreiben die 70. Deutschen Tennismeisterschaften ganz andere Zahlen: Nach der ersten Turnierwoche werden noch Hunderte hochklassige und überaus spannenden Match auf roter Asche im Kaiser-Wilhelm- und im Lenné-Park in Bad Neuenahr bis zum kommenden Finalsonntag, 3. August, zu spielen sein. Denn mehr als 580 Tennissenioren wetteifern in 46 Konkurrenzen in Bad Neuenahr um Punkte und die Krone. Mittlerweile sind bei den Deutschen Meisterschaften der Senioren, auch jede Menge Sandplatz-, Europa- und Weltranglistenspieler und Weltmeister mit von der Partie. Neu dagegen ist bei der 70. DSM in Bad Neuenahr die Konkurrenz Herren Altersklasse 90. „Mit fünf Meldungen war die Gruppe sensationell besetzt“, meint Turnierdirektorin Annette Bartsch voller Hochachtung. Mit dabei war auch der bereits 91-jährige Weltmeistert Herbert Althaus aus München. Er durfte sich bereits x-mal über deutsche Meistertitel freuen. Hermann Kötting aus Siegen ist derweil der älteste Turnierteilnehmer der gesamten DSM.
Auch der 94-Jährige trat in der neu eingeführten Altersklasse an – und das nicht zum ersten Mal in Bad Neuenahr: Bereits zum fünften Mal nahm Kötting an den Meisterschaften teil. Nur diesmal hielt sich sein Erfolg in überschaubaren Grenzen – sei’s drum, Spaß hat’s ihm allemal gemacht, sind sich alle Beobachter des Turniergeschehens einig. Mit 89 Jahren ist Edith Tolle vom Farmsener TV aus Hamburg die älteste Dame im Turnierteilnehmerin der DSM. Sie steht in der Damen 85 auf dem Platz und begann ihre Tennislaufbahn bereits 1949. Viele Jahre war sie fester Bestandteil einer Mannschaft in Hamburg – und ihre Leidenschaft für den Sport ist bis heute ungebrochen. In Bad Neuenahr wird sie von ihrem Sohn begleitet, der selbst ein hochklassiger Spieler ist. „Normalerweise ist es ja so, dass Eltern ihre Kinder anmelden. Bei der Anmeldung von Edith Tolle zur DSM war’s anders“, schmunzelte Turnierdirektorin Annette Bartsch. „Da klingelt eines Tages im Büro des HTC Bad Neuenahr das Telefon. An der „Muschel“ war Alexander Tolle: „Ich möchte gerne meine Mutter zu den Tennismeisterschaften anmelden.“ Frank und frei, wie Hamburger Deerns nun mal sind, nickte Edith Tolle den „Vorfall“ rundweg ab: „Ja, stimmt, mein Sohn hat mich für das Turnier in Bad Neuenahr, wie auch zuvor in Ingelheim, angemeldet.“ Ihre Begründung: „Ich spiele auch mal gerne Einzel. Im Club habe ich immer Doppelpartnerinnen, keiner beim Farmsener TV will mehr mit mir ein Einzel spielen.“ Immer wieder mal habe sie mit ihrem Sohn Alexander ein Einzel auf Asche durchgezogen.
„Er hat mir gesagt, du musst unbedingt mal wieder mit Damen ein Einzel spielen. Ich melde dich zum Turnier beim HTC Bad Neuenahr an.“ Sie sei fast aus allen Wolken gefallen. „Ich habe ihm gesagt, nein, das gibt‘s doch gar nicht, ich bin viel zu alt dafür.“ Erhört von Alexander Tolle wurde sie nicht. Auch ihr Enkel blies ins gleiche Horn und wiederholte, nur mit ein bisschen anderen Worten, was die Tennis-Lady, schon von ihrem Sohn hatte zu hören bekommen: „Oma, macht das doch einfach mal – du schaffst das.“ 24 Stunden später bekam sie die Bestätigung von Alexander Tolle: „Ich hab dich angemeldet – übrigens sind es die Deutschen Meisterschaften in Bad Neuenahr.“ Edith tolle kam aus dem Staunen kaum heraus: „Ich dachte mir, du fällst gleich in Ohnmacht.“ Bereut hat sie die Teilnahme an der 70. DSM mitnichten: „Ich muss sagen, hier ist es besonders nett.“ Edith Tolle schloss im nächsten Moment nur kurz die Augen. Sie erinnerte sich an den Turnierstart: „Ich war so nervös, ich konnte mich kaum einfangen.“ Ihre erste Konkurrentin war Ursula Blecking. „Sie war an Nummer zwei gesetzt. Ich habe richtig gezittert - den Tennisschläger konnte ich kaum festhalten. Mit dem 1:6 und 3:6 bin ich gleich nach dem ersten Matsch rausgeflogen“, redete Edith Tolle erst gar nicht um den heißen Brei.
Nach Spiel „haben mich so viele Leute angesprochen, die mich bisher überhaupt noch nicht gesehen haben.“ Übereinstimmend hätte sie zu ihr gesagt: „Du hast so gut gespielt - ich finde nicht - ich habe überhaupt nicht gut gespielt. Na, ja, ein paar Spiele mehr hätte ich schon sein können.“ Mehrfach hätte sie im Match gegen Blecking mit Vorteil vorn gelegen. „Ich hab‘s aber nicht geschafft, ich hab zu viele Fehler gemacht“, gestand Edith Tolle sich selbst ein. Mit Blich aus Turnier ist sich die Hamburgerin sicher: „Die Atmosphäre hier in Bad Neuenahr, die ist einfach super. Ich hab immer hoch verloren, aber die Stimmung war immer gut. Ich habe so viel Zuspruch und Lob erhalten, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht erhalten - wie hier auf dieser Anlage. Hier anzutreten und zu spielen, das war besonders nett, das hat mir sehr, sehr gut gefallen“, betonte Edith Tolle. Mit dem Tennisspielen fing Edith Tolle an, da war sie erst 13 Jahre jung. „Zuerst hatte ich gar kein Geld, um in Hamburg spielen zu dürfen. Da habe ich auf einem Universitätsplatz, auf Asche, gespielt. Damals musste man ja auch noch den Aufschlag von unten machen“, erzählte die Sportlerin. Das mit dem Aufschlag von oben, „das war damals nicht ladylike“, meint Edith Tolle. Lange Jahre habe sie dann gar nicht mehr gespielt, ließ Edith Tolle wissen: „Erst als meine beiden Kinder Alexander und Clemens geboren waren, das habe ich 1975 wieder richtig angefangen mit dem Tennisspielen – auch in Medenrudenspielen.“ 2010 war’s, „da wurde unsere Mannschaft Hamburger Mannschaftsmeister“, sagt sie. Und: „Ich bin mittlerweile die älteste jetzt bei uns im Verein, und keiner spielt mit mir mehr ein Einzel. Das wollen die alle nicht, die wollen alle nur Doppel spielen.“ Sie bevorzugt aber „viel lieber das Einzel, da ist jeder Ball mein Ball.“ Sie räumt ein: „Laufen kann ich noch gut, ich sage mir immer, du kannst besser laufen als Tennisspielen.“