Paukenschlag am Rosenmontag: Papst Benedikt XVI. legt sein Amt nieder
Gewissenhafter Entschluss
Der Rücktritt des Papstes bringt nicht nur Verwunderung, sondern auch viele Fragen mit sich
Rom. Gescheit wie zehn Professoren und dabei fromm wie ein Kommunionkind - so beschrieb ihn einst der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner. Papst Benedikts XVI. Und nun hat dieser blitzgescheite Mann ein nicht nur theologisches Donnerwetter ausgelöst und Rom und der Welt seinen Rücktritt mitgeteilt. Was selbst den Kurienkardinal Angelo Sodano „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ getroffen hat, ließ die Menschen auf dem ganzen Globus den Atem anhalten. Unser Papst tritt also zurück. „Unglaublich!“, „Kann er das denn überhaupt?“ und „Wie geht es jetzt weiter?“, fragten sich Journalisten, Theologen und Menschen wie Du und ich allerorten.
Es scheint wirklich nur schwer zu glauben, aber es stimmt. Und ja, er darf zurücktreten, auch wenn der Pontifex damit gleich zweimal Geschichte geschrieben hat: Kardinal Joseph Ratzinger war mit seiner Wahl am 19. April 2005 nicht nur der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren, er ist seit Rosenmontag auch der zweite Papst überhaupt, der den Heiligen Stuhl aus freien Stücken verlässt. Der erste und bisher auch Einzige, der diesen gewaltigen Entschluss traf, war Papst Coelestin V., der vor über 700 Jahren am 13. Dezember 1294 nach nur fünf Monaten im Amt freiwillig aufgab, da er sich schlicht überfordert damit fühlte.
Amt auf Lebenszeit
Dennoch: Ein Papst wird auf Lebenszeit gewählt. Und seine Amtszeit endet mit dessen Tod. Aber, so sieht es das Kirchenrecht vor, der Bischof von Rom darf auch zurücktreten. Gründe dafür muss er keine nennen und anders als bei weltlichen Angestellten, Mitarbeitern oder Bediensteten muss auch niemand seinen Rücktritt annehmen oder ihm gar zustimmen. Hier untersteht er alleine seinem Gewissen und seinem Glauben und sein Entschluss muss freiwillig fallen. Denn dass Päpste zu Lebzeiten den Stuhl Petri räumten, das hat es mehrfach gegeben - immer aber unfreiwillig. So musste Papst Benedikt IX. mehrmals aus Rom fliehen, bevor er im Jahr 1045 sein Amt unter Druck und sogar für Geld verkaufte. Auch Gregor XII. verließ Rom 1415 nicht freiwillig. Schon einige Jahre zuvor, 1409, erklärte ihn ein Konzil für abgesetzt, aber Papst Gregor verweigert ebenso seinen Rückzug wie der Gegenpapst Benedikt XIII. Die Lösung brachte dann schlussendlich der dritte im Bunde, Papst Alexander V. - und alle drei teilten sich zeitweise sogar die Würde des höchsten Amtes in der katholischen Kirche. Andere Päpste flohen ins Exil, wurden ermordet und entführt. Freiwillig aber schied eben nur Papst Coelestin aus dem Amt - wobei einige Historiker mutmaßen, dass er von seinem Nachfolger Bonifaz VII. dazu gedrängt wurde. Wie dem auch sei: Wir dürfen davon ausgehen, dass Papst Benedikt XVI. tatsächlich freiwillig den Heiligen Stuhl verlässt - um Platz zu machen für jemanden, der mehr Kraft hat, die Geschicke der Kirche zu lenken, als er selber es vermag.
Osterfest mit neuem Pontifex?!
Am 28. Februar wird es so weit sein. Dann, so vermuten Kirchenexperten, greifen die gleichen Regelungen, wie sie das Kirchenrecht für den Papsttod vorsieht: Der Kardinalsstaatssekretär und die Kardinalspräfekten treten zurück, ein Kardinalskollegium übernimmt die laufenden Amtsgeschäfte und die Wahl des neuen Papstes wird vorbereitet. Dafür müssen sich frühestens 15 und spätestens 20 Tage nach dem Tod des Papstes die weltweit rund 120 Kardinäle, die noch keine 80 Jahre alt sind, zum Konklave in der Sixtinischen Kapelle einfinden. Das wird also zwischen dem 15. und 20. März sein. Zum Osterfest, so hofft die Christenheit, wird dann der neue Bischof von Rom die Ostermesse im Petersdom halten. Und natürlich gibt es schon jetzt reichlich Spekulationen darüber, wer Papst Benedikt im Amt nachfolgen wird. Ein Italiener? Ein Afrikaner? Oder gar der erste lateinamerikanische Pontifex? Immer wieder werden die Namen von zwei afrikanischen Kardinälen genannt: Kardinal Peter Turkson aus Ghana und Kardinal Francis Arinze aus Nigeria. Aber auch der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Otto Scherer, ist ebenso im Gespräch wie der Kanadier Marc Ouellet aus Quebec. Gute Chancen werden auch dem Mailänder Erzbischof Angelo Scola eingeräumt. Warten wir es ab, der Vatikan war immer schon für Überraschungen gut. Und das nicht erst seit vergangenem Montag. Und einer bekannten vatikanischen Redewendung nach sollte der neue Papst nicht vorher schon zu sehr im Vordergrund stehen - denn, so heißt es, wer als Papst in die Wahl gehe, der komme als Kardinal wieder heraus. EMB
Nach einem nur 26-stündigen Konklave wurde der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum neuen Papst, Benedikt XVI., gewählt. Foto: wikipedia
