Tagelange Regenfälle haben die Flüsse in Deutschland, Österreich und Tschechien dramatisch ansteigen lassen
Land unter - Wasser kennt keine Grenzen
Passau/Regensburg/Grimma/Dresden. Während sich der Norden auf ein Rekordhochwasser der Elbe vorbereitet, hat der Süden das Schlimmste hinter sich. Erstmal jedenfalls. Wie hoch der entstandene Schaden ist, kann noch niemand genau sagen. Auch Vergleiche mit dem Hochwasser von 2002 sind nicht wirklich möglich, da Ursachen und Gegebenheiten sich nur punktuell miteinander vergleichen lassen, nicht aber ein geschlossenes, seriöses Bild wiedergeben. Viel wird spekuliert. Warum, wieso, weshalb kommen solche Fluten zustande? Wer hat Schuld?! Was hätte man besser machen können? Klar ist auf jeden Fall, dass der Juni 2013 Tage der Superlative gebracht hat. Superlative von Bangen und Hoffen, von Leid und Verwüstung, aber auch von Nähe, Solidarität und Kampfgeist.
Jahrhunderthochwasser Nr. 2
August 2002: Häuser, die wie Pappkartons weggespült, und Brücken, die wie Lego-Steinchen weggerissen werden, aufgerissene Bahndämme, verschlammte Straßen, Keller und Wohnzimmer, durchnässte Kunstschätze, zerstörte Parkanlagen und verwüstete Betriebe. Sachsen erlebte hochdramatische Tage und war das mit Abstand am meisten betroffene Bundesland der damals so genannten „Jahrhundertflut“. Entlang der Gebirgsflüsse sowie an Elbe und Mulde beliefen sich die Schäden auf rund 8,6 Milliarden Euro. In Dresden erreicht die Elbe am 17. August 2002 den historischen Höchststand von 9,40 Metern. Der soll dieses Jahr nicht überschritten werden. Hofft man. Die Saale aber meldete aus Halle Mitte der Woche den höchsten Pegelstand seit 400 Jahren, in Passau wurden gar über 500 Jahre alte Pegel-Rekorde der Donau übertroffen und so weiter und so fort.
Glück im Unglück?!
Auf die Frage nach der Ursache des Hochwassers im Allgemeinen und der aktuellen Fluten im Besonderen gibt es unterschiedliche Antworten. Es gibt aber einige Faktoren, die ganz grundsätzlich ausschlaggebend sind für die Pegelstände im Juni 2013 - nämlich die Wetterlage in den vergangenen Wochen bzw. Monaten. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat vor wenigen Tagen eine Analyse veröffentlicht, derzufolge mehrere Faktoren zusammengefallen sind. Zum einem war der vergangene Winter nicht nur sehr lang, sondern auch sehr schneereich bis in den späten März hinein. Hinzu kommt, dass auch der Frühling sehr kühl ausfiel und Ende Mai auf einigen Gipfeln der Mittelgebirge und in den Alpen sogar noch einmal Schnee brachte. Diese ungewöhnlich hohen Schneemengen tauen nun ab und fließen als Schmelzwasser in die Flüsse. Zu diesem alljährlich zu beobachtenden und völlig normalem, wenn auch in diesem Jahr verspäteten Ansteigen der Flusspegel durch die Schneeschmelze, kommt ein dritter Umstand: ein ungewöhnlich regenreiches Frühjahr. Laut Deutschem Wetterdienst war der Mai 2013 war der zweitnasseste seit Beginn der Messungen 1881. Und es gab nicht nur häufig Regen, sondern mancherorts auch enorm viel, sogenannter Starkregen fiel. Dadurch waren die Böden völlig übersättigt bzw. durchnässt und hatten keine Pufferfunktion mehr, um die Wassermengen aufzunehmen. Zum finalen Höhepunkt spitzte sich die Situation dann in den vergangenen 14 Tagen zu. Fast ganz Deutschland lag praktisch ununterbrochen unter einem Tiefdruckeinfluss, der vom Norden her kalte und vom Süden her warme Luft hereingeschaufelt. Die warme Luft legte sich über die kalte und die Folge war Regen - praktisch durchgängig über Tage hinweg. Und dieser Dauerregen hat die Flusspegel dann letztlich so stark immens steigen lassen.
Auf den ersten Blick vielleicht überraschend, gehen Meteorologen davon aus, dass diese Flutkatastrophe wahrscheinlich noch schlimmer ausgefallen wäre, wären die vergangenen Tage deutlich wärmer, also tatsächlich frühlingshaft gewesen. Denn je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie auch aufnehmen. Glück im Unglück also, denn ist die Luft nur um 1 Grad Celsius wärmer, kann sie bereits sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern. Umgekehrt: Wäre es jetzt der Jahreszeit entsprechend richtig schön warm, wären die Niederschlagsmengen sehr wahrscheinlich noch größer gewesen. So hat die anhaltende Kühle zumindest in den letzten Tagen Schlimmeres verhindert.
Dauerregen, Schnee und Klimawandel
Ob der Klimawandel grundsätzlich mitverantwortlich ist für die starken Niederschläge und damit für die immer rascher wiederkehrenden Extrem-Hochwasser, lässt sich nicht nachweisbar belegen. Dennoch gehen Experten davon aus, dass es durchaus einen Zusammenhang gibt zwischen der Erderwärmung und dem steigenden Niederschlags-Potenzial, da eine wärmere Atmosphäre eben auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann und im Ergebnis hat man damit auch ein höheres Potenzial für stärkere Niederschläge. Nach den Daten Weltmeteorologieorganisation war das letzte Jahrzehnt das wärmste überhaupt seit Beginn der Aufzeichnungen. Und eben in diesem Jahrzehnt gab es rund um den Globus zahlreiche Wetterextreme, die vor allem dadurch gekennzeichnet waren, dass es sie in ihrer Stärke so noch nicht gegeben hat. So lässt sich also ziemlich plausibel davon auszugehen, dass der Klimawandel das Risiko für Starkniederschläge und Überschwemmungen erhöht - auch in Deutschland und auch am Rhein, auch wenn wir dieses Mal mit einem blauen Auge davon gekommen sind.
Vor zehn Jahren nahm in Sachsen eine beispiellose Überschwemmung ihren Anfang, deren Ausmaß ganz Deutschland bewegte. Heute steht fast ganz Deutschland mit den Füßen im Wasser. Vor allem der Süden und der Osten, aber auch Norddeutschland sind betroffen. Warum es innerhalb so kurzer Zeit zu solch dramatischen Pegelständen an unseren Flüssen kommen konnte, weiß niemand mit absoluter Sicherheit zu sagen. Aber Vermutungen gibt es einige.

Die Hochwassermarken an einer Hauswand in Koblenz-Neuendorf zeigen deutlich, wie hoch das Wasser steigen kann. Foto: wikipedia/ProKoblenz
