Narrengericht Kempenich tagte

Verhandlung mit neuer „Strafkammer“

19.02.2015 - 11:00

Kempenich. Das Kempenicher Narrengericht sorgte am vergangenen Sonntag für große Heiterkeit unter den Besuchern, wenn auch die Angeklagten teilweise sehr bedrückt ob der Anklagepunkte waren. Mit Unterbrechungen tagt das legendäre „Kempenicher Fastelovendsgericht“ seit über 80 Jahren, abgeleitet vom mittelalterlichen Kempenicher Gericht, das von den Narren auf ihre Art nachgestellt wird. Diese Tradition wurde seit 1992 von den „Daller Spatzen“ aufgegriffen und über 22 Jahre bis zum Jahre 2013 fortgeführt. Humorvoll sorgten sie dafür, dass „Kempenicher Straftäter“ am Fastnachtssonntag ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden. Rudi Meid und Norbert Bell verkörperten dabei gnadenlose Staatsanwälte, Winfried Schmitz war ein großartiger Verteidiger und Karl-Heinz Sundheimer ein stets um ein gerechtes Urteil bemühter Richter. Als Gerichtsdiener hatte Ferdi Caspers alle Hän-de voll zu tun, die kleinen und großen Sünder im Kittchen unterzubringen und nach deren Verurteilung diese nach Zahlung der Gerichtsgebühren mit dem nöti-gen Flüssigen zu versorgen. Jochen Seifert war derjenige, der für das mehrstündige Spektakel den Stoff lieferte und akribisch Buch führte. Das sie selbst einmal ange-klagt würden, kam dabei den Daller Spatzen nie in den Sinn. Unterstützt wurden sie dabei von der Gruppe „Slantje“, die die Technik stellte. Nunmehr traf sich die neue „große Strafkammer“ des Narrengerichts Kempenich zur ersten großen Verhandlung an altbewährter Stätte, bei „Deustesch Dieter“ im Gast-hof Bergweiler. Schon äußerlich unterschied sich das neue Narrengericht vom al-ten. Kam die alte Besetzung noch in bewährter schwarzer Montur zur Verhandlung, so taten es die neuen Akteure in Anlehnung an den Bundesgerichtshof bereits in roten Roben. Zunächst dankte Richter Achim Schmitt den Daller Spatzen für ihr großartiges Engagement. „23 Jahre Narrengericht ist ein hartes Brot. Wir wissen nach den Vorbereitungen für die heutige Verhandlung, was das heißt“. Groß war dann auch die Überraschung bei den Zuhörern im Gerichtssaal, als Staatsanwalt Thorsten Herrmann die Daller Spatzen anklagte. Narzissmus, Selbstverherrlichung und Realitätsverlust warf er ihnen vor. „Selbstlos haben sich die Daller Spatzen für den Zinnhannes-Preis, dem „Oscar“ des Karnevals, vorgeschlagen“, trug der Staatsanwalt u. a. vor und stellte den Antrag, die Daller Spatzen für das Scouting der Nachwuchskräfte der GKKG zu verurteilen. Im nächsten Jahr seien hier bereits die ersten Talente vorzuzeigen. Verteidiger Dominik Schmitz sah die staatsanwaltlichen Vorwürfe als nicht begründet. Ihm selbst seien die „angeklagten Punkte nicht unbeliebt“. Er forderte daher einen Freispruch für die Angeklagten, zu deren Selbstverteidigung Jochen Seifert noch einmal das Wort ergriff und auf die durch Landrat Dr. Jürgen Pföhler im Jahre 2013 überreichte „Justizia“ verwies. Auch Richter i. R. Karl-Heinz Sundheimer trug zur Erheiterung der großen Zuhörerschar wie auch zur eigenen Verteidigung vor, dass bei den legendären Sitzungen der Daller Spatzen das heutige Gericht noch in den Windeln gelegen habe. Trotz allem waren Sundheimer und Seifert erfreut, dass sich wieder „Juristen“ gefunden haben, die die alte Tradition fortführen. Letztendlich kamen sie gegen Zahlung der Gerichtsgebühren an einer Gefängnisstrafe vorbei. Insgesamt erfolgten 18 Verhandlungen und Verurteilungen. Zu den Betroffenen gehörte auch Susanne Werle, die wegen Panikmache und Massenhysterie ange-klagt wurde. Sie hatte auf der Homepage der Ortsgemeinde Kempenich ein Foto veröffentlicht, das im „Lake Lupo“ einen Kaiman zeigte, was für allerhand Verwir-rungen in der Bevölkerung wie auch in der Presse verursacht hatte. Jenny und Christian Fink waren wegen Hausfriedensbruch und Gefährdung und Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt. Hatten sie doch im Tier- und Frei-zeitpark Klotten in der wegen Wartungsarbeiten gesperrten Wildwasserbahn „länge-re Zeit bis zu ihrer Befreiung“ ausharren müssen. Während sich der Ehemann „auf der Flucht“ befand, musste Jenny Fink sich dem Gericht stellen. Viele weitere „Kempenicher Straftäter“ wurden an diesem Tag „der gerechten Strafe zugeführt“. Aber auch überregionale Straftäter mussten sich der Justiz stellen. So warf man Bürgermeister Johannes Bell die bewusste Irreführung in zwei Fällen vor. Das „gestandene Mannsbild mit Jedermanngesicht“ hatte im letzten Jahr zum Besuch des „Rosenmontagszuges“ in Kempenich eingeladen, obwohl dieser Zug bereits am Karnevalssonntag stattfand. Der Verteidigung trug zur Erheiterung des Publikums vor, dass dies auf einer Verwechslung beruhe. Bei der Einführung des Gregorianischen Kalenders sei als weitere Zeitrechnung die der „Spessarter Bokete“ eingeführt worden, die offensichtlich vom Bürgermeister angewandt wurde. Bürgermeister Bell sah sich ebenfalls als unschuldig, nahm jedoch die gegen ihn verhängte Strafe an. Auch Landrat Dr. Jürgen Pföhler fand sich im Kempenicher Untersuchungsgefängnis wieder. Ihm wurde Amtsmissbrauch und Nötigung vorgeworfen. Durch seine „Selbsteinladung und aktive Teilnahme“ am letzten Rosenmontagszug habe er den Richter a. D. Karl-Heinz Sundheimer in große Nöte gebracht. Die Staatsanwaltschaft forderte den sofortigen Rücktritt und die Übertragung des Amtes an Karl-Heinz Sundheimer. Dazu trug die Verteidigung vor, dass der Angeklagte selbst Opfer gewesen sei und fragte in die Runde: „Wie weit sind wir schon gekommen. Schließlich hat er den schönsten Karnevalsumzug des Kreises Ahrweiler be-sucht.“ Das Urteil, die „acht Kempenicher Bundesrichter“ zum nächsten Landratsempfang einzuladen, nahm er gerne an. Er konterte die bisherigen Ausführungen des Gerichts mit der Feststellung: „Jetzt haben sie schon 32 Jahre studiert, aber immer noch nichts gelernt.“ Schließlich sei das Gericht nicht eingesetzt worden. Die Daller Spatzen hätten dies schon aus Gewohnheitsrecht herleiten können. Damit aber alle „Anklagen und Verurteilungen rechtens seien“, überreichte der Landrat zur großen Freude der Narren eine Einsetzungsurkunde. So konnten schließlich auch die weiteren Verhafteten ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Bleibt zu hoffen, dass das Narrengericht in Kempenich auch die nächsten Jahre die alte Tradition fortführt und sich immer wieder genug „Straftäter“ finden, die an die-sem Verhandlungstag abgeurteilt werden müssen.

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