Paul Eisenkopfpreis von der CJG Koblenz verliehen

Ein „warmherziger Menschenfreund“

Ein „warmherziger Menschenfreund“

Standing Ovations für den neuen Eisenkopfpreisträger Dietrich Schabow.

Ein „warmherziger Menschenfreund“

Zahlreiche Gäste kamen zur Verleihung des Eisenkopfpreises in den Koblenzer Rathaussaal. -HEP-

Ein „warmherziger Menschenfreund“

CJG Vorsitzender Hans Werner Schlenzig (re) überreichte den Eisenkopfpreis an Dietrich Schabow.

Ein „warmherziger Menschenfreund“

Ella Sinelnikova Klavier und Miron Borodulin Cello sorgten bei der Feier für die Musik.

Bendorf/Koblenz. Zum vierten Mal verlieh die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit Koblenz (CJG) den Paul-Eisenkopf-Preis. Den erhalten alle zwei Jahre Personen, Schulklassen oder Gruppen, die sich im Bewusstsein der deutschen Vergangenheit um das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion, Herkunft, Nationalität, Kultur und Weltanschauung bemühen. Das passt absolut auf den diesjährigen Preisträger: Dietrich Schabow aus Bendorf-Sayn.

In den Koblenzer Rathaussaal hatte die Gesellschaft zahlreiche Mitglieder, Gäste und Freunde des bekannten Heimatforschers Dietrich Schabow zur Preisverleihung eingeladen. So hieß der Hausherr, der Koblenzer Kulturdezernent Detlef Knopp, die Anwesenden, darunter auch zahlreiche Kommunalpolitiker, willkommen. Der Redner erinnerte sich an ein Treffen mit Pater Paul Eisenkopf im Jahre 1999: „Ein engagierter Mann, der Versöhnung und Freundschaft als Lebensaufgabe sah. Er lehrte an der Theologischen Hochschule der Palottiner in Vallendar und war von 1990 bis 1996 Vorsitzender der christlich jüdischen Gesellschaft.“ Knopp attestierte Dietrich Schabow, dass er wie Paul Eisenkopf sich mit seiner ganzen Kraft für Versöhnung eingesetzt hat. 

Nach der Musik von Ella Sinelnikova (Klavier) und Miron Borodulin (Cello) trug CJG-Vorsitzender Hans-Werner Schlenzig die Vita von Pater Paul Eisenkopf vor:  Er wurde am 9. Februar 1939 in Limburg an der Lahn geboren und 1965 zum Priester geweiht, kurz vor Ende des 2. Vatikanischen Konzils, das seine ganze Einstellung und sein Wirken prägte. 1973 promovierte Paul Eisenkopf und war dann Dozent für Fundamentaltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar und dort ab 1978 Professor. „Viel Zeit investierte er in Planung, Förderung und praktische Durchführung der seit 1985 jährlichen Heimatbesuche ehemaliger Koblenzer und Vallendarer Juden und deren Angehörigen, die die Shoa überlebt hatten. Bei den jährlich stattfindenden internationalen, überkonfessionellen  Bibelwochen und Ostertagungen im Hedwig-Dransfeld-Haus in Bendorf brachte P. Eisenkopf sich ganz ein“, führte Schlenzig aus. Am 11. Juli 2003 starb Eisenkopf nach einem Herzinfarkt. „Dietrich Schabow hat sich ähnlich wie Eisenkopf eingesetzt. Der Dank gilt auch Schabows  Gattin Cäcilia, die ihm den Rücken freihält für die Versöhnungsarbeit“, sagte Schlenzig.

Als „warmherzigen Philantrop“ (griechisch: philánthropos = Menschenfreund) bezeichnete Dr. Stefan Elsner, Ärztlicher Direktor der Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach, in seiner Laudatio den Preisträger: „Als gelernter Lehrer wollte Schabow aufklärend tätig sein. In großer Bescheidenheit gab er sein Wissen weiter. Er beschäftigte sich mit den großen Kulturleistungen unsere Gegend,  aber auch mit den dunklen Seiten unserer Geschichte wie Leben und Schicksal der Juden in seiner Heimatstadt Bendorf. Schabow gab die Impulse für die Synagogen-Gedenktafel und den Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Sayn. 1942 wurden hunderte psychisch kranke Menschen in den sicheren Tod deportiert.“

In den Bendorfer Nervenheilanstalten (gegr. 1848) gab es öfter jüdische Patienten. Der Sayner Kaufmann Meier Jacoby begründet 1869 seinen Antrag auf die Konzession für eine jüdische Anstalt folgendermaßen: „Ich hatte oft gehört, dass die in streng jüdischen Häusern aufgewachsenen Nervenkranken nur mit Widerwillen die nicht koschere Kost genießen, dass sie solche Nahrung wohl ganz verweigern oder sich durch den Genuss der Speisen zu versündigen glauben, dass sie namentlich von weniger gebildeten Patienten und Wärtern wegen ihres Glaubens gehänselt werden. Umstände, die Nerven- und Gemütskranke gewiss ungünstig beeinflussen müssen.“

Meier Jacoby nahm zuerst einige wenige Patienten in sein Wohnhaus auf und beauftragte einen in Bendorf niedergelassenen Arzt mit ihrer Betreuung. Die Einrichtung nahm einen raschen Aufstieg, nachdem Jacoby ein großes Gelände an der Koblenz-Olper-Straße erworben hatte. Am 1. Januar 1911 betrug die Zahl der Patienten bereits 163 (87 Männer und 76 Frauen). In der dritten Generation stellte die Familie mit Dr. Fritz Jacoby und Dr. Paul Jacoby selbst die ärztlichen Leiter der Anstalt. Die Familie Jacoby konnte im Juni 1940 über die Sowjetunion und Japan nach Uruguay auswandern. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt.

Ein Runderlass des Nazi-Innenministeriums vom 12.12.1940 bestimmte, dass „geisteskranke Juden“ nur noch in Sayn aufgenommen werden durften, da ein „Zusammenwohnen Deutscher mit Juden auf die Dauer nicht tragbar ist“.

Die Möglichkeit, die Patienten an einem Ort zu konzentrieren, diente der Vorbereitung der Deportation nach Hadamar und in die Vernichtungslager des Ostens. In fünf Transporten (zwischen März und November 1942) wurden 573 Personen deportiert. 142 Juden starben zwischen 1940 und 1942 und wurden auf dem Sayner Judenfriedhof beigesetzt. Die meisten von ihnen waren nicht transportfähig und bereits schwer krank nach Sayn gekommen.

Diese und noch viele weitere Verbrechen des faschistischen Terrorregimes hat Dietrich Schabow erforscht und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Preisträger hat sich aber noch anders verdient gemacht, was im Ratssaal nicht gewürdigt werden konnte: Mitautor des Standardwerks über die Sayner Hütte, Mitglied des Freundeskreises Sayner Hütte, des Förderkreises Abtei Sayn, des Bendorfer Stadtrat und 10 Jahre Vorsitzender des Pfarrgemeinderats.

Dietrich Schabow wurde 1940 in Berlin geboren, machte 1959 in Neuwied das Abitur und nach seinem Studium begann er 1961 seine Lehrerlaufbahn an der Volksschule in Neuwied-Irlich und wechselte nach der 2. Lehrerprüfung (1964) im Jahr 1966 an die Blindenschule Neuwied. Neben seinem Beruf hat Dietrich Schabow ein Zusatzstudium in den Fächern Geschichte, Philosophie und Psychologie an der Universität Bonn absolviert. Ferner hatte er eine Vielzahl von Lehrbüchern für Blinde und Sehbehinderte erarbeitet, die bis heute Verwendung finden. Auch der von ihm entwickelte Globus für Blinde ging in Serienproduktion und wird in vielen Ländern der Erde genutzt. Als  stellvertretender Schulleiter an der Landesblindenschule ging Schabow 2003 in Pension. Für sein Wirken wurde er bereits mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Kulturpreis der Stadt Bendorf  ausgezeichnet.

Renate Rosenau, die Tochter von Dr. Wilhelm Rosenau, letzter Leiter der jacobynischen Anstalt, überbrachte die Glückwünsche der gesamten Familie. Dass sie jetzt Kontakt zu Sayn und Bendorf hat, ist ebenfalls der Arbeit von Dietrich Schabow zu verdanken.

Schließlich überreichte CJG-Vorsitzender Schlenzig den Eisenkopf-Preis in Form einer großen Urkunde an Dietrich Schabow. Der dankte allen Rednern und Organisatoren der Feier und versicherte: „Der Name von Pater Paul Eisenkopf macht den Preis für mich sehr wertvoll, denn ich habe auch persönliche Erinnerungen an ihn.“ Schabow erzählte einige Anekdoten, die er mit Paul Eisenkopf erlebt hatte und von seiner Cousine Luise Fiedler aus Nauort, die mit ihrem Ehemann Leo in Berlin ein jüdisches Kind versteckt hatten. „1952 besuchten die Fiedlers uns zum ersten Mal in Sayn und erzählten über den Nazi-Terror. Ich war damals 12 Jahre alt und erfuhr Dinge, die ich nicht für möglich gehalten hatte. Übrigens: Im gleichen Haus wie die Fiedlers wohnte in Berlin auch Conny Frobess, damals bekannt mit ihrem Lied Pack` die Badehose ein.“. 1964 gab ihm die Ausstellung „Die Juden am Rhein“ den Anstoß sich mit diesem Thema zu befassen. „Nach dem Kontakt zur jüdischen Gemeinde bekam ich die Deportationsliste, jetzt war Archivarbeit gefordert“, berichtete Schabow und weiter von zahlreichen Erlebnissen im Hedwig-Dransfeld-Haus.