Als im Krieg vor 80 Jahrendie Rohstoffe knapp wurden

Als im Krieg vor 80 Jahren die Rohstoffe knapp wurden

Schulkinder beladen einen Lkw mit gesammeltem Schrott 1941. Foto: Archiv F. G. Bell

Als im Krieg vor 80 Jahren die Rohstoffe knapp wurden

Aufruf des Landrats – Reichs-Spinnstoff-Sammlung. Foto: Archiv F. G. Bell

Kottenheim. Ein Presseartikel v. 28.5.2021 informierte über den Einsatz von Schulkindern während des Ersten Weltkrieges bei und nach der Ernte in Kempenich. Der Artikel basiert auf Eintragungen in der dortigen Schulchronik, die früher verpflichtend von Lehrern geführt werden musste.

Beim Blick in die bei uns örtlich geführte Kriegschronik wird deutlich, dass es auch im Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren hier nicht anders war; auf den Einsatz von Schulkindern zum Einsammeln von Spinnstoffen und Altmaterialen, ja Sammeln von Heilkräutern, konnte nicht verzichtet werden.

Im „Heimatbrief Januar 1941“, der an die aus dem Ort stammenden Soldaten im Kriegseinsatz an die jeweilige Front versandt wurde, behauptete man, dass „…die Rationierung bei der Ernährung und Bekleidung kaum fühlbare Einschränkungen“ zur Folge hatte. Dies sollte wohl auf die Adressaten beruhigend wirken, doch es dauerte nicht sehr lange, bis man der allgemeinen Rohstoffverknappung durch Sammlungen begegnen wollte oder musste.

Ständig wiederholt sich in der vermutlich von NSDAP-Ortsgruppenleiter Weppelmann geführten Chronik, Hauptlehrer an der hiesigen Volksschule, mit welchem Ergebnis z. B. die Schulkinder aufwarten konnten. Um die Kinder bei „der Stange zu halten“, ja bei ihnen ein regelrechtes Sammelfieber zu entfachen, vergab man auf die jeweils zusammen gekommene Kilogramm-Menge Punkte, z. B.: 1 kg Knochen = 3, 1 kg Lumpen = 5, 1 kg Papier = 2, 1 kg Buntmetall = 3 und 1 kg Schrott = 1 Punkt. Zusätzlich wurden die Sammelergebnisse auch im „Nationalblatt Mayen“ jeweils veröffentlicht, was auch einen gewissen Ansporn ausgelöst haben mag. So stand u. a. am 13.5.1941 in jenem Partei-Blatt: „…Auch mit der Heilkräutersammlung wurde wieder begonnen. Die Kräuter werden in einem eigens dafür hergerichteten Schulsaal unter Leitung von Herrn Lehrer Keil sachgemäß getrocknet und gelagert. (…) So wirkt die Schule in dieser ganzen Zeit auf ihre Weise mit, den Endsieg zu erringen.“ Zu einer weiteren Aktivität der damaligen Schulkinder stand in besagter Chronik: „…Erstmalig begann die Schule auch zur Verwertung der im Schulgarten angepflanzten Maulbeeranlage mit der Seidenraupenzucht. Die Kinder widmen sich dieser neuen Tätigkeit mit vollem Eifer.“

Warme Kleidung für die Ostfront

Der Russlandfeldzug ab Juni 1941 traf im sich hinziehenden Verlauf eine für den dort vorherrschenden harten Winter nicht ausgerüstete Wehrmacht schwer. So erfolgte im Dezember ein „Aufruf des Führers an das deutsche Volk“ zur Spende warmer Wintersachen für die Soldaten der Ostfront. Abgegeben werden sollten: Pelze, Pelzsachen, Muffen aller Art, Handschuhe u. Strümpfe, Unterjacken, Unterhosen und –hemden, gefütterte Überschuhe, Strickwesten, Leibbinden, Puls- und Kniewärmer, Wolldecken, pp., letztlich alles, was eine wärmende Wirkung haben konnte. Zur Abgabe kamen in Kottenheim insgesamt 2.429 Teile vorgenannter Art; sogar 7 Paar Skier wurden abgegeben.

Ein gewisser weiterer Druck entstand für die Dorfbevölkerung durch die Tatsache, dass die Ortspartei jeden Hausvorstand in einer Liste mit der Abgabemenge aufführte und gleichzeitig vermeldete, dass auf diesen Listen doch noch etliche Haushalte fehlen würden.

In der Schulchronik hatte man festgehalten: „Am 14. April 1942 erfolgte der Abtransport der hiesigen vier Judenfamilien (11 Personen) nach dem Osten. (…) Zum Vermögensverwalter wurde der Amtsbeigeordnete Ottes bestimmt. (…) Nun ist der Kreis Mayen judenfrei“. Doch im Zusammenhang mit den Spinnstoffsammlungen wurde man dann in der Kriegschronik im Juni 1942 noch etwas konkreter und es klingt m. E. im Nachhinein fast wie ein Triumpf, bei den deportierten Juden „eine gute Ausbeute“ an Rohstoffen und Gebrauchsgegenständen gemacht zu haben: „…Am 19. Juni wurden durch einen Beamten des Finanzamtes und den NSV-Beauftragten ( Philipp Ottes, der Verf.) die beiden hiesigen Judenhäuser geräumt. Die brauchbaren Möbel- und Wäschestücke wurden nach Köln gesandt, wo sie Fliegergeschädigten zur Verfügung gestellt wurden. Das Judenhaus in der Bachstraße (Benny Gottschalk) wurde vorläufig an zwei auswärtige Familien (Kriegsteilnehmer) vermietet. In das Haus des Gustav Gottschalk in der Junker-Schilling-Straße zieht der Schneidermeister Pg. Josef Lung. Insgesamt wurden aus den beiden Judenhäusern noch etwa 6 Zentner Spinnstoffe herausgeholt, die teils dem DRK, teils der Spinnstoffsammlung überwiesen wurden.“ Offensichtlich hatte der Chronist Weppelmann aber die Häuser jeweils mit falschem Eigentümer aufgeführt; Gustav G. wohnte in der Bachstraße und Benny in der Junker-Schilling-Straße. Ob auch die Wohnung des jüdischen Ehepaares Fritz und Meta Levy in der Kirchstraße durchsucht und geräumt wurde, ist in dem Zusammenhang nicht aufgeführt.

„Mitte Juli“, so steht es in der Chronik, „ wurden die drei größten Kirchenglocken abmontiert und am Glockenturm in der Schulstraße gelagert.“ Sie wurden, wie vielerorts, für die Rüstungsindustrie verwandt.

Im Oktober 1942 folgte mit einer neuen Sammelaktion von alten Filzhüten, altem Schuhwerk und Altleder und gebrauchte Unterkleidung in allen Haushalten; dazu gab es eine genaue namentliche Aufführung der jeweiligen Sammler sowie die Feststellung, dass „…die Erfassung sämtlicher Filz- und Lederabfälle, die vielfach nutzlos in den Haushaltungen lagern, kriegswirtschaftlich von größter Bedeutung sind.“ Von März bis November 1942 führten zusammenfassend die Schulkinder sieben Altmaterial-Sammlungen von 9.636 kg durch; dies erbrachte einen Gesamterlös von 89 RM. Die Rohproduktenhändlerin Witwe Johann Josef Weinand aus Niedermendig holte die Materialen ab und verwertete sie.

Örtlich betrachtet dürften die zusammen gekommenen aufgeführten Rohstoffmengen für den Bedarf im Deutsch Reich wie ein „Tropfen auf einen heißen Stein“ gewirkt haben, doch, wenn reichsweit mit der gleichen Intensität gesammelt worden ist, dann wird man den allgemeinen Mangel wohl etwas gemildert haben können.Franz G. Bell