Morenhovener Lupe 2019

Die Gürtellinie ist eine fließende Grenze, die von Generation zu Generation neu definiert wird

Von Ein Bericht von Volker Jost

Die Gürtellinie ist eine fließende Grenze, die von Generation zu Generation neu definiert wird

Jürgen von der Lippe (links) ist der Preisträger der „Morenhovener Lupe 2019“, die er von Dr. Klaus Grewe überreicht bekam. Foto: JOST

Morenhoven. „Jürgen von der Lippe hat eine Karriere, die ist einfach unglaublich“, zeigte sich Dr. Klaus Grewe beeindruckt von der Vita des prominenten Fernsehmoderators, Entertainers, Schauspielers, Hörbuchsprechers, Musikers und Komikers. Auch nach nunmehr 43 Jahren im Showgeschäft schaffe er es immer noch mit Leichtigkeit, große Säle zu füllen, die Leute zu begeistern und auf die Fährte zu locken, die er selber lege. Bei seinen Programmen müsse man immer haarscharf aufpassen, wo ein Witz anfange und wo er aufhöre.

Der Intendant der „Morenhoven Kabaretttage“ von der Initiative Kultur und Spektakel im Swisttal (KuSS) überreichte Jürgen von der Lippe die „Morenhovener Lupe 2019“, ein besonders schönes Exemplar ihrer Art mit goldenem Griff und frisch poliertem und graviertem Glas. Mit dem drittältesten deutschen Kleinkunstpreis werde sein Umgang mit der deutschen Sprache ausgezeichnet, denn darin sei von der Lippe ein Meister. „Er ist von so feiner Sprache und auch nie unter der Gürtellinie…“, konnte Grewe seinen Satz aber nicht vollenden, denn das Publikum brach lauthals in schallendes Gelächter. Sogleich stellte der so Geehrte klar: „Die Gürtellinie ist ja eine fließende Grenze, die von Generation zu Generation neu definiert wird.“

Keine Berührungsängste

zu den erogenen Zonen

In seinem rund zweistündigen Programm, einer passgenauen Mischung aus Lesung und Anekdote, hatte er zuvor nämlich nicht die geringsten Berührungsängste zu den erogenen Zonen und den für die Fortpflanzung wichtigen Körperteilen gezeigt, ganz nach dem Motto eines seiner ersten Bücher: „Wie rede ich mich um Kopf und Kragen.“ Den gut 500 Besuchern im restlos ausverkauften Dorfsaal von Morenhoven versicherte er glaubhaft: „Wenn Sie hier heute Abend rauskommen, sind Sie richtig versaut – wo sollen Sie es sonst lernen?“

Im ersten Teil des Abends las von der Lippe Szenen aus seinem aktuellen Buch „Nudel im Wind“, einer Medienkrimiparodie um eine Fernsehshow mit Kapitalverbrechen, bei der die Hauptperson auf Seite 142 plötzlich verschwindet. Nicht weniger als 41 Personen spielen darin eine Rolle, sodass es mehr als sinnvoll erschien, dem literarischen Werk ein eigenes Namensverzeichnis zu spendieren. Jetzt wartet von der Lippe nur noch darauf, dass sich Til Schweiger meldet, um das Buch auch zu verfilmen.

Frauen nicht immer nur auf

die inneren Werte reduzieren

Mit keck ins Gegenteil verwandeltem Sexismus hatte der Lupe-Preisträger 2019 überhaupt kein Problem, im Gegenteil: „Ich habe von der Political Correctnes die Schnauze voll.“ Aber mittlerweile schlage das Pendel zurück, die Leute seien es leid, rief er unter dem lautstarken Beifall des überwiegend im Rentenalter befindlichen Publikums. Und wies auf Barbara Schöneberger hin, die erst neulich gesagt habe: „Ich freue mich, wenn man mir Komplimente wegen meines Dekolletés macht – dann weiß ich, dass ich nicht wieder nur auf meine inneren Werte reduziert werde.“

Immer wieder begeisterte von der Lippe sein Publikum mit witzigen Ideen, die die meisten Menschen nicht mal zu denken, geschweige denn auszusprechen wagten. So hat der bekennende Agnostiker für den Heiligabend schon eine hervorragende Idee, bei der eine elektrische Furzmaschine mit Fernbedienung, gut versteckt in der Jesuskrippe, eine Hauptrolle bei der Christmette spielen soll – „so lange, bis die Kirche leer ist.“ Ganz nebenbei informierte der begnadeter Komiker auch noch darüber, dass Chuck Norris mittlerweile alle Energieprobleme gelöst habe. Denn sein Auto brauche kein Benzin mehr – „es fährt aus Respekt.“

Uralte Witze werden

wieder modern

Zum Schluss traute sich Jürgen von der Lippe sogar, aus seinem 1984 erschienenen Witze-Sammelband „WWF-Witzeparade“ vorzulesen, und obwohl die Witze uralt seien, sei das mittlerweile wieder problemlos möglich: „Diejenigen, die die Witze noch kannten, sind mittlerweile alle tot.“ Leider waren aber die Witze so gut, dass einer der Zuschauer gesundheitliche Probleme bekam und kurz ohnmächtig wurde, was die anwesenden Ärzte im Publikum auf den Plan rief und einen Notarzteinsatz mitten im Saal zur Folge hatte. Zum Glück stellte sich das Problem als nicht so gravierend heraus, wie es zunächst ausgesehen hatte, doch die gut 20-minütige Unterbrechung war der Stimmung natürlich nicht unbedingt zuträglich. Daher verzichtete Jürgen von der Lippe darauf, seinen Vortrag fortzusetzen, und man schritt gleich zur Verleihung der „Morenhovener Lupe 2019“, für die sich der stolze Preisträger mit einer ganz speziellen Interpretation des Gedichtes „Das Gleichnis“ von Robert Gernhardt bedankte.