
Am 30.06.2025
Allgemeine BerichteKottenheimer Karnevalsgesellschaft 1913/1914 feierte drei Tage lang bei hochsommerlichen Temperaturen ihr 111-jähriges Bestehen
„Ein Wertekompass in unruhigen Zeiten“
Kottenheim. Karneval im Hochsommer? In Kottenheim gibt es nichts, was es nicht gibt. Zu ihrem 111-jährigen Bestehen hatte die dortige Karnevalsgesellschaft einen Festumzug organisiert, der größer war als der eigentliche Rosenmontagszug. Neben den zwölf Motivwagen und acht Musikkapellen zogen weit über 500 Karnevalisten in ihren bunten Kostümen durch die 2800-Einwohner-Gemeinde. Prinz Henrik I. erfüllte sich seinen größten Wunsch und saß selbst auf dem Traktor, der den (eigenen) Prinzenwagen durch die Straßen zog.
Pünktlich um 14.11 Uhr ging es los, nach fast 90 Minuten war alles vorbei. Die vier Kilometer lange Zugstrecke forderte bei den heißen Temperaturen alles von den jungen und alten Karnevalisten ab. Alkohol während des Festzugs war tabu. Um 17.11 Uhr wurde schließlich auf dem Schulhof noch der Prinz begraben, was normalerweise schon an Veilchendienstag über die Bühne geht.
Begonnen hatten die Feierlichkeiten bereits am Freitag mit einem Jubiläumsgottesdienst in der Sankt-Nikolaus-Kirche in Kottenheim. Die Heilige Messe stand ganz im Zeichen des Karnevals, Martin Kopp an der „heiteren Orgel“ hatte sich Stücke wie „Drink doch ene met“ (passend zur Gabenbereitung), „Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett gesehn“, „Am Rosenmontag bin ich geboren“ und „Trink, trink, Brüderlein trink“ ausgesucht. Besonders emotional ging es beim Lied „Direkt unnesch Büde“ zu, der inoffiziellen Kottenheimer Nationalhymne. Dekan Jörg Schuh, der Pfarrer Dr. Artur Schmitt „natürlich äußerst gern“ vertrat, verdeutlichte in seiner Predigt, dass Kirche und Karneval sehr wohl zusammenpassen. „Die Menschen stehen füreinander ein, es wird eine Atmosphäre der Wertschätzung geschaffen. Lebensfreude ist bei den Karnevalisten ins Stammbuch geschrieben, es umgibt sie eine gewisse Leichtigkeit. Sie schenken Freude, ohne dabei zu kurz zu kommen.“
Mit dem Segen von Dekan Schuh, der die 57-minütige Dauer der Messe exakt vorhergesagt hatte, ging es gemütlich in das bunt geschmückte Bürgerhaus zum offiziellen Gala-Abend. Nach dem Einmarsch der Prinzengarde, des Prinzen mit seinem Hofstaat und des Elferrats begrüßte der KKG- Vorsitzende Thomas Konrad das leider nur spärlich anwesende Publikum. Zusammen mit Geschäftsführer Peter Otto und Sitzungspräsident Klaus Haag übernahm Konrad die Moderation. Die Verantwortlichen hatten im Vorfeld genau den richtigen Mix getroffen: Mal spielte „Pink Champagne“ (live und nicht vom Band), mal tanzte die gemischte Garde („Es ist nicht so, wie du denkst“), zwischendurch folgten Grußworte oder Gratulationsblöcke, die Kultgruppe „Die Penner“ durfte ebenso nicht fehlen wie Rückblicke der Gruppe um Axel Theisen, Andreas Hesse, Harald Kopp und Markus Weiler auf die längst verstorbenen Größen der Vergangenheit, die so viel für den Kottenheimer Karneval getan hatten. Benno Schäfer, Rudi Weiler, Karl Mürlebach, Karl Gautsche, Willi „Appelunne“ Müller, Helmut Kollig und wie sie alle hießen.
„Die ganze Gemeinde hat den Karneval von klein auf im Blut, ein solches Jubiläum wird nicht jeden Tag gefeiert. Die KKG hat monatelang alles vorbereitet, Prinz Henrik I. wurde geadelt und hat den Saal gerockt“, freute sich Ortsbürgermeisterin Corinna Behrendt. „Es ist beeindruckend, was hier in dieser Karnevalshochburg mit viel Weitsicht geleistet wird“, lobte Alfred Schomisch, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Vordereifel. „Der Karneval hilft, den Alltag zu vergessen. Der Frohsinn ist in Kottenheim genetisch bedingt, es ist ein universelles Ereignis.“
„Es ist ein Lebensgefühl, es ist Zusammenhalt“
Die emotionalste Rede hatte der Bendorfer Stadtbürgermeister Christoph Mohr als Vertreter von Landrat Markus Boos mit im Gepäck. „Ich bin in Kottenheim aufgewachsen und dem Karneval immer noch sehr verbunden. Was hier über 111 Jahre entstanden ist, das ist nicht einfach nur Karneval. Es ist ein Lebensgefühl, es ist Zusammenhalt. Und es ist gelebte Demokratie, das will ich heute bewusst betonen“, verdeutlichte Mohr. Das KKG-Motto „Allen wohl und niemand weh“ wirke heute so aktuell, so modern, so richtig. Es sei mehr als nur ein netter Spruch. „Es ist ein Statement, ein Gegenentwurf, ein Wertekompass in unruhigen Zeiten.“
Karneval, so wie ihn die KKG lebt, sei nicht nur einfach Frohsinn auf Knopfdruck. „Er ist eine Schule der Freiheit und des Zusammenhalts. Hier entsteht keine Kultur gegen etwas, sondern für etwas. Für die Freiheit, für die Vielfalt, für das Miteinander“, so Mohr. „Und wenn ich einmal darüber nachdenke, dann ist das doch eigentlich genau das, was unser Land brauchen kann, nicht nur an Karneval. Möge die KKG auch in den nächsten 111 Jahren laut, bunt, fröhlich und frei sein. Bleibt offen. Bleibt mutig. Bleibt stabil.“
Der Samstag war den Feierlichkeiten vorbehalten. Um 18.30 betrat die Gruppe „Die Moonshiners“ die Bühne im Bürgerhaus, um 21 Uhr übernahm für komplette zwei Stunden die Kölner Kult-Band „Bläck Fööss“. Die 850 Besucher mussten erst gar nicht mehr zum Kochen gebracht werden, dafür hatten die tropischen Temperaturen schon vorher gesorgt.

Um den Nachwuchs muss sich die KKG keine Sorgen machen.

Untrennbar: der Prinz und sein Traktor.