Allgemeine Berichte | 02.04.2019

Tourist Information und Stadtmarketing luden ein zum 1. Linzer Poetry Slam

Moderner Dichterwettstreit zwischen traditionsreichen Mauern

Zwischen tosendem Gelächter und Tränen in den Augen erlebten die Linzer eine Achterbahn der Gefühle

Die Poetry Slammer des Abends zitterten vor der ersten Publikumsentscheidung - Lasse Samström Mario el Toro Lenny Felling Leonie Batke und Nicki Schu. Fotos: KBL

Linz. Ein besonderes Ereignis in besonderer Umgebung war der 1. Linzer Poetry Slam im Festsaal der Burg Linz. Tourist Information und Stadtmarketing hatten in Zusammenarbeit mit der Burg Linz ein ebenso fantastisches wie neues Event aus der Taufe gehoben. Der Saal war nicht nur bis auf den letzten Platz gefüllt – nein, das bunt-gemischte Publikum zwischen 15 und 75 Jahren lag sogar vor der ersten Reihe auf bunten Sitzkissen und füllte den Raum zur Bar hinter den letzten Reihen. Die Atmosphäre war vor Beginn erwartungsvoll-entspannt, auf eine Bühne war verzichtet worden, stattdessen leuchteten im vorderen Teil des Saales Kerzen im Kamin und auf einer Sitzgruppe aus Chesterfield-Sesseln lümmelten sich die Poesie-Künstler des Abends. Neugierig warteten die Linzer auf den Beginn als ein junger Mann plötzlich zum Mikrofon griff: „Guten Abend Linz! Ich bin Jesko und werde euch jetzt einmal erklären, wie so ein Poetry Slam läuft … ich hoffe, es ist okay, wenn ich euch duze.“ – und los ging ein rasanter Abend, an dem sich Pointen und melancholische Momente, lautes Lachen und Tränen in den Augen aneinander reihen sollten.

Moderator Jesko Habert vom Berliner Künstlerkollektiv „Kiezpoeten“ führte mit charmanter Schnodderschnauze durch den Abend und hatte sein Publikum schnell im Griff. Er erklärte zunächst die Regeln des Wettbewerbs, denn „Kunst kann man nicht bewerten … aber wir machen es trotzdem. Einer kann diesen Abend gewinnen!“ Um den Gewinn in Form eines exklusiven Kiezpoeten-Pinnchen nebst geistreicher Füllung zu erlangen, galten für die poetischen Rivalen nur drei Regeln: jeder vorgetragene Text musste selbst verfasst sein, es durften keinerlei Requisiten oder Verkleidungen genutzt werden und jeder Vortragende hatte sechseinhalb Minuten Redezeit, die exakt im Kopf des Moderators nachgehalten wurden. Bewertet wurden die Vorträge mit „einem wissenschaftlichen Instrument namens ‚Applaus‘“, eine spezielle Bewertungstechnik, die Jesko gleich mit dem Publikum einübte. Aus dem Stand in tosenden Applaus auszubrechen, war selbst für die geübten Linzer zunächst nämlich gar nicht so einfach.

Durch Jesko Haberts Anekdoten seiner Kindheitsträume bezüglich einer Karriere als „Transparent-Man“ oder Lokführer wunderbar in Stimmung gebracht, hatte die erste Poetin des Abends, Nicki Schuck aus Mainz, ein leichtes Spiel. Ihr nachdenklicher Text „Akzeptanz“ über die menschliche Tendenz, allzu schnell ein Urteil zu fällen – ohne sich in sein Gegenüber hinein zu versetzen oder sich über dessen Beweggründe zu informieren – ließ eine nachdenkliche Stimmung im Burgsaal entstehen. Ihr folgte mit Leonie Batke eine weitere Mainzerin auf die Bühne. Leonies Text mit dem Titel „Eigentlich“ war ein Appell an den Mut, seine Meinung zu vertreten, für seine Ecken und Kanten grade zu stehen und sich nicht aus Bequemlichkeit oder Angst anzupassen. Und den Mund zu halten, beizupflichten, obwohl man etwas anderes denkt. Der dritte Mainzer und Kontrahent des Abends hörte auf den Namen Lenny Felling und überraschte das Publikum zunächst mit seiner leicht kritisch eingefärbten Selbsteinschätzung: „Was für ein Lauch …. Kaust du nur oder schluckst du auch?“ Der schmal gebaute junge Mann ließ lautes Gelächter durch den Raum wogen und betonte: „Dabei bin ich romantisch! Welche Frau widersteht schon einem bunten Strauß Neurosen?!“

Nach Lennys spitz formulierter Selbstkritik folgte Mario el Toro aus Köln mit einem ironisch-humorvollen Wortgemälde von Adam, Eva und ihren beiden Jungs am Frühstückstisch. Besonders bezauberte da die Vorstellung von Abel mit seinem „Butterblümchen-Tourette“ – dem Zwang, in regelmäßigen Abständen frohlockende Jubelrufe auszustoßen. Als letztes trat in der ersten Poetry Slam-Runde Lasse Samström auf, der bei seiner Anreise aus dem Eifelort Prüm zahlreiche Hindernisse zu überwinden hatte – nicht zuletzt eine schweißtreibende Wanderung mit Rollkoffer, weil „direkt hinter Unkel kommt doch dieses Linz!“ … Der Erfinder der Schüttelprosa erhielt mit seiner Wortsalat-Tirade tosenden Applaus: „Wie könnt ihr nur Krieger in diese Welt Kinden?“, fragen die Messipisten“, setzte er an, um sich gleich selbst zu antworten: „Kinder sind unsere Kuh-Zunft! Plätten wir diesen Raneten!“ Mit seiner brüllend-komischen Wortakrobatik gewann Lasse verdient die erste Runde und zog direkt ins Finale ein.

Nach der Pause traten die verbliebenen vier Poetry Slammer noch einmal gegeneinander an und boten dem Linzer Publikum ein atemberaubendes Wechselbad der Gefühle. Der tief berührende Text von Mario el Toro über Janusz Korczak, der die Kinder seines Waisenhauses freiwillig ins Vernichtungslager begleitete, ließ viele im Raum mit Tränen in den Augen zurück. Lenny Fellings „Dr. Evil-Prinzip“ hingegen reizte wieder die Lachmuskeln und bot Leonie Batke eine gute Vorlage, die mit ihrem bissigen Text über Übergriffe und Verständnisschwierigkeiten beim Wort „Nein“ das Publikum für sich gewann. Nicki Schlucks engagierter Text über eine jugendliche Kranke, die auf ein Spenderherz wartete, reichte in dieser Runde leider nicht mehr zum Sieg.

Nachdem die beiden Finalisten Lasse Samström und Leonie Batke mit „Fantasie-Ganzkörper-Schnick-Schnack-Schnuck“ ausgehandelt hatten, wer die letzte Runde beginnen durfte – nach Meinung des Publikums schlägt Christina Aguilera (Lasse) einen Stein (Leonie) – wurden die Zuschauer Zeugen des schüttelprosaischen Leid eines verlassenen Mannes. Denn Lasse erlebte den „Alpmann eines jeden Traumes“ – er wurde verlassen: „fregen einer Wau! Sie hat sich in eine Lau verfriebt!“. Doch Leonie Batkes Text „Die freie Hälfte deines Bettes“, ging den Linzern noch etwas mehr zu Herzen. Ihr flammender Appell dafür, sich selbst lieben zu lernen anstelle Bestätigung in wechselnden Beziehungen zu suchen, begeisterte im Publikum besonders die jüngere Generation, denen diese Problematik zwischen Tinder und „Freundschaft plus“ nur allzu geläufig sein dürfte.

Verdient gewann die junge Poetin den ersten Linzer Poetry Slam unter tosendem Applaus – und bedankte sich strahlend bei ihrem Publikum. Auch Moderator Jesko Habert wandte sich, nach einem Dank an die Organisatoren vonseiten der Tourist Information und dem Stadtmarketing, noch einmal an die versammelten Linzer: „Ihr seid ein fantastisches Publikum – ihr seid sehr da!“ Und diese Begeisterung beruhte ganz eindeutig auf Gegenseitigkeit, denn beim Verlassen der Burg versicherten sich Linzer aus allen Altersgruppen gegenseitig: „Beim nächsten Mal sind wir wieder dabei!“

Moderner Dichterwettstreit zwischen traditionsreichen Mauern
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