Neulich bei Olga
von Gregor Schürer
Regelmäßige LeserInnen meiner Kolumne wissen schon, dass ich bisweilen in die Sauna gehe. Neulich hatte ich mal wieder Wellnesstag und da habe ich Olga getroffen. Der Reihe nach. Ich sitze in der großen Sauna, da kommt eine Zeremonienmeisterin herein, um uns auf den ersten großen Aufguss des Tages vorzubereiten. Olga – ich nenne sie hier so, in Wirklichkeit trägt sie einen anderen Namen – erzählt uns in holprigem, aber gut verständlichen Deutsch und mit rollendem R, dass sie neben holzigem Birkenduft und Campher auch eine Kaffeenote beigemischt hat – damit wir alle wach werden. Da wird schon gelacht in der Sauna, bevor es ans Schwitzen geht. Olga macht einen perfekten Aufguss und verteilt die heiße Luft kraftvoll und elegant im ganzen Raum.
Beim Abkühlen vor der Tür spreche ich sie an. „Darf ich fragen, woher Sie kommen, Olga?“ Sie stammt aus der Ukraine, das habe ich mir fast schon gedacht. Vor neun Jahren ist sie nach Deutschland gekommen. Erst als junge Erwachsene hat sie erfahren, dass ihr Großvater deutsche Vorfahren hatte und einen deutschen Namen trug. „Deswegen sprechen Sie auch so gut unsere Sprache“, mutmaße ich. „Nein“, lacht sie, „das habe ich erst hier gelernt, dort war es lange verboten, deutsch zu sprechen.“
Saunameisterin ist nur ihr Minijob, im Hauptberuf pflegt sie demenzkranke Senioren. Das kann ich mir gut vorstellen, sie hat so eine zupackende, gleichzeitig herzlich zugewandte Art. „Haben Sie das denn auch in der Ukraine gemacht?“, will ich zum Schluss wissen. Wieder lacht sie: „Nein, beide Berufe, die ich hier ausübe, gibt es dort gar nicht. Ich war Musiklehrerin.“
All den Populisten in der Politik und am Stammtisch, die gerne auf „die Ausländer“ zeigen, empfehle ich einen erhellenden Saunaaufguss, am besten mit Olga. Wenn das Gehirn durch die Hitze besonders gut durchblutet ist, wird sicher auch ihnen klar, dass wir unseren Laden ohne diese gern pauschal verurteilten Menschen morgen zumachen könnten.
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