Allgemeine Berichte | 18.01.2015

PEGIDA wächst und ihre Gegenbewegung auch - Wie denken Sie über die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, liebe Leserinnen und Leser?

Patrioten spalten Deutschland

Ziert bald der Halbmond die Deutschlandflagge?

Dresden. Sie seien keine Rassisten, betont PEGIDA immer wieder, allen voran der Kopf und Gründer des Vereins „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, Lutz Bachmann. Indes pocht er aber auf „null Toleranz“ gegenüber straffälligen Ausländern.

Islamisierung des Abendlandes

Gerade er muss wissen, um was es geht, wenn er von „Straffälligkeit“ spricht, liest sich sein Lebenslauf doch wie das Drehbuch für einen abendfüllenden Krimi. Der 1973 in Dresden geborene Bachmann absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Koch, gründete 1992 eine Werbeagentur - und trat dann mehrfach strafrechtlich in Erscheinung durch die Begehung von verschiedensten Straftaten wie beispielsweise Körperverletzung, Einbruch und auch Diebstahl. Unter anderem wurde er 1998 zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, entzog sich aber nach der Verurteilung der Justiz und flüchtete nach Südafrika. Dort lebte er zwei Jahre lang unter falschem Namen, wurde dann aber von der Einwanderungsbehörde identifiziert und nach Deutschland abgeschoben. Zurück im Heimatland musste er seine Strafe dann absitzen, wobei er aber nach zwei Jahren Haft in Deutschland vorzeitig auf Bewährung entlassen wurde. Doch geläutert war Bachmann noch lange nicht. 2008 wurden bei ihm 40 Gramm Kokain und ein weiteres Mal 54 Gramm gefunden, so dass er erneut verurteilt wurde, auf Bewährung. Diese Strafe läuft im Februar 2015 aus.

Und dieser Lutz Bachmann gründete am 11. Oktober vergangenen Jahres die geschlossene Facebook-Gruppe „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Anlass waren nach eigenen Angaben zwei Straßenschlachten zwischen Kurden und gegnerischen Muslimen in Hamburg und Celle am 8. Oktober 2014.

Überfremdung, Volksverräter und Lügenpresse

Bachmanns erklärtes Ziel war, gegen eine Solidaritätskundgebung für die in Deutschland verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und deren bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zu protestieren. Nur wenige Tage nach Gründung der Gruppe beteiligte sich auch Siegfried Däbritz, ein ehemaliger FDP-Stadtratskandidat aus Meißen, am Geschehen und forderte Demonstrationen gegen „die fortschreitende Islamisierung unseres Landes“ und „Glaubenskriege auf unseren Straßen“ durch „terroristische, islamistische Kräfte“. Gleichsam forderte er dazu auf, der Bundesregierung auch die Ablehnung von „Political Correctness“ und die „ständige Beschimpfung als Nazis“ zu zeigen und dazu die Parole „Wir sind das Volk“ zu verwenden - entliehen von den Montagsdemonstrationen der DDR in den Jahren 1989/1990. PEGIDA und ihre Dresdener Montagsdemonstrationen waren geboren.

Zwar betonte Därbitz, ihre Initiative dürfe „kein Sammelbecken für rechte Spinner, Neonazis und dergleichen“ werden, denn ohne Zweifel zieht der rechtspopulistische Verein auch Vertreter der Neonazi- und der Hooliganszene an. Und auch Bachmann bevorzugt ausdrücklich die Selbstbezeichnung „Patriot“, auch wenn das eher eine Randnotiz in der sonst stark nationalsozialistisch gefärbten Sprache von PEGIDA ist, die von „Abendland“ über „Überfremdung“ bis hin zu „Volksverräter“ reicht und in „Lügenpresse“ ihren traurigen Höhepunkt erreicht hat - der Begriff stößt selbst bei politisch neutralen Sprachwissenschaftlern auf derart starke Kritik, dass es gerade zum „Unwort des Jahres“ gewählt wurde.

Bundesweite Ableger

Hat die Öffentlichkeit am Anfang noch kaum hingeguckt, wird die PEGIDA-Bewegung aber von Woche zu Woche größer und immer mehr Anhänger finden montags den Weg nach Dresden zum wöchentlichen „Abendspaziergang“ durch die Innenstadt. Trafen sich zur ersten Demonstration laut Polizeiangaben am 20. Oktober 2014 350 Gleichgesinnte, waren es zwei Tage vor Heilig Abend bereits 17.500 und am Montag dieser Woche gar über 25.000.

Die sächsische Landeshauptstadt gilt zwar nach wie vor als Zentrum von PEGIDA, aber andere Städte im Bundesgebiet zogen nach, wie beispielsweise die PEGIDA-Ableger in Bonn (Bogida), Düsseldorf (Dügida), Berlin (Bärgida) oder Leipzig (Legida). PEGIDA selbst distanziert sich von diesen Aktionen demonstrativ, doch der Tenor der Protestler ist weitgehend der gleiche, hier vielleicht etwas liberaler und dort unter Umständen ein wenig nationalsozialistischer geprägt. Allen gemeinsam ist ihnen eine grundliegende Politikverdrossenheit, sie halten die Medien weitestgehend für einseitig und manipuliert, sie gehen gegen „islamischen Extremismus“ auf die Straße, wobei sie sich auf das „christliche Menschenbild“ berufen, treten für die Verschärfung des Asylrechts ein, fordern mehr Polizeikraft und warnen wie eingangs bereits erwähnt vor kriminellen Ausländern.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Prof. Dr. Hans Vorländer vom Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung der TU Dresden das Ergebnis einer Studie. Ihr zufolge stammt der „typische“ Pediga-Demonstrant der Mittelschicht, er kommt aus Dresden oder Sachsen, ist gut ausgebildet, berufstätig, verfügt über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Nettoeinkommen, ist 48 Jahre alt, männlich, gehört keiner Konfession an und weist keine Parteiverbundenheit aus. Klingt eigentlich ganz normal und ganz harmlos?!

Religiös verbrämter Rassismus

Kirchenvertreter bewerten das ganz anders und werfen PEGIDA „religiös verbrämten Rassismus“ vor. PEGIDA schüre irrationale Ängste und sammle diffuse Aggressionen gegen Menschen anderer Kulturen und Religionen - bei alledem dürften Christen nicht mitmachen. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, erklärte, die Angst vor islamistischem Terror werde instrumentalisiert, um eine ganze Religion zu verunglimpfen, was „inakzeptabel“ sei. Auch die Deutsche Bischofskonferenz lehne Pegida „ohne Wenn und Aber“ ab.

Doch es sind nicht nur die Kirchen, die sich erheben. Auch ranghohe Politiker, Wirtschaftsvertreter und Prominente aus dem Film- und Showgeschäft distanzieren sich öffentlich von dem Gedankengut der „Patriotischen Europäer“. Der prominente DDR-Bürgerrechtler kritisierte beispielsweise scharf, dass PEGIDA Parolen der DDR-Bürgerrechtsbewegung von 1989 missbrauche. So habe sich der Freiheitsruf „Wir sind das Volk“ gegen die Mächtigen gerichtet und grundlegende Veränderung eingefordert „und dann auch geführt“. Heute dagegen richte sich genau diese Parole „gegen die Schwächsten, die Hilfsbedürftigen, die Zuwanderer“. Elmar Theveßen, Terrorismusexperte des ZDF, sieht die Islamisierungsthese der PEGIDA als gefährliches Merkmal der „Islamfeinde, die sich quer durch Europa vernetzt haben“, das leicht zur Rechtfertigung von Gewalt benutzt werden könne. Ein Video, mit dem zu PEGIDA-Kundgebungen aufgerufen wurde, sei wegen Schlachtszenen und Kampfrhetorik ein „fast unverhohlener Aufruf zur Gewalt“, der sich der gleichen Motive bediene, wie es seinerzeit der norwegische Massenmörder Anders Breivik tat, nämlich die eines angeblich nötigen Verteidigungskampfes für das christliche Abendland.

Doch es sind nicht nur Prominente, die PEGIDA und ihre Zielen in Frage stellen. Denn ebenso wie die PEGIDA-Aktivitäten immer mehr Menschen an sich binden, so wird auch die Zahl ihrer Gegner in der breiten Bevölkerung immer größer. Die einen kritisieren auf humanistisch-ethischer Ebene, die anderen auf juristischer, hier sind es religiöse Motive, dort politische. In Köln, in Bonn, und in Mainz, in München und in Dresden, in Hamburg, in Saarbrücken, in Rostock und in Berlin gehen sie auf die Straße, für ein „buntes“ Deutschland, für ein „weltoffenes, tolerantes“ Land, das vertriebenen Menschen Frieden gewährt und eine Heimat geben will, für „kulturelle Vielfalt“ zwischen Flensburg und München. Unterstützung finden sie auf verschiedenste Art. So stellte der Kölner Domprobst beispielsweise der Pegida am 5. Januar unter dem Motto „Licht aus für Rassisten“ die Beleuchtung des Gotteshauses ab und ließ die Demonstranten im Dunkeln stehen - eine Aktion, die sogar im Ausland Beachtung fand.

Was meinen Sie dazu?

Dafür oder dagegen zu sein, ist das eine. Aber wem nutzt das unterm Strich? Bringt uns das wirklich weiter? Hans-Joachim Maaz, Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Beziehungskultur in Halle, riet der Politik und den Medien im Rahmen eines Interviews im Deutschlandfunk, die Anliegen der Pro-PEGIDA-Demonstranten zu analysieren, ihre Kritik ernstzunehmen und den Dialog zu suchen. Maaz hält es für einen großen Fehler anzunehmen, den Demonstranten ginge es um das Thema „Islam“.

Die ursächlichen, auslösenden Probleme sieht er vielmehr in „Finanzkrise, Umweltproblemen und sozialen Konflikten“, eine etwaige „Islamisierung“ sei lediglich „Aufhänger“ von Pedgida, um sich zu versammeln.

Und wie denken Sie darüber, liebe Leserinnen und Leser? Denken Sie wie unser Bundespräsident, der in seiner Weihnachtsansprache mahnt, „Ängste ernst zu nehmen, heißt nicht, ihnen zu folgen“?! Vertrauen Sie wie Joachim Gauck, „unseren Werten, unseren Kräften und … auch unserer Demokratie“? Leben Sie gerne in einer toleranten, bunten und vielfältigen Gesellschaft? Oder haben auch Sie Angst vor Überfremdung, vor gewaltbereiten Asylsuchenden? Hat PEGIDA aus Ihrer Sicht die richtigen Antworten, um islamistisch geprägten Terror zu vereiteln? Ist religiöser Terror verachtenswerter als politischer? Und wünschen Sie sich in unserer Region mehr PEGIDA-Aktivitäten? Wie denken Sie darüber? Wir freuen uns auf Ihre Meinung zu dem Thema.

Schreiben Sie einfach an:

blick-aktuell@kruppverlag.de und teilen Sie uns auch kurz mit, ob wir Ihre Meinung veröffentlichen dürfen.

Bundespräsident Joachim Gauck glaubt unbeirrbar an die Werte unserer Demokratie. Bundespräsidialamt

Bundespräsident Joachim Gauck glaubt unbeirrbar an die Werte unserer Demokratie. Foto:

Dieter Schütz_pixelio.de

Foto:

Kundgebung für Weltoffenheit vor der Frauenkirche in Dresden mit 35.000 Teilnehmern (10. Januar 2015).  Foto: Wikipedia/Dr. Bernd Gross

Kundgebung für Weltoffenheit vor der Frauenkirche in Dresden mit 35.000 Teilnehmern (10. Januar 2015). Foto: Wikipedia/Dr. Bernd Gross

Prof. Dr. Hans Vorländer hat eine Studie erstellt, wie der „typische“ PEGIDA-Demonstrant aussieht.TU Dresden

Prof. Dr. Hans Vorländer hat eine Studie erstellt, wie der „typische“ PEGIDA-Demonstrant aussieht. Foto:

Ziert bald der Halbmond die Deutschlandflagge?

Leser-Kommentar
Bildergalerien
Neueste Artikel-Kommentare
  • H. Schüller: "klimafreundliche Elektromobilität" ist eine Falschbehauptung, denn der Bahnstrommix enthält reichlich Kohlestrom aus dem vor wenigen Jahren neugebauten Bahnkraftwerk Datteln. Oberleitungsfreie Bahnen...
  • Martin Schaefer : Meiner Meinung nach ist nur eine Brücke für alle (Autobrücke) sinnvoll. Sei es um bei Hochwasser den Rhein queren zu können ohne nach Neuwied oder Bonn fahren zu müssen. Auch sehe ich darin die größte...
  • Claus Schulte: Aufgrund der Kosten sollte keine Brücke zwischen Erpel und Remagen gebaut werden. Die Planungs-, Genehmigungs- und Baukosten für eine Brücke und die benötigten Anschlußbauwerke zwische Erpel und Remagen belaufen sich auf viele Mio.
  • Karsten Fehr: Aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes ist eine Autobrücke an dieser Stelle als unrealistisch anzusehen; es handelt sich hier um das FFH-Gebiet "Rheinhänge zwischen Unkel und Neuwied" (DE 5510-302)....
  • K. Schmidt: Als Rheinland-Pfälzer ist man zunächst mal erstaunt, dass die Funktion des Ortsvorstehers in NRW überhaupt nur Bestandteil eines Auswahlprozesses in den Parteien ist. Hier werden Ortsvorsteher, augenscheinlich...
  • Joachim Steig : Ein schönes PM-Statement der Mehrheitsfraktionen im Stadtrat. Für eine wirksame und bürgernahe Arbeit von Ortsvorsteher oder Ortsvorsteherin ist aber weniger das Auswahlverfahren als die Qualifikation des Kandidaten oder der Kandidatin entscheidend.
Dauerauftrag 2025
Rund um´s Haus
Dauerauftrag 2025
Daueranzeige
Pelllets
PR-Anzeige Hr. Bönder
Heimersheimer Weihnachtsmärktchen, 29. – 30.11.25
Black im Blick
Empfohlene Artikel

Niederbreitbach. Der lebendige Adventskalender in Niederbreitbach findet vom 1. bis 24. Dezember 2025 statt. Täglich um 18 Uhr, für etwa 30 Minuten, öffnen sich im Ort geschmückte Fenster und Türen. Dort treffen sich Besucher zu Liedern und Geschichten rund um den Advent. Eingeladen sind alle – Jung und Alt, Groß und Klein, mit und ohne Kinder.

Weiterlesen

Neuwied. Wie können Kinder, Jugendliche und Erwachsene noch besser für Umweltschutz und nachhaltiges Handeln begeistert werden? Mit dieser und ähnlichen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmenden des diesjährigen Stationsleitungstreffens der LernOrte Nachhaltigkeit Rheinland-Pfalz, das am 5. November 2025 in der Zooschule des Zoo Neuwied stattfand. Organisiert wurde das Treffen vom Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz.

Weiterlesen

Weitere Artikel

-Anzeige-Mitmach-Aktion „Deutschland sucht den Lieblingsladen“

Kauf Lokal-Award geht zum dritten Mal in Folge nach Neuwied

Neuwied. Die Mitmach-Aktion „Deutschland sucht den Lieblingsladen“ geht mit einer Rekordbeteiligung zu Ende. Bis zum 20. Oktober konnten Shoppingfans aus ganz Deutschland für ihren Lieblingsladen online abstimmen. Jetzt stehen die Siegerinnen und Sieger ihres jeweiligen Bundeslandes fest, die am 15. November mit dem „Kauf Lokal“-Award zum „Lieblingsladen 2025“ gekürt wurden.

Weiterlesen

Anzeige Haushaltsauflösungen und Ankauf
Anzeige Holz Loth
Baumfällung & Brennholz
Imageanzeige
Schulze Klima -Image
Image
Ganze Seite Andernach
Imageanzeige Alles rund ums Haus
Nordmanntannen ab 4m zu verkaufen
Titelanzeige
Anzeige Shopping-Genuss-Abend
Stellenausschreibung Verkehrsabteilung
Titelanzeige
Shopping-Genuss-Abend in Bad Neuenahr-Ahrweiler am 20.11.25
Stellenanzeige Sachbearbeiter/in Wohngeld
Nikolausmarkt in Oberbreisig
Heimersheimer Weihnachtsmärktchen, 29. – 30.11.25
Vorabrechnung, Nr. AF2025.000354.0, November 2025