Beeindruckendes Konzert in Burgbrohl

Selbst die Kaiserhalle spielt mit

Selbst die Kaiserhalle spielt mit

Zu den vehementesten Klangäußerungen gehörten Ballschläge auf den Hallenboden. Foto: HG

Selbst die Kaiserhalle spielt mit

Auch bewegte Bleche und Murmeln kamen zum Einsatz. Foto: HG

Selbst die Kaiserhalle spielt mit

Sie unterrichtet, komponiert und musiziert: Nathalia Grotenhuis besitzt zahlreiche Talente. Foto: HG

Burgbrohl. Niesen, Räuspern, Husten - in dieser Jahreszeit mit ihren nasskalten Eskapaden lassen sich derartige Äußerungen selbst im Konzert beim besten Willen kaum völlig unterbinden. Doch nichts dergleichen störte den Ablauf einer besonderen Aufführung jüngst in der Kaiserhalle. So konzentriert waren die rund 65 Zuhörer bei der Sache.

Die Komposition und künstlerische Leitung lag bei Nathalia Grotenhuis. Seit Anfang Oktober und noch bis zum 9. Dezember ist sie Gastkünstlerin des Vereins AIM, der den Kunstpavillon Burgbrohl fördert. Die konzertante Aufführung „Circles“ (Kreise) am Samstag stellte gewiss einem Höhepunkt ihres Aufenthaltes dar. Dazu begrüßte seitens des Mitveranstalters Ortsgemeinde Brohltal die Beigeordnete Simone Schneider und vom Kunstpavillon dessen künstlerische Leiterin Karin Meiner, die auf die Förderung des Projektes im ländlichen Raum durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hinwies. Wie sehr sie vom ersten Augenblick an von der ursprünglich als Ball- und Theatersaal konzipierten Kaiserhalle begeistert war, ließ Grotenhuis das Publikum wissen. Durch die Bauweise - „es ist nur eine Kuppel, die auf den Boden gesetzt worden ist“ – entstehe eine Flüstergalerie und ein Flatterecho, klassische akustische Phänomene, die üblicherweise unerwünscht sind.

Starke Schallenergie

So hieß es nach der vierjährigen grundlegenden Sanierung der Halle, welche die Ortsgemeinde als Besitzer in Auftrag gegeben hatte, dass diese Phänomene nun gemindert seien. Die Gastkünstlerin aber war froh über verbliebene schallenergetische Effekte. Denn den Raum berücksichtigte sie dank seiner speziellen Eigenschaften als „eigenen Spieler“. „Zwei Monate durfte ich die Halle erforschen, jeder Meter hat da seine eigene Akustik“, erklärte Grotenhuis und kündigte an: „Wir zehn Spieler nutzen den ganzen Raum und es werden ganz viele ungewöhnliche Instrumente erklingen“. Neben ihr wirkten Künstler und Sänger verschiedener Chöre des Brohltals mit: Armin und Birgit Netz, Manfred Wagner, Regina und Norbert Schmitt, Lydia Lotzen, Karin Meiner, Sarah Neuroth (Gitarre) und Georg Holtbernd (Bratsche/Oberton). Neunmal hatten sie vor Ort geprobt und gemeinsam das Konzept weiterentwickelt. Sobald die Gäste im Kuppelrund saßen, bemerkten sie, wie vom Rand die schwarz gekleideten Protagonisten mit großen flexiblen Blechplatten an ihnen vorbei zur Mitte strebten. Dabei bewegten sie die Bleche, teils sachte, teils heftig schüttelnd, worauf Waber- und Wellengeräusche die Halle füllten. Blubbern wurde laut, lautes Knallen zerschnitt die Luft. Plötzlich Stille. Wechsel zu einem anderen instrumentellen Klang? Keineswegs, setzten doch die Metall-Instrumente erneut ein. Einander abwechselnd erinnerten sie an ein Gewitter mit abziehendem Donner. Nun wurden sie weggelegt. Wieder zentral versammelt, stimmten die Mitwirkenden gemeinsam einen Ton an, alsdann differenzierten sich die Stimmen unmerklich in verschiedene Tonhöhen. „Circles“ bot geordnete Abläufe, entpuppte sich aber für die Gäste als anspruchsvoll, da Klänge, Formationen und Bewegungen im steten Wechsel begriffen waren. Schon drehten sich die Sänger nach außen, wanderten zur Wand hin. Statt Vokale brachten sie nun Konsonanten vor. Hartes „Te“, Ka“, „Pe“ ertönte, abgelöst von Zischlauten, die noch einen Tick aggressiver klangen, sich in der Geschwindigkeit steigerten, um plötzlich abzubrechen.

Wenn Körper sprechen

Zeit, die Körper sprechen zu lassen, was in der Mitte unversehens eine Vierer-Gruppe übernahm. Die Body Percussion, Klangerzeugung mit Körpereinsatz, vollzog sich mit verteilten Rollen. Einer schlug sich auf die Brust, einer stampfte mit dem Fuß auf, ein dritter klatschte in die Hände und Grotenhuis haute sich auf die Hüften. Sie hob den Arm, ein Zeichen dafür, dass bereits der nächste Part bevorstand. Beinahe versteckt an der Wandrundung griff Sarah Neuroth in die Saiten ihrer Gitarre. Sie tat es zunächst verhalten, dann durchdringender, schneller, lauter, bis zur Auflösung zu vereinzelten Tönen, schob noch eine melodische Passage ein, um aufs Neue kraftvoller zu werden.

So endete der erste von drei Teilen. Die Zuhörer waren eingeladen, sich nach den beiden ersten Teilen auf einem anderen Platz niederzulassen, um alle akustischen Besonderheiten nachzuspüren. Aufgrund der individuellen Hörerfahrung innerhalb des Raumes werde jeder einzelne Zuhörer wird sein „eigenes Konzert“ erleben, hieß es. Manche blieben, wo sie waren, andere positionierten sich um. Im Fortgang erlebten sie die beiden weiteren Teile mit ähnlichen, aber immer komplexer arrangierten Elementen. Zu den Instrumenten kamen zwei große Gymnastikbälle hinzu, ebenso wie Murmeln, die ihre eigenen Geräusche, ob im Körbchen gedreht oder über den Boden rollend einspeisten. Teil zwei schloss mit eindrucksvollen Bratscheklängen und Obertongesang von Georg Holtbernd. Teil drei gipfelte im gemeinsamen Spiel von Neuroth, Holtbernd um Grotenhuis an Gitarre, Bratsche und Marimbaphon. Für diesen spannenden außergewöhnlichen Musikgenuss spendeten die Besucher kräftigen Applaus und blieben bei einem Imbiss und Austausch noch lange versammelt.