Ein Projekt für ganz Rheinland-Pfalz

Sport-Inklusionslotsen sollen dabei helfen, zueinanderzufinden

Sport-Inklusionslotsen sollen
dabei helfen, zueinanderzufinden

Daumen hoch für eine bessere Inklusion im Sport: Die Sport-Inklusionslotsen gehen ihre Aufgabe mit viel Optimismus an.Foto: privat

29.07.2021 - 13:27

Region. Wie lässt es sich erreichen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen viel besser und vor allem absolut gleichberechtigt ins gesellschaftliche Leben eingebunden werden? Eine der besten Möglichkeiten bietet sicherlich der Sport - doch auch auf diesem Gebiet sind echte Inklusion und selbstverständliches Miteinander im Alltag nicht leicht zu verwirklichen. Mit einem neuen Ansatz versuchen vier Organisationen, die Inklusion im rheinland-pfälzischen Sport deutlich voranzubringen: Sport-Inklusionslotsen sollen Vereinen und Menschen mit Beeinträchtigungen dabei helfen, zueinanderzufinden. Wir stellen drei Frauen vor, die sich in der Lotsenarbeit engagieren.

Federführend bei dem Gemeinschaftsprojekt ist der Landesportbund (LSB). In der Steuerungsgruppe aktiv sind außerdem der Behinderten- und Rehabilitationssportverband (BSV), Special Olympics und der Gehörlosen Sportverband. Inklusionsarbeit steht in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz vor besonders großen Herausforderungen, da gerade im ländlichen Raum vielen Sportvereinen das Know-How fehlt, wie sich vor Ort inklusive Rahmenbedingungen und Sportangebote umsetzen lassen. Hinzu kommen oft lange Fahrtstrecken und eine im Vergleich zu Großstädten schlecht ausgebaute Infrastruktur im öffentlichen Personennahverkehr.

Die 14 Sport-Inklusionslotsen, die das gesamte Land in sieben Regionen abdecken, kennen die Rahmenbedingungen vor Ort und sind gut vernetzt. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit Behinderungen als Ansprechpartner/in zu dienen und sie in Sportvereine zu vermitteln. Parallel dazu pflegen sie vor Ort Netzwerke und arbeiten daran, inklusive Strukturen zu schaffen und Sportangebote auszubauen, um mehr Menschen mit Beeinträchtigungen am organisierten Sport teilhaben zu lassen.

Evi Weis hat ihre eigenen leidvollen Erfahrungen damit gemacht, wie es ist, wenn Menschen mit Beeinträchtigung diese Teilhabe nicht ermöglicht wird. Als sportliches 13-jähriges Mädchen verlor sie bei einem Fahrradunfall den rechten Arm – und war schlagartig in einer Welt angekommen, in der Behinderte ausgegrenzt werden. Die 56-Jährige ist heute noch erschüttert, wie mit ihr damals umgegangen wurde: „Ich musste zwar in den Schulsportstunden anwesend sein, durfte aber die ganze Zeit über nur auf einer Bank sitzen und den anderen zuschauen.“ Sie empfindet die Aufgabe als Inklusionslotsin deshalb als für sich selbst maßgeschneidert: „Ich kann mich heute für Dinge einsetzen, die mir selbst in meiner Jugend verwehrt wurden.“

Seit 39 Jahren ist Evi Weis im öffentlichen Dienst tätig, konkret als Verwaltungsfachangestellte bei der Verbandsgemeinde Deidesheim in der Pfalz. Sehr lange arbeitete sie als Standesbeamtin, was ihr immer sehr viel Spaß machte: „Da konnte ich Leute bei den Hochzeiten glücklich machen. Ich hoffe das gelingt mir jetzt auch als Inklusionslotsin.“ Dann wechselte sie das Ressort und kümmerte sich um Schule und Sport – die ideale Plattform für ihre neue Aufgabe im Behindertensport.

Auch wenn sich in den vier Jahrzehnten seit ihrer eigenen Schülerzeit vieles für Menschen mit Beeinträchtigung verbessert hat, so bleibt auf dem Gebiet echter Inklusion im Alltag für Evi Weis noch viel zu tun. So gibt es im Landkreis Bad Dürkheim noch immer keine Stelle als Kreisbehindertebeauftragte/r – ein Job, den sich Evi Weis sehr gut vorstellen könnte. Sie weiß um die Bedeutung der kleinen Schritte, vor allem in der Pandemiezeit, in der viele Projekte auf Eis lagen. Deshalb ist sie sehr stolz darauf, dass es gelungen ist, in ihrer Heimatstadt Deidesheim die erste Inklusionsschaukel im Land zu installieren. Diese kann auch von Rollstullfahrern und anderen Menschen mit Beeinträchtigung genutzt werden. Vom Erfolg des Lotsenprojekts ist sie überzeugt – getreu ihrem Motto: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Katja Froeschmann ist am anderen Ende des Landes als Lotsin aktiv: Sie betreut die Region Rhein-Ahr und die Stadt Koblenz. Hauptberuflich arbeitet die 47-Jährige in der Öffentlichkeitsarbeit der Landesgartenschau gGmbH, eine Tätigkeit, die ihr bei ihrer neuen Aufgabe zugutekommt: „Eine gute Kommunikation ist das A und O bei der Lotsenarbeit. Die besten Konzepte bringen nichts, wenn sie nicht entsprechend bekanntgemacht werden.“

Auch neben ihrem Beruf hat Katja Froeschmann einen exzellenten Zugang zu den Anforderungen an eine Inklusionslotsin: „Ich bin selbst sehr sportaffin, Tanzen, Wandern, Walken oder Fahrradfahren sind mir in meinem eigenen Alltag sehr wichtig. Als Übungsleiterin im Volleyball lese ich regelmäßig die SportInForm. Da bin ich über eine Anzeige gestolpert, in der Sport-Inklusionslotsen gesucht wurden – und habe sofort gedacht: ‚Das ist was für mich‘.“

Über eine Trainer-Fortbildung bekam sie Kontakt zur Sitzvolleyball-Nationalmannschaft: „Ich war sofort Fan dieser Truppe und sehr froh, dass ich kürzlich bei einem Qualifikationsturnier für die Paralympics als Volunteer dabei sein durfte. Bei den Spielen der Mannschaft in Tokio werde ich extrem mitfiebern.“

Die besonderen Anforderungen an inklusiven Sport sind der Lotsin durchaus bewusst. Sie sieht hier aber auch viele Chancen, wie gemeinsamer Sport von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gestaltet werden kann. „Ein sehr gutes Beispiel ist Kanufahren beim Wassersportverein Sinzig. Dort wird Inklusion im Alltag vorbildlich gelebt.“

Wichtig ist Katja Froeschmann neben einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit vor allem, das Selbstbewusstsein der Menschen mit Beeinträchtigung zu stärken: „Es geht hier nicht nur um Angebote, die gemacht werden, sondern die Betroffenen selbst müssen auch ermutigt werden, aktiv entsprechende Projekte für inklusiven Sport zu fordern.“ Sie selbst ist bereit, in diesen Prozess viel Energie zu stecken: „Das ist für mich keine Arbeit, sondern eher eine Freude. Man bekommt viel mehr zurück, als man investiert.“

Kathleen Dollmann deckt als Sport-Inklusionslotsin mit einem Kollegen die Region Rheinhessen ab. Sie arbeitet als Physiotherapeutin seit 12 Jahren mit Menschen mit Behinderung, früher an der Schule mit Förderschwerpunkt Motorik in Nieder-Olm und derzeit in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Daneben ist sie auch im Projekt „Kommune inklusiv“ aktiv, eines von fünf dieser Art in Deutschland. Dort wird der inklusive Ansatz naturgemäß groß geschrieben und umfassend interpretiert, weil er sich auf Arbeit, Freizeit, Bildung und Gesundheit bezieht.

Die 40-Jährige ist Mutter von zwei sportlichen Söhnen, 14 und 12 Jahre alt. Die Diskrepanz zwischen beruflicher und persönlicher Erfahrung hat sie geprägt: „Für meine Kinder ist es selbstverständlich, mit dem Fahrrad zum Sport zu fahren, sie sind da völlig unabhängig und ohne Einschränkung. Für viele Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung ist das nicht so, sie haben große Schwierigkeiten, Sportangebote in der Nähe zu finden. Ebendort muss in Rheinland-Pfalz noch viel passieren.“

Da auch ihr Mann als Trainer aktiv ist, gehören Inklusionsfragen im Sport für sie zum Alltag. „Es ist sehr spannend, auch im familiären Umfeld mit diesen Fragen konfrontiert zu sein. Hierbei geht es nicht nur um körperliche Einschränkungen, sondern auch um sprachliche oder um psychische Barrieren. Man muss bei der Inklusion sicherlich auch Grenzen akzeptieren, aber es ist viel mehr Miteinander möglich, als in den meisten Vereinen realisiert wird.“

Ein ganz konkretes Beispiel ist für Kathleen Dollmann die Tatsache, dass es in vielen Vereinen keinen Inklusionsbeauftragten gibt. „Ich weiß auch, dass es in kleinen Vereinen oft schon schwer genug ist, überhaupt einen Vorstand zu besetzen. Aber in großen Vereinen muss es möglich sein, dass Inklusionsbeauftragte eine Selbstverständlichkeit werden.“ Auch darin sieht sie eine Aufgabe für die Lotsen, wobei sie beeindruckt ist, wieviel unterschiedliche Ansätze es unter den Lotsen gibt, Inklusion zu gestalten. „Wir sind eine bunt gemischte Truppe, und können viel voneinander lernen. In einem Punkt sind wir uns alle absolut einig: Selbstverständliche Inklusion im Sport ist unser gemeinsames Ziel“.

Silvia Wenzel leitet das Sport-Inklusionslotsenprojekt beim LSB und ist dankbar, dass in der gemeinsamen Konzeption mit den Verbänden der Steuerungsgruppe ein solches Vorreiterprojekt in Rheinland-Pfalz umgesetzt werden kann: „Die 14 Lots*innen machen vor Ort einen tollen Job und ich kann nur empfehlen, zu der jeweiligen Lots*in Kontakt aufzunehmen und eine Unterstützung oder Beratung zum Thema Inklusion in Anspruch zu nehmen. Nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Vereine oder Übungsleiter*innen können davon profitieren.“

Dominic Holschbach, Sportreferent beim Behinderten- und Rehabilitationssport-Verband, ist sehr angetan von dem Projekt:: „Als Mitglied der Steuerungsgruppe freuen wir uns im BSV sehr über die tolle Zusammenarbeit mit den Lotsen. Konkrete Ergebnisse hat diese Kooperation auch schon geliefert. So haben wir mit den Lotsen gemeinsam ein „Kids-und Teenie-Sportcamp“ organisiert, das vom 11. - 13. Oktober in Koblenz stattfinden soll. Auch bei verschiedenen TalentTagen werden die Lotsen vor Ort sein. Ein kontinuierlicher Austausch in Form von Online-Meetings und telefonisch Absprachen bildet die Basis für diese tolle Zusammenarbeit.“

Pressemitteilung Behinderten-

und Rehabilitationssport-

Verbandes Rheinland-Pfalz (BSV)

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