Narrengericht tage in der Sinziger Osteria

Vom 1a-Freispruch bis zuAuflagen und Geldstrafen

Vom 1a-Freispruch bis zu
Auflagen und Geldstrafen

Auch die hohe Geistlichkeit war beim Narrengericht mit von der Partie.

Vom 1a-Freispruch bis zu
Auflagen und Geldstrafen

Auch der Wirt der Osteria stellte sich dem Narrengericht.

Vom 1a-Freispruch bis zu
Auflagen und Geldstrafen

Für die närrischen Regenten gab es statt Strafen ein Geschenk.

Vom 1a-Freispruch bis zu
Auflagen und Geldstrafen

Hermann und Peter Krupp gemeinsam mit Juniorchefin Susanne Tack vor dem Narrengericht. RÜ

Sinzig. Über das Jahr registrieren die Reservisten der Närrischen Buben recht genau, wer sich etwas „geleistet“ hat in Sinzig oder unfreiwillig für Stadtgespräche sorgt. Beim Närrischen Gericht, das nun in der Osteria Da Giorgio tagte, kam alles auf den Tisch. Wie unterschiedlich dosiert da Mitgefühl und Tadel für honorige Bürger, Gewerbetreibende, Ehrenamtler und Parteiprominenz ausfielen, konnte höchstens Neulinge des Geschehens überraschen. „Richter“ Franz-Hermann Deres und „Staatsanwalt“ Ludger Lohmer knöpften sich jedenfalls geschmeidig parlierend rund 30 Angeklagte vor, darunter Claudia Thelen, Stadtratsmitglied und Organisatorin der Heinz Degen-Kostümausstellung. Etliche Schilder für ihren Naturkostladen waren dem Gericht in der Stadt aufgefallen, weshalb es Claudia Thelen dazu verdonnerte, im nächsten Jahr Schilder für die KG Närrische Buben zu erstellen. Straffrei blieb Bürgerforum-Vorsitzender Manfred Ruch, der als Bürgermeisterkandidat eine Lokalrunde gegeben haben soll, im Karneval jedoch nicht. Zunächst bestritt er jegliche Schuld, begriff aber rechtzeitig, dass Demut mehr zieht. Also klagte er sich selbst an, den Prinzenorden auf dem Küchentisch vergessen zu haben, und stimmte so den Richter gnädig. Der urteilte: „Er soll ein Kölsch auf Ex trinken und damit ist es gut“.

Delinquenten-Trio Krupp

Manchmal kamen die Angeklagten, denen je ein Freibier zusteht, zu mehreren, zum Beispiel die Geschäftsführer Peter Krupp und Herrmann Krupp mit Juniorchefin Susanne Tack des Krupp Verlages. Das Trio hatte sich zu verantworten, weil es zum richtigen Datum der Prinzenproklamation den falschen Wochentag veröffentlichte. Peter Krupp hatte zudem bei einer Buben-Sitzung gefehlt, Hermann Krupp war mit Prominenten unterwegs, ohne sie nach Sinzig einzuladen. Damit konnten sie schwerlich ungeschoren davonkommen: Der Urteilsspruch besagte, dass Hermann Krupp die Leute einladen muss und bei der KG eine „Sicherheitsleistung“ hinterlegt. Hinter derartigen Bezeichnungen steckten, wie nicht anders zu erwarten, stets Geldstrafen. Doch warum sollte auch ein solch hässliches Wort verwendet werden, wenn der Sprachschatz anderes hergibt?

Zu dritt mussten auch die Angeklagte Christine Schumacher vom Bistro Barbarossa’s und die Zeugen der Feuerwehr Andreas Braun und Dirk Sauer vortreten. Doch ehe man sich versah, war aus Christine Schumacher, wegen eines rauchenden Kühlschranks angeklagt der „kostenlosen Inanspruchnahme kommunaler Leistungen“, eine Zeugin geworden, während das Gericht Andreas Braun und Dirk Sauer ins Lager der Delinquenten schob. Sie wurden peinlich befragt, „wie konnte die Cäcilia-Hütte abbrennen“, dann allerdings höchstrichterlich vollständig entlastet. Das gemeinsame Erheben des Glases von Franz-Hermann Deres, Ludger Lohmer und den Vorgeladenen unter dem Motto „Befreit den Geist des Bieres“ besiegelte den Vorgang.

Die Vorwürfe schwankten zwischen nachvollziehbar und rein närrisch. So wurde Journalist Bernd Linnarz, alias Barbarossa, angelastet, die Normalbürger durch eine Flatrate für Bitburger und Friseurbesuche in Sinzig übervorteilt zu haben, was er glattweg verneinte. Die Standgebühr nachzahlen für den Glühwein, den die Messdiener auf dem Weihnachtsmarkt verkauften, so lautete die deutliche Anordnung an die Adresse von Dechant Achim Thieser. Eine Geldstrafe verhängte Franz-Hermann Deres gegen Pizzeria-Betreiber Franko Dzaferi wegen ominöser Parkplatzangaben, sagte aber gleichzeitig die rabiate Reservisten-Unterstützung in Sachen Homepage zu.

„Jede Menge Parkverstöße“ beging nachweislich Hartmut Tann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Seine zweigleisige Strategie, sich einerseits mit Fotonachweis selbst anzuklagen, andererseits auf unschuldig fürs Parken vor der Kirchentür und dem Sinziger Schloss zu plädieren, brachte ihm die Anrede „Euer Merkwürden“ ein. Ebenso zweigleisig folgte die Strafe: Er muss in den Elferrat eintreten und einen Obolus für 311 Kölsch entrichten.

Zu wenig Bier geflossen?

Ein ziemliches Brimborium stellte die Ermittlung um vermeintlich zu wenig Bier bei der 750-Jahr-Feier im Laguna am Kirchplatz dar. Deswegen stand Muric Farko vor Gericht. Aber die Anklage „das Laguna war leergesoffen“ konnte trotz einiger Zeugen, darunter ihre Lieblichkeit Prinzessin Margarete I., „nicht nachgewiesen werden“, wie der Richter feststellte. Durch die Unterstützung des Prinzenpaares kassierte Muric Farko einen 1a-Freispruch. Vielleicht sollte erwähnt werden, dass er Betreiber der Hofburg der Närrischen Buben ist und am Veilchendienstag Erbsensuppe kocht. Leidvoll blickte Parviz Azhari, Leiter des Rewe-Marktes und Freund des Karnevals, als ihm zur zünftigen Kopfbedeckung im Karneval die Farben Blau-Gelb empfohlen wurden. „Falsche Farbe“, meinte er betreten, da es die Farben der Konkurrenz sind.

Einige Kandidaten sonnten sich geradezu im Lob: So wurde der Gynäkologe Dr. Helmut Dahlmanns „verurteilt“ bei den Senatoren einzutreten. Kinderarzt Dr. Jürgen Fleischmann, Wiederholungstäter, musste schließlich nachgesehen werden, dass er seit 16 Jahren seine ärztlichen Wohltaten nur teilweise Sinzig und sonst vielfach in der Welt zugutekommen lässt. Das fiel dem Gericht offenbar nicht allzu schwer bei einem Sinziger Ex-Prinzen Karneval und einem Ex-Vorsitzenden (2003 bis 2007) der Närrischen Buben.

Herbert Rück von den Rüstigen Rentnern erntete ebenfalls viel Zuspruch. Obendrein gab es mit Blick auf die Renovierung eines Heiligenhäuschens ohne Auftrag den Hinweis: „Wenn ihr etwas sucht, was ihr renovieren wollt: Der Helenensaal hat’s nötig.“ Jugendhaus-Leiterin Petra Klein, die 15.000 Euro für das Berufseinstiegsprojekt Smarts-Up erwirkte, nicht aber für die KG, lobten die Beteiligten ob ihres Marketing-Talents.

Ein Stimmungsumschwung in Richtung Ernst drohte, als Delinquent Hans-Otto Sprengnetter, Firmenchef der Immobilienbewertung Sprengnetter, sich wehrte. Ausgerechnet an einem Rosenmontag hatte er einen Umzug seiner Firma von Sinzig nach Bad Neuenahr vollzogen. Der Unternehmer konterte, der Richter, im zivilen Leben Vorsitzender der Sinziger CDU, habe kein Grundstück für ihn in Sinzig organisiert. Franz-Hermann Deres forderte indes freundlich als Wiedergutmachung eine Einladung mit Bewirtung für die KG nach Bad Neuenahr, außerdem in Nachfolge des Stadtmodells Franz Steinborns „Sinzig um 1650“ ein „Modell Sinzig 2050“.

KG optimiert

Persönlichkeitsprofil

Zwar schätzt das Gericht seine Missetäter allein schon als Einkunftsquelle – irgendwoher müssen ja die Penunzen für den Spaß an der Freud kommen - zeigt aber den Angeklagten auch gerne Wege auf, wie sie ihr Persönlichkeitsprofil noch optimieren können. An Wolfgang Kistner, Ortsvorsteher von Westum, ging die Belehrung, „eine gute Rede ist eine kurze Rede“. Dass er verstanden hatte, bewies der Gescholtene sogleich mit einer knackigen Ein-Minuten-Rede, in der die „Kraft des Möhrensafts“ eine Rolle spielte. Karl-Friedrich Amendt vom Denkmalverein beehrte die Stadt in ihrem 750-Jubeljahr unbestreitbar verdienstvoll mit einem gewichtigen Regesten-Buch. Zugute hielt man ihm, der seit 1985 in Sinzig sesshaft ist, er schwimme auch fleißig, rede dabei aber noch mehr. Allerdings sollte er erklären, „warum es so lange gedauert hat, bis er an einer Veranstaltung der KG teilnimmt“. Da Friedrich Amendt stattdessen fleißig Karneval-Termine im früheren Wohnort besucht hatte, war er halbwegs entschuldigt. Er musste nur einen kleinen Betrag entrichten für unverzüglich vor Ort erteilten Gesangsunterricht. So erschallten bald zur höheren Ehre Sinzigs die Bläck Fööss-Zeilen „bes du he nit jebore dat es doch janit schlemm. Wichtig es, wofür et schläät, dat kleine rude Ding.“

Hätte es eine Auszeichnung als Liebling der Verhandlung gegeben, so wäre zweifellos Kaplan Thomas Hufschmidt damit beehrt worden. Der Staatsanwalt schmeichelte ihm, er sei der Modell-Welt verloren gegangen und ließ ihn von seinem Motorrad einer BMW erzählen. Mit der Anklage tat er sich schwer. Obgleich der Saarländer beim „Einbürgerungstest“ gravierende Wissenslücken aufwies, nahm man ihm nichts übel. Wie die Tollitäten heißen, las er vom Orden ab, und der Gerichtssaal bebte vor Lachen, als er für die Prinzessin „Sentiaca“ angab und „komischer Name“ anmerkte. Doch legte keine Geringere als die Regentin Margarete I. Fürsprache für ihn ein. Und Robert Lohmer bestärkte sie darin: „Er lässt sich gut integrieren, tanzt gut und ist karnevalistischer gekleidet als der Pastor.“ Strafmildernd wirke „heftiger Migrationshintergrund“, erklärte Richter Franz-Hermann Deres. So bekam der Kaplan das Rheinische Grundgesetz zum Studieren mit, den Rat einen Dialektkurs zu belegen, Provision zu hinterlegen, „dann Freispruch“.