Rückblick: Vor 50 Jahren begann der Bau des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich
Vom Kraftwerk mit Schlagzeilen zur industriellen Nachnutzung
Mülheim-Kärlich. Es ist nicht nur ein Teil der Heimatgeschichte, sondern machte über Jahre hinweg bundesweite Schlagzeilen: Das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich. Vor genau 50 Jahren, am 16. Januar 1975, wurde die Baustelle eingerichtet. Hieran erinnert der örtliche Heimatchronist Horst Hohn. Den Antrag zur Errichtung des Kraftwerks hatte man bereits 1972 gestellt. Den Planungen voraus ging eine intensive Standortsuche. Hier wurden auch Neuwied und Bad Breisig in Erwägung gezogen. Die Standortentscheidung fiel jedoch auf Mülheim-Kärlich. Dort sollte sogar ein weiterer Kraftwerksblock entstehen, der aber letztlich nie beantragt wurde. Nach rund 11-jähriger Bauzeit wurde die Anlage im Jahr 1986 fertiggestellt. Klagen von Kommunen und Privatpersonen hatten zu Verzögerungen geführt.
Erstmals an Netz ging der Generator im März 1986. Nach dem Probebetrieb und exakt 100 Tagen im Regelbetrieb musste das Kraftwerk zwei Jahre später, im September 1988, wieder abgeschaltet werden. Grund hierfür war ein Gerichtsurteil, welches ein fehlerhaftes Baugenehmigungsverfahren attestierte. Hintergrund: Das Reaktorgebäude wurde aus Sicherheitsgründen rund 70 Meter vom ursprünglich geplanten Standort errichtet, damit dieses nicht zwischen zwei Gebirgsschollen stand. Nach dem gerichtlichen Aus beantragte der Betreiber eine neue Genehmigung, was wiederum zu weiteren gerichtlichen Verfahren führte.
Im Rahmen des sogenannten „Atomkonsenses“ kam jedoch im Juni 2000 das endgültige Aus für die Anlage. Der Betreiber bracht das neue Genehmigungsverfahren ab und verzichtete im Gegenzug auf Schadensersatz wegen der fehlerhaften ersten Baugenehmigung. Es erfolgte eine Übertragung der Reststrommenge auf andere Kernkraftwerke. Der Rückbau des Kraftwerks begann. Bereits im Sommer 2002 wurden die letzten Brennelemente abtransportiert. Im Jahre 2004 begannen sodann die eigentlichen Arbeiten zum Abriss. Der 162 Meter hohe Kühlturm wurde im Jahr 2019 vollständig beseitigt. Der Turm wurde mittels eines ferngesteuerten Spezialbaggers bis zu einer Höhe von 80 abgetragen. Sodann wurden mit ebenfalls ferngesteuerten Baggern mehrere Stützen des Turms beseitigt. Der markante Turm stürzte am Nachmittag des 9. August 2019 unter großem Medien-Interesse ein.
Die Baukosten beliefen sich auf sieben Milliarden D-Mark (3,58 Milliarden Euro). Rund 700 Mitarbeiter aus der gesamten Region waren einst dort beschäftigt. Der langwierige Rückbau kostet schätzungsweise bis zu eine Milliarde Euro. Der überwiegende Teil des ehemaligen Kraftwerksgeländes ist zwischenzeitlich veräußert und gewerblichen Nachnutzungen zugeführt. An das einstige Kernkraftwerk erinnert im Wesentlichen nur noch die kugelförmige Reaktorkuppel sowie der 161,5 Meter hohe Abluftkamin.
