Ein Beitrag zur Heimatgeschichte

Vom Loheschälen in der Eifel

von Werner Schüller

10.05.2016 - 14:53

Region. Viele der jungen Generation können sich unter Lohe erst durch Nachschlagen im Lexikon oder durch Suchen im Internet die Bedeutung des Wortes vorstellen. Dabei ist das Loheschälen in der Eifel schon ein kleines Stück Heimatgeschichte. Lohe ist gerbstoffhaltige Baumrinde, vorwiegend von Eichenstämmen. Bis zur Erfindung von gleichwertigen Chemikalien wurden seit alters her und bis in die frühen dreißiger Jahre mit gemahlener Eichenrinde Tierhäute zu Leder gegerbt.

Um 100 Kilogramm Häute zu gerben, wurden etwa 500 Kilogramm Lohe benötigt. Wenn im Frühjahr die Natur zum Leben erwachte und die ersten Knospen durch steigende Säfte sprießten, begann in dieser Jahreszeit früher das Loheschälen. In den Eifeldörfern und auch an der Ahr war das Lohe schälen neben der Landwirtschaft bis nach dem 2. Weltkrieg ein wichtiges Zubrot. In Frage kamen junge, meist aus Stockausschlag gebildete Eichenbestände (auch unter dem Begriff „Bauernwald“ bekannt).

Nach heutigen Erkenntnissen wird der Laubwald allgemein gefördert. Damals wurden die jungen Eichenwälder als minderwertig angesehen. Aus ökonomischen Gründen wurde auf schneller wachsendes Nadelholz, wie Kiefern und Fichten, gesetzt. Es gab daher auch keine Bedenken, junge Eichenwälder zum Loheschälen zu nutzen um nach dem Abernten der Lohe mit dem Holz den Brennholzbedarf zu decken. Lohe wurde entweder in dem zum landwirtschaftlichen Anwesen gehörenden Privatwald gewonnen, oder es wurde in einer öffentlichen Versteigerung, die mindestens einmal jährlich stattfand, ein sogenanntes „Los“ aus dem Gemeindewald zur Holznutzung ersteigert. Ein „Luh-Los“ war ein durch den Gemeindeförster abgegrenztes Waldstück der Größe von etwa fünf bis zehn Ar.


Der Bahnhof von Ahrweiler war eine bekannte Lohesammelstelle


Vor der Versteigerung wurde die Lage der „Lose“ bekanntgegeben, um vor Ort die Gegebenheiten und die Ergiebigkeit zu besichtigen und zu begutachten. Als Hauptwerkzeug diente die altbekannte und in der Landwirtschaft vielseitig verwendete „Häp“ (Haubeil) sowie das „Lohmesser“, ein kurzstieliges Stoßmesser, bestehend aus einem Holzgriff und einer runden, eurostückgroßen, vorne flach und hinten halbmondartig gewölbten Schneide.

Etwa in Augenhöhe wurde die Rinde mit der „Häp“ rings um den Stamm eingeritzt. Das nannte man „jekränz“. Von diesem eingeritzten Kranz wurde ein etwa fünf Zentimeter breiter Streifen bis zum Boden abgeschlagen. Ausgehend von dem Streifen konnte die Baumrinde nach und nach um den ganzen Stamm bis zum Wurzelstock am Boden mit dem „Lohmesser“ sauber gelöst werden. So entstand ein mantelartiges Rindenstück vom Baumrumpf. Daher hieß der Arbeitsgang auch „Römpe“ (Rümpfen). Der Vorgang wiederholte sich bei den stehenden Bäumen. Weitere „Rümpfungen“ erfolgten je nach Baumgröße. erst nach dem Fällen. Dünneres Gehölz, beispielsweise aus der Krone, wurde mit der Axt oder dem sogenannten „Heckeheue“ („Schlaghäpe“) ausgefegt und auf einem Baumstumpf oder Wurzelstock mittels Holzschlegel solange rundum geklopft, bis sich die Rinde leicht löste. Bei dieser Arbeit waren Kinderhände oft fleißige Helfer. Eine Tagesausbeute von 50 Kilogramm galt als guter Durchschnitt. Von den Lohesammelstellen wurden nur absolut trockene Lohe angenommen. Darum wurde die Rinde zum Trocknen auf sogenannte „Ricken“ (aus Astgabeln und Knüppeln vorgerichtetes Gestell) mit etwa 50 Zentimeter Bodenfreiheit pultdachförmig aufgeschichtet. Der natürliche Trockenvorgang dauerte je nach Witterung ein bis drei Monate. Zwischendurch wurde öfters kontrolliert, und wenn die Rinde trocken und brüchig war, konnte an Verkauf gedacht werden.

Mit Weiden-, Haselnussruten oder ähnlichem zu Bündeln gebunden, auf Pferde- oder Ochsenfuhrwerk verladen, wurde die Lohe zum Sammelplatz gebracht. Für die hiesige Region war der Umschlagplatz am Ahrweiler Bahnhof. Bezahlt wurde nach Gewicht. Von Ahrweiler ging die Lohe per Waggon zur weiteren Verarbeitung in Lohemühlen und von dort aus gemahlen als Endprodukt in die Gerbereien.

Da das von der Rinde befreite Holz den Sommer über schnell trocknete, flackerte es schon im nächsten Winter in den Herden, Öfen und Backhäusern. Das Loheschälen war keine leichte Arbeit, und reich werden konnte man davon auch nicht. Aber gerade in dieser Zeit war für die Leute eine Mark nebenher wichtiger denn je.

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