The Night of Gipsy Musik
Atemberaubend, virtuos und anrührend
Diego Reinhardt & Friends gestalteten ein Sinti Swing-Musikfest in der KuFa unter dem Motto „Miteinander statt Gegeneinander - Kulturen verbinden“
Koblenz. Als Kultur- und Musikfest war die auf den musikalischen Spuren Django Reinhardts wandelnde Veranstaltung angekündigt. Ihre Kultur vermittelten die jungen Musiker sehr authentisch mit den Musikdarbietungen, die der 60-jährige Sascha Reinhardt, Vater von Diego und weiteren sieben Söhnen und sieben Töchtern, lebhaft und familiär moderierte. Wie könnte man Kultur besser darstellen als mit Musik, der traditionellen Musik des weltberühmten Jazz-Gitarristen Django Reinhardt, der im Pariser Jazz-Club „Hot Club“ in den 1930er Jahren mit dem Gypsy Jazz den ersten europäischen Jazz ins Leben rief. Der Vorfahr der jetzt lebenden Reinhardt-Generation ist deren großes musikalisches Vorbild. Den Sinti-Swing präsentierte Diego zusammen mit Bruder Aljosha (Bass-Gitarre), mit Cousin Romano Säger (Rhythmus-Gitarre) sowie dem international gefragten Violinisten Daniel Weltlinger. Diego lernte das Gitarrenspiel von klein auf bei Vater Sascha und Onkel Daweli. An der Solo-Gitarre bestritt er den Abend mit unzähligen atemberaubenden, im Akkord gespielten Läufen, virtuosen und technisch überzeugenden Interpretationen von „Viper’s Dream“, „Bossa Dorado“, „Donauwellen“ und vielen anderen Stücken.
Kein Wunder, dass sich bei ihm schnell die ersten Schweißperlen auf der Stirn zeigten und zur Pause dann auch die erste Saite riss, die dem Spieltempo nicht Stand gehalten hatte. Das Zusammenspiel der drei Gitarristen im Dialog mit dem Violinisten, der große Fingerfertigkeit bei den meist hohen Tempi der Stücke bewies, sprühte vor Spielfreude. Jeder Musiker eine eigene Persönlichkeit, jeder für sich ein Talent, in der Gruppe waren sie unschlagbar und bildeten musikalisch eine Einheit. Es war spür- und hörbar, wie gut sich die jungen Musiker verstehen, musikalisch, aber auch menschlich.
Eine besondere Rolle übernahm natürlich die Geige, die der Musik einen eigenen Flair, eine besondere Würze gab. Auch wenn Weltlinger sich nicht mit dem Superlativ „der schnellste Geiger der Welt“ zieren darf, so spielt er doch dank ausgefeilter Technik unglaublich schnell und eben besonders schön, voller Energie und in innigem Dialog mit dem Instrument. Seine gefühlvolle Interpretation der Stücke faszinierte. Den Musikern genügte der Blickkontakt zur Verständigung hinsichtlich Einsatz und Geschwindigkeit - das funktionierte tadellos. Vater Sascha setzte sich zu „seinen“ Jungs auf die Bühne und genoss die ihm so vertrauten Klänge. Er war begeistert von den Interpretationen: „So gut wie heute haben sie lange nicht gespielt!“ - das Publikum, das an diesem Tag gerade einmal die ersten drei Zuschauerreihen füllte, pflichtete ihm gerne bei. Immer wieder ertönten die „Bravo“-Rufe. Gespielt wurde natürlich nicht nach Noten, die haben sie alle im Kopf und im Blut, spielen sie die Stücke doch schon fast ihr ganzes Leben lang. Die rhythmischen Melodien mit vielen gleichen Harmoniefolgen dienten als Fundament, um das sich die eine oder andere Improvisation der Musiker rankte. Kein Künstler versuchte sich in den Vordergrund zu spielen, jeder ließ dem anderen seinen Lauf.
Besonders wenn die Geige einsetzte, nahmen sich die Gitarren sehr zurück, bis sie ihr Spiel mit hoher Sensitivität wieder aufnahmen und gemeinsam den musikalischen Weg voller Vitalität zu Ende gingen. Swing- und Jazz-Standards wechselten sich ab, griffen ineinander. Es waren alles Stücke aus dem riesigen Repertoire Django Reinhardts, die er etwa zwischen 1937 und 1950 aufnahm. Ein besonderes Hörerlebnis war Django Reinhardts „Claire de Lune“, ein sehr bluesiges Stück, bei dem einmal Weltlingers Geige und dann wieder Diegos Gitarre die Melodie führte. Eine zweite Solo-Gitarre gab dem Konzert eine Variation. Sie spielte Dimitri Reinhardt, ein weiterer Sohn von Sascha. Er bewies gerade bei „Minor Blues“, wie sehr auch er Djangos Stil verinnerlicht hat, wie ihm der Swing im Blut liegt und welche große Fingerfertigkeit er besitzt. Zusätzliche moralische Unterstützung erhielten die Musiker nach der Pause durch den international bekannten Jazz-Gitarristen Lulo Reinhardt, Saschas Cousin, der in der ersten Reihe einen Platz eingenommen hatte. Dann kam der Teil, auf den sich Sascha besonders gefreut hatte.
Er sang. Er sang mit einer Stimme, die eigentlich keine ist, die trotzdem oder gerade deswegen unter die Haut geht. Man versteht das Sinti-Gemüt, wenn man sieht, wie er „Puro Tschawo“ vom Schnuckenack-Reinhardt-Quintett oder „Schwarze Augen“ interpretiert. So viel Herzschmerz sprach aus Saschas dunklen Augen. Diego Reinhardt & Friends machte es ganz offenkundig Spaß, ihn dabei zu begleiten. Nach all der Schwermut brachten sie zum Abschluss noch einmal die Saiten zum Schwingen. Da saß Sascha wieder mit verträumtem Blick auf der Bühnenkante. Das Publikum erfühlte die Stimmung und zeigte sich enttäuscht, weil ein zweiter Zugabe-Wunsch nicht erfüllt wurde. Doch Gipsy-Musik wird man in Koblenz spätestens wieder bei dem Sinti Roma Musik-Festival „Django’s Erben“ im nächsten Sommer erleben können.
Wie könnte man Kultur besser darstellen als mit der traditionellen Musik des Jazz-Gitarristen Django Reinhardt? Seine musikalischen Nachfahren sprühten vor Spielfreude.Fotos: BSB Sascha Reinhardt moderierte lebhaft und familiär bei seinen Jungs auf der Bühne.


