Friedensdorfkinder werden im Stiftungsklinikum behandelt
„Da schaut man nicht auf die Uhr“
Koblenz. Die OP hat gut zwei Stunden gedauert. Die letzte Naht ist verschlossen. Dr. Erol Gercek schaut zufrieden auf den Oberschenkel des 14-jährigen Jungen. Er hat ihm eben einen zehn cm langen Knochen eingesetzt und hofft nun, dass sich das Bein schnell stabilisiert. „Das Schicksal dieser Kinder liegt uns immer besonders am Herzen“, so der Klinikdirektor und Chefarzt des Zentrums für Unfallchirurgie und Orthopädie am Stiftungsklinikum Mittelrhein. Seit über 20 Jahren werden im Evangelischen Stift Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten kostenfrei behandelt. Seit Beginn des Hilfsprojektes haben sich die jeweils zuständigen Chefärzte dafür eingesetzt, dass kontinuierlich Kinder aufgenommen werden, egal, mit welchen Kosten und Aufwendungen dies für ihre eigene Abteilung verbunden ist. „Meist sind das auch schwierige und außergewöhnliche Operationen“, so Privat-Dozent Dr. Gercek. Jahongir der Junge aus Usbekistan, ist gerade zum dritten Mal innerhalb eines Jahres operiert worden. Eine genaue Diagnose konnten die Ärzte zu Beginn der Behandlung nicht stellen. Wahrscheinlich hat eine Verletzung oder Entzündung das Wachstum des Oberschenkelknochens behindert. Nicht nur, dass das linke Bein des Jungen ca. 30 cm kürzer ist als das rechte, sondern es fehlt die knöcherne Verbindung vom Hüftkopf zum Knie. Der Junge konnte das „Puddingbein“ quasi um 180 Grad drehen. „So ein Kind hat in seiner Heimat ohne entsprechende Behandlung keine Chance auf ein einigermaßen vernünftiges Leben“, meint Dr. Gercek. „Wenn ich so etwas sehe, dann denke ich an meine vier Kinder und daran, wie gut es uns doch geht!“ Mit viel Energie setzt sich der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie für die Behandlung der Friedensdorfkinder ein. Da vergehen schon einige Stunden an Mehrarbeit, um die OPs vorzubereiten, Diagnosen zu stellen, Materialien kostengünstig oder gar über Spenden zu beschaffen oder auch mal tröstend am Bett zu sitzen und die Hand der kleinen Patienten zu halten. „Wir nehmen uns die Zeit trotz oft stressigem und langem Alltagsgeschäft.“ Sein Chefarztkollege Privat-Dozent Dr. Philipp Drees ist Vater von drei Kindern. „Für uns war klar, dass wir, als wir hier im Stiftungsklinikum anfingen, die Kinderhilfe auf jeden Fall weiterführen“, so Dr. Drees. „Unser gesamtes Team setzt sich für diese Kinder ein. Ob Ärzte oder Pflegekräfte - da schaut man eben nicht auf die Uhr.“ Die notwendigen Rehamaßnahmen werden zudem von Rehafit am SKM unentgeltlich übernommen. Jahongir bleibt etwa zwei bis drei Wochen im Koblenzer Stiftungsklinikum, danach geht es wieder in das Friedensdorf nach Oberhausen, seiner „Heimat“ in Deutschland. Bis er nach Usbekistan zurückkehren kann, vergeht noch eine lange Zeit - je nach Heilungsprozess. Ob eine weitere Operation notwendig sein wird, ist noch unklar. „Unser Ziel ist es, den Knochen zu stabilisieren. Eine Beinverlängerung werden wir nicht vornehmen, das können wir ihm nicht auch noch zumuten. Jahongir wird aber mit Hilfe einer Orthese, also einer Art Laufstelze, ohne Gehstützen laufen können.“ Fußball wird er allerdings wohl nie spielen, das bedauern Dr. Drees und Dr. Gercek sehr. Beide sind leidenschaftliche Kicker im Team der Lotto-Elf genauso, wie zu Hause im Garten mit ihren Kindern. Aber: „Der Junge ist uns unglaublich dankbar. Wir bekommen von allen hier behandelten Kindern so viel zurück, das ist den Einsatz einfach wert.“ Das Spendenkonto des Stiftungsklinikum Mittelrhein für die Friedensdorfkinder lautet: Sparkasse Koblenz, Konto: 7000 22 33, BLZ: 570 501 20 (Stichwort: Kinderhilfe).
