Allgemeine Berichte | 26.05.2013

Ausstellung im Neuen Justizzentrum in Koblenz

Darf die Satire wirklich alles?

Deutsches Kabarettarchiv zeigt bis zum 14. Juni 26 Bildtafeln zum Thema „Satire und Justiz“

Sie kennen sich aus mit Satire und Justiz: (v. l.) Jochen Hartloff, Jürgen Kessler, Klaus-Peter Mieth, Lars Brocker und Walter Schumacher.BSB

Koblenz. Im Jahr 2011 konnte das Deutsche Kabarettarchiv sein fünfzigjähriges Bestehen feiern. Aus diesem Anlass kuratierte es die Ausstellung „Satire und Justiz“, die vor zwei Jahren bei der Staatsanwaltschaft in Mainz eröffnet wurde.

Einen Monat lang gastiert das in Mainz ansässige Archiv mit seiner Schau nun im Neuen Justizzentrum in Koblenz.

Die Satire ist ein Stilelement des in Deutschland seit mehr als 110 Jahren als Form der Kleinkunst existierenden Kabaretts. Mit Begriffsdefinitionen beschäftigten sich bei der Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff und Kultur-Staatssekretär Walter Schumacher. Hartloff nannte die Satire eine Waffe des Geistes in der Auseinandersetzung. Schumacher sprach von irritierender Vieldeutigkeit des Begriffs, der im Lauf der Geschichte so komplex wurde, dass er kaum definierbar sei. Ziemlich sicher ist wohl, dass sich das Wort entwickelt hat aus dem Lateinischen „satura lanx“, die mit Früchten gefüllte Schale. Ein bunt gemischtes Allerlei also.

Die Gesetzesvorlage „lex Heinze“ aus dem Jahr 1900 und die anschließende Gründung des Goethe-Bundes waren das Saatgut für das deutsche Kabarett. Mit der Kleinkunstbühne „Überbrettl“ in Berlin und der Münchner Gruppe „Elf Scharfrichter“ fing all das an, was immer dann ein Fall für die Justiz wurde, wenn Justitia der Ansicht war, die Satire habe Moral, Politik oder Religion übermäßig verspottet oder Persönlichkeitsrechte verletzt.

Prozesse waren gerade zu Beginn oft an der Tagesordnung. Dieses Ringen zwischen Justiz und Satire über die Jahrzehnte dokumentieren die 26 Bildtafeln im Justizzentrum. Fotomontagen, Zeichnungen, Texte, Plakate, Zeitungsausschnitte, Verfügungen, Urteile - alles wurde zusammengetragen, was Kunst- und Meinungsfreiheit kontra Recht und Ordnung zum Thema hat. Satire als Form von Spott, Parodie und Ironie wurde schon in der Dichtung der Antike gepflegt.

Bis heute dient sie der Zeitkritik und macht sich als Richterin verdient. Sie verfolge, so Schumacher, das gleiche Ziel wie die Justiz: Zu beleben, zu verbessern und zu bestrafen, eine bessere Welt mit zu gestalten. Beide strebten nach Gerechtigkeit und Aufklärung.

Auf welch unterschiedlichen Wegen Justiz und Satire sich diesem Ziel näherten und wie schwer es Satire und Kunst über die Zeiten hinweg oft gegen die Justiz hatten, das zeige die Ausstellung. Nicht selten vereinen sich Juristen und Satiriker sogar in einer Person, wie es bei Herbert Rosendorfer, Jürgen von Manger oder Henry Fielding der Fall war.

Paradebeispiel ist natürlich der in der Ausstellung ebenfalls gewürdigte streitbare Spötter Kurt Tucholsky. So begannen auch Oberverwaltungsgerichtspräsident Lars Brocker und der Geschäftsführer des Deutschen Kabarettarchivs Mainz, Jürgen Kessler, die gemeinsam zur Eröffnungsveranstaltung eingeladen hatten, ihre Ansprachen mit dem auf das Jahr 1919 datierten Tucholsky-Zitat: „Was darf die Satire? Alles!“ Brocker schränkte ein, „grundsätzlich alles“, denn der Satz gelte nur, so lange Meinungs- und Kunstfreiheit nicht mit anderen Verfassungsgütern kollidierten.

Aber der besondere Beitrag, den die Satire zum öffentlichen Diskurs leiste, dürfe nicht, wie in extremstem Ausmaß während der Nazidiktatur geschehen, beschnitten werden. Brocker erinnerte an die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933, bei der Werke vieler Satiriker wie Tucholsky, Ringelnatz, Kästner oder Heine in Flammen aufgingen, und daran, dass etliche dieser Autoren interniert, ermordet oder ins Exil gezwungen wurden. Auch mit dieser Zeit beschäftigt sich die Ausstellung.

Kessler nahm ihre Eröffnung zum Anlass, seinen Missmut über die Satire-Mutationen in der heutigen Medienlandschaft zum Ausdruck zu bringen.

Die Satire Tucholskys sei eine gewesen. Aber was sich heutzutage alles als Satire ausgebe, sei oft reiner Spott ohne Anspruch an Geist, Kunst und Aufklärung, reklamierte Kessler. Als politisches Kabarett gelte oft schon das Witzemachen über das Äußere von Politikern, wobei dann leicht einmal eben die Gürtellinie auf Kosten anderer unterschritten werde. Kessler vermisst Satiriker mit Klasse und Klugheit in der heutigen Unterhaltungsgesellschaft, in der es hauptsächlich um „Spaß, Kohle, Kult und Quote“ gehe. Dabei könne doch wenigstens die Beschäftigung mit der Satire immer noch eine heitere und herrliche Sache sein.

So hätten der leitende Oberstaatsanwalt von Mainz, Klaus-Peter Mieth, und er beim Wein die Idee zur Ausstellung gefasst. Sie mit gemeinsamen Kräften zu realisieren und finanzieren habe für sie Riesenspaß, auch Erkenntnisspaß bedeutet. Kessler wünschte, den Besuchern der Ausstellung, die er offiziell für eröffnet erklärte, den gleichen Spaß auch beim Betrachten der Exponate.

Die Ausstellung im Neuen Justizzentrum in der Deinhard-Passage 1 ist geöffnet montags bis donnerstags von 9 bis 16.30 Uhr, freitags von 9 bis 12 Uhr.

Kurt Tucholsky veröffentlichte mit seiner Textsammlung aus 1929 ein Bilderbuch zur Lage von Staat und Nation mit Montagen von John Heartfield.

Kurt Tucholsky veröffentlichte mit seiner Textsammlung aus 1929 ein Bilderbuch zur Lage von Staat und Nation mit Montagen von John Heartfield.

Sie kennen sich aus mit Satire und Justiz: (v. l.) Jochen Hartloff, Jürgen Kessler, Klaus-Peter Mieth, Lars Brocker und Walter Schumacher.Foto: BSB

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